EU-Sonne wirft einen langen, dunklen Euro-Schatten

- Alle reden über rot-grüne Ent­eig­nungen – Draghi zieht sie eiskalt durch
- Null­zins­po­litik trifft haupt­sächlich Sparer, jetzt sind auch Arbeit­geber dran
- Zur Situation der EU und des Euro und deren Perspektiven
(von Albrecht Künstle)
Als die Banker 2007/2008 nicht mehr wussten, mit welchen Tricks sie den Geld­hunger maroder Staaten und den Kon­sum­rausch Pri­vater kaschieren könnten, platzte die Blase und führte in eine „Finanz­krise“, die ganze Wirt­schafts­na­tionen ins Strau­cheln brachte. Damals sah ich drei Sze­narien, wie die finan­zi­ellen Ver­wer­fungen wieder ins Lot kommen sollen. Eine Option waren massive Preis­stei­ge­rungen, die den Namen einer Inflation ver­dient hätten. Die zweite war ein Schul­den­erlass für Staaten wie Grie­chenland. Beides traf nicht ein, und die dritte Option auch nur in einem ein­zigen Land: Auf Cypern finan­zierte sich der Staat, indem er sich das Geld einfach bei den Reichen holte und hohe Geld­ver­mögen beschlagnahmte.
Alle diese Lösungs­mög­lich­keiten hätten im großen Rahmen in den Euro-Ländern wohl größere Unruhen aus­gelöst, viel­leicht sogar kleine Revo­lu­tionen. Doch EZB-Chef Draghi (der Name Chef soll von scheffeln kommen J) fiel etwas Raf­fi­nier­teres ein, genauso wirksam aber unauf­fällig, und erst zu merken, wenn es zu spät ist. Er wollte seine heilige Euro-Kuh Euro um JEDEN Preis stützen, indem er die Staa­ten­fi­nan­zierung durch die EZB zuließ, Geld druckte, und die Zinsen von vier Prozent auf den Null­punkt brachte. Seit dem Jahr 2015 ver­harrt der Leitzins im Euro-Raum bei Null, ein Ende ist nicht abzu­sehen. Ent­spre­chend gibt es auch für die Sparer, welche erfor­der­liche Inves­ti­tionen erst möglich machen, nur noch Zinsen unter einem Prozent; teil­weise sind sogar „Nega­tiv­zinsen“ fällig, rich­tiger: Strafgeld. „Gut­haben“ hießen die Spar­gro­schen früher, „Schlecht­haben“ sind sie jetzt.
Gleichzeit werden frühere Lehr­sätze der volks­wirt­schaft­lichen Glo­bal­steuerung einfach umde­fi­niert. Die vier Ziele des „magi­schen Vierecks“ hießen Voll­be­schäf­tigung (ein hoher Beschäf­ti­gungs­stand), Wirt­schafts­wachstum (keine Sta­gnation), Preis­sta­bi­lität und ein aus­ge­gli­chener Aus­lands­saldo. Jetzt wurde die Preis­sta­bi­lität einfach in ein Infla­tionsziel von zwei Prozent umge­deutet, nicht mehr als Ober­grenze. Das bedeutet nun, das Real­ver­mögen der Sparer nimmt jährlich um zwei Prozent ab. Das merken diese aber erst, wenn sie mit dem einmal abge­ho­benen Geld weniger anfangen können. Aber dann wird sich dieser Noten­bank­scheffler Draghi in Frankfurt aus dem Staub gemacht haben und wieder in seiner Heimat Italien resi­dieren, dessen Staats­haushalt er mit seiner Zins­po­litik zu Lasten der deut­schen Sparer saniert haben könnte. Ein Trost ist nur, dass unser Geld nicht weg ist, es haben nur andere – nicht nur Italien.
Nicht anders geht es uns als Steu­er­zahler. Es ist eben nicht so, wie man uns weiß machen will, dass wir Deut­schen – wer ist wir? – die Pro­fi­teure des Euro seien. Die Euro-bedingten Wett­be­werbs­ver­zer­rungen zwi­schen den Euro-Ländern ver­ur­sachten nämlich fast eine Billion EUR Target2-Salden. Solche Salden haben die negative Eigen­schaft, dass den Gläu­bigern ebenso Schuldner in gleicher Höhe gegen­über­stehen. Der größte Schuldner gegenüber der Deutschland-Bun­desbank ‑ und damit uns ‑ ist Italien mit über 300 Mrd. EUR.
Ange­nommen, die Ita­liener ver­ab­schieden sich aus dem Euro wie die Briten aus der EU, dann werden wir ein Problem haben, das gegenüber dem Brexit eine Kata­strophe ist. Diese Mil­li­arden belasten dann auf einen Don­ner­schlag unseren Bun­des­haushalt. Der deutsche Schul­denberg steigt dann von 2,053 Bil­lionen Euro auf über 2,3 Bil­lionen, die Net­to­ver­schuldung wieder auf etwa 70 Prozent des Inland­pro­duktes. Deutschland würde die Kon­ver­genz­kri­terien ver­letzen und müsste einen blauen Brief aus Brüssel befürchten. Dann müsste Berlin die Steuern erhöhen und damit den Großteil der Berufs­tä­tigen zum dritten Mal bestrafen, die schon durch ihre Lohn­zu­rück­haltung unseren Han­dels­über­schuss zu Lasten anderer Länder mit ver­ur­sachten. Und, wie oben beschrieben, ihre Erspar­nisse der EZB zum Fraß vorwarfen.
Aber nun trifft es langsam aber sicher auch die Unter­nehmer, die mit der EU und dem Euro gut gefahren sind. Die Politik hat die umla­ge­fi­nan­zierte Rente zurück­ge­fahren und als zweites Standbein der Alters­vor­sorge die Betrieb­liche Alters­ver­sorgung pro­pa­giert. Und die Arbeit­geber kamen dem nach und machten ihren Mit­ar­beitern bei­trags­fi­nan­zierte Ver­sor­gungs­zu­sagen mit teil­weise bis vier Prozent Ver­zinsung – dem dama­ligen Leitzins der EZB. Jetzt erwirt­schaften die Aktuare der Ver­sor­gungs­werke teil­weise keine zwei Prozent mehr. Das hat zur Folge, dass die Arbeit­geber eine eigene Nach­schuss­pflicht als Ver­sor­gungs­ver­schaf­fungs­an­spruch in Höhe der Dif­ferenz zwi­schen dem Rech­nungszins und dem tat­sächlich aus­fi­nan­zierten Kapi­tal­marktzins zu leisten haben. Das kostet ins­be­sondere jene viel Geld, die es gut meinten und vielen Mit­ar­beitern eine gute Ver­sor­gungs­zusage machten. Ob die Unter­nehmer jetzt immer noch Feuer und Flamme für den Euro mit all seinen „Rand­er­schei­nungen“ sind, bleibt abzuwarten.
Mein Fazit, und nicht nur meines: Die EU müsste man erfinden, wenn es sie nicht schon gäbe. Die sechs Grün­dungs­mit­glieder haben sich nämlich etwas dabei gedacht, und das auch noch, als die EU um wenige Länder erweitert wurde. Doch dann wurde das Tempo der Erwei­terung über­trieben. Und ins­be­sondere die Ein­führung des Euro im Jahr 2002 war ein Fehler. Den Mit­glieds­ländern wurden damit die natio­nalen Instru­mente zur Glo­bal­steuerung ihrer Volks­wirt­schaften aus der Hand genommen. Die Wett­be­werbs­ver­zer­rungen nahmen zu, der inner­eu­ro­päische Handel ab. Auch die Stimmung in der EU nahm ab, die pro­pa­gierte Stärkung des Friedens in Europa wurde ersetzt durch eine euro­be­dingte Not­wen­digkeit der Bevor­mundung von Mit­glieds­ländern durch ein Brüssel der Büro­kratie und ein Frankfurt der Banken mit der EZB. Leider nehmen die Diver­genzen zu statt ab, die Anglei­chung der Arbeits- und Lebens­ver­hält­nisse stellt sich leider nicht ein.
Deshalb ist durchaus nach­voll­ziehbar, dass Öko­nomen wie Hans-Werner Sinn sagen, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende – raus aus dem Euro. Zu den zwei Bil­lionen deutsche Staats­ver­schuldung kämen dann aber eine weitere Billion Target2-Abschrei­bungen dazu, macht 90 Prozent Staats­ver­schuldung. Aber in zehn Jahren könnten wir wieder auf 60 runter sein, dann aller­dings ohne ver­steckte Leichen. Lassen wir es auf den Euro-Aus­tritt anderer Länder ankommen, würden diese nicht bil­liger zu haben sein.
Machen wir unseren Kon­tinent wieder zu einem EUROPA der Länder, statt dem Ver­suchs­labor der Kom­missare. Mit dem behä­bigen EUR-Opa ist es nicht mehr weit her. Der Euro wurde alters­schwach und verlor gegenüber dem Dollar in zehn Jahren 20 Prozent, allein im letzten Jahr über vier Prozent an Wert. Importe, ins­be­sondere Ener­gie­träger, wurden ent­spre­chend teurer, deshalb auch Heizöl und Sprit, ebenso unser Aus­lands­urlaub. Durch­kreuzen wir Merkels Plan, nach der Quit­tierung ihres Jobs („Kanz­lerin aller, die sich in Deutschland auf­halten“) uns als Rats­prä­si­dentin in Brüssel, oder von der UNO aus, das­selbe anzutun wie sie es bisher aus ihrem Berlin tat.