Kom­mu­nal­wahlen in England: Alt-Par­teien vor dem Abgrund

Mehr als nur Abnutzungserscheinungen
Ober­flächlich betrachtet, könnten mir die gerade abge­lau­fenen Kom­mu­nal­wahlen in England gleich­gültig sein. Sind sie auch. Aber da ist etwas, was weit über den Rahmen von lokalen Wahl­er­geb­nissen hin­ausgeht: Über­druss an den Par­teien, an den Poli­tikern, die „seit ewig“ vor­geben, „das Beste für Land und Leute“ zu tun.
(Von Peter Helmes)
Da liegt der Wurm im Detail. „Alt­par­teien“ haben sich satt­ge­fressen an der Macht, Posten und Pfründen unter sich ver­teilt und auf­kei­mende Inno­va­tionen buch­stäblich „im Keim“ erstickt.

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Mehr als nur „eng­lische Krankheit“
Das ist bei­leibe keine „eng­lische Krankheit“ allein, sondern zieht sich quer durch West­europa – mal mehr, mal weniger deutlich spürbar. Nur ein paar Beispiele:
– Spanien hat´s erlebt: Die Kon­ser­va­tiven (PP) sind nur noch eine Kari­katur ihrer selbst.
– Frank­reich ebenso: Die Sozia­listen mini­miert, die Kon­ser­va­tiven (früher die „Gaul­listen“) fast verschwunden.
– Italien: Der Tod der Sozia­listen und der Christ­de­mo­kraten inter­es­siert heute niemand mehr.
– Schweiz: Weder Sozis noch Kon­ser­vative finden zu ihrer frü­heren Bedeutung zurück.
– Deutschland: Sozis auf dem Weg zu „Sons­tigen“, vor dem Sturz ins Nichts, Christ­de­mo­kraten ver­lieren Tag für Tag Wähler – und Vertrauen.
Schmerz­hafte Ver­luste, hoff­nungs­volle Neustarter
Was den einen – vor allem den Kon­ser­va­tiven und den Sozi­al­de­mo­kraten – emp­find­liche Ver­luste und Schmerzen beschert, schafft für andere einen frucht­baren Boden für Neues. Zum Leid­wesen der euro­päisch ver­sam­melten Gut­men­schen sind viele dieser neuen Par­teien aus anderem Holz als die alten, nämlich natio­nal­be­wusst, tra­di­ti­ons­be­wusst, voll Hei­mat­stolz – und alle eint eine tief­sit­zende Skepsis gegenüber dem „Moloch Brüssel“.
Die Alt­par­teien sind natürlich schnell bei der Hand mit dem Vorwurf einer angeb­lichen Euro­pa­feind­lichkeit – und ver­weigern sich damit dem Diskurs über die echten Werte und Grund­auf­fas­sungen. Fast alle neuen Par­teien sind nicht „euro­pa­feindlich“, sondern haben sowohl die EU-Gän­gelung satt als auch die gar nicht mehr schlei­chende, sondern offene Eli­mi­nierung der Natio­nal­staaten – Frans Tim­mermans als Toten­gräber grüßt grinsend aus Brüssel.
Zur Wahrheit gehört auch: Die tief­ge­trof­fenen Alt­par­teien führen das Wort „euro­pa­feindlich“ vor sich her wie ein Priester seine Mons­tranz, weil sie ablenken wollen von der Wahrheit: Ich kenne keine „Neuen“, die „Europa-feindlich“ sind, aber viele, die EU-Skep­tiker sind und ihre nationale Iden­tität nicht an der Gar­derobe in Straßburg oder Brüssel abgeben wollen.
„Europa“ ist mehr als nur die EU! Einer der Wenigen, die das immer wieder her­vor­heben, ist Viktor Orbán – weshalb er einer der von den „Alten“ ange­fein­detsten „Europäer“ ist. Doch der Mann hat recht, er über­zeugt – und trotzt gerad­linig der EU-Nomenklatura.
Wer EUROPA im Blick hat, und nicht nur den viel klei­neren EU-Kosmos, sollte sich auch deshalb mit den Ergeb­nissen der Wahlen in den ein­zelnen Ländern beschäf­tigen – womit ich wieder bei England bin:
Beide über­fordert: Theresa May und Jeremy Corbyn
Es gibt Anzeichen für eine tief­ge­hende Krise, von der die beiden Par­teien betroffen sind. Offenbar sind die Wähler sowohl der Tories als auch der Labour-Partei über­drüssig. Das belegen auch Umfragen, wonach die beiden Par­tei­vor­sit­zenden Theresa May und Jeremy Corbyn kata­strophal niedrige Zustim­mungs­werte bekommen haben. Solche Flauten sind für eine Regie­rungs­partei, die ihr zehntes Amtsjahr beginnt, üblich. Aber für eine Oppo­si­ti­ons­partei, die von den Vor­teilen der Unpo­pu­la­rität der Regierung pro­fi­tieren sollte, ist es eine Katastrophe
Es war sicher keine Über­ra­schung, dass die Tories eine Abfuhr erhielten. Doch das tat­säch­liche Ausmaß der Nie­derlage der Tories ist vor allem für Pre­mier­mi­nis­terin May desaströs. Die Kon­ser­va­tiven ver­loren die poli­tische Kon­trolle über min­destens 45 Regio­nalräte, in denen sie zuvor eine eigen­ständige Mehrheit hatten. May selbst frisst kilo­weise weiße Kreide und erklärt die Ver­luste nicht nur mit dem Brexit, sondern vor allem mit Abnut­zungs­er­schei­nungen in ihrer Partei, die nun seit neun Jahren regiert.
Aber auch Labour, die größte Oppo­si­ti­ons­partei, hat keinen Grund zur Freude; denn das Ergebnis der Kom­mu­nal­wahlen beweist ein­deutig, dass Par­teichef Corbyn nicht in der Lage war, poli­tisch von der Nie­derlage der Tories zu pro­fi­tieren. Schlimmer noch: Labour musste Ver­luste hin­nehmen. Durch den Brexit ist Labour offenbar zum Ver­harren im poli­ti­schen Leerlauf ver­dammt. Das ist Wasser auf die Mühlen jener Kri­tiker, die vor­her­sagen, dass Labour so lange keinen Erfolg bei Neu­wahlen haben wird, so lange die Partei sich nicht klar für ein zweites Brexit-Refe­rendum entscheidet.
Die Kom­mu­nal­wahlen haben deutlich gemacht, dass die Briten die Nase gründlich voll haben vom ganzen Zirkus um den Brexit. Und dass sie den beiden größten Par­teien die Schuld zuweisen: den Kon­ser­va­tiven und der Labour Partei. Die Kom­mu­nal­wahlen gaben einen Vor­ge­schmack auf die Euro­pa­wahlen Ende Mai, wenn der Brexit noch immer nicht voll­zogen ist. Um den Aus­tritt aus der Euro­päi­schen Union bis zu diesem Zeit­punkt abzu­schließen, wäre ein poli­ti­sches Wunder nötig. Am ver­gan­genen Wochenende standen beide Par­teien vor den Trümmern ihrer Brexit-Politik – und da stehen sie unver­ändert auch heute noch.
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Pro Brexit-Stimmung
Labour ist von den Wählern offenbar dafür bestraft worden, dass sie den Ausgang des Brexit-Refe­rendums nicht aus­rei­chend respek­tiert hat. Die Stimmung in Groß­bri­tannien geht mehr in Richtung Pro-Brexit, das zeigt auch die Zustimmung für die neue ‚Brexit-Party‘ von Nigel Farage, die Umfragen zufolge bei den Europa-Wahlen auf über 30 Prozent kommen und die Labour-Partei über­holen könnte.
Die neue Partei von Farage hat einen klaren Namen, ein klares Thema, ein klares Ziel und viel Elan. Das wird noch eine ganze Weile tragen.
Neue Themen braucht das Land
Der Brexit-Frust wächst. Zugleich wächst eine ganz andere Besorgnis bei den Alt­par­teien: Um nicht ganz in der his­to­ri­schen Mot­ten­kiste zu ver­schwinden, müssen Tories und Labour ihren Wählern bei den nächsten Par­la­ments­wahlen ein anderes Thema als nur den Brexit anbieten. Da ist aber derzeit kein Land in Sicht. Beide Par­teien sind pro­gram­ma­tisch ausgetrocknet.
Zuvor müssen aber beide Par­teien ein stark gewach­senes Hin­dernis besei­tigen: den bisher unklaren Kurs in den eigenen Reihen. Die Wähler wollen Ein­deu­tigkeit – und kein Sowohl-als-auch und kein Einer­seits-Ande­rer­seits. Die beste Stra­tegie für die beiden größten Par­teien wäre es, ein­deutig zu sein. Das gleicht aber zur Zeit eher dem Warten auf den Weihnachtsmann.
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Ein wich­tiger Hinweis: 

Am 26. Mai sind Europawahlen. 
Über­legen Sie gut, wen Sie wählen können, um eine bessere Politik für unser Vaterland zu erreichen.
Auf­rechte Demo­kraten werden z. B. die Grünen (EU: „EFA“) nicht wählen.
Bitte denken Sie daran! 
Herz­liche Grüße!
P. H.
Conservo.Wordpress.com