Was die EUro­kraten nicht ver­stehen (wollen)

Thomas Mayer mal wieder mit einem seiner sehr klaren Kom­mentare in der F.A.S. Er zeigt auf, weshalb die EU-Befür­worter die falsche Antwort geben mit Blick auf die Her­aus­for­de­rungen der Union:

  • „Wenn die Demo­skopen nicht völlig dane­ben­liegen, werden bei den im Mai anste­henden Wahlen zum Euro­päi­schen Par­lament die EU-Skep­tiker die größten Gewinne ein­fahren. Die EU-Befür­worter reagieren darauf oft mit Unver­ständnis oder Trotz. Jetzt gelte es erst recht, die ‘immer engere Union’ vor­an­zu­treiben, um die Zen­tri­fu­gal­kräfte zu neu­tra­li­sieren. Dabei über­sehen sie, dass es gerade der Druck zur immer engeren Inte­gration ist, der diese Kräfte stärkt.“ – Stelter: Was auch einer der Gründe für den Brexit ist. Wir wollen nicht alle den EU-Super­staat und der ist auch nicht erfor­derlich, wenn man in der Welt Gewicht haben will.
  • „Mit jedem Inte­gra­ti­ons­schritt ver­rin­gerte sich der Schutz natio­naler Märkte und erhöhte sich der Wett­bewerb. Mit der Per­so­nen­frei­zü­gigkeit stieg der Wett­bewerb zwi­schen hei­mi­schen Arbeits­kräften und Migranten, und mit der ein­heit­lichen Währung entfiel der Schutz vor aus­län­di­scher Kon­kurrenz durch Wäh­rungs­ab­wertung. Vom öko­no­mi­schen Reiß­brett aus gesehen, war die ‘immer engere Union’ ein Rezept für wach­senden Wohl­stand. Doch die öko­no­mische Rea­lität lässt sich nur man­gelhaft auf dem öko­no­mi­schen Reiß­brett abbilden. Unter­schiede in den sozio­öko­no­mi­schen Struk­turen der Länder hatten zur Folge, dass zuneh­mende Inte­gration wie eine ‘immer engere Umklam­merung’ wirkte, die schließlich Abwehr aus­löste.“ – Stelter: Weshalb die EU zunehmend zu einem Eli­ten­projekt wurde.
  • „Der Poli­tik­wis­sen­schaftler Philip Manow unter­scheidet drei Modelle der sozio­öko­no­mi­schen Orga­ni­sation in den Ländern Europas. Im Norden und Zentrum herrscht der groß­zügige und all­gemein zugäng­liche Wohl­fahrts­staat vor, im Süden gibt es den par­ti­ku­la­ris­ti­schen und oft kli­en­te­lis­ti­schen Sozi­al­staat, und in den wirt­schafts­li­be­ralen angel­säch­si­schen Ländern mit dere­gu­liertem Arbeits­markt den resi­dualen Wohl­fahrts­staat.“ – Stelter: Das wider­spiegelt auch andere gesell­schaft­liche Prä­fe­renzen der Bürger, siehe den sehr unter­schied­lichen Wunsch nach Umverteilung!
  • „Immer engere Inte­gration führt dazu, dass die EU-Länder (…) jeweils ‘auf ihre eigene Art unglücklich’ werden. Der nor­dische Wohl­fahrts­staat kann mit Frei­handel umgehen, (…) aber er wird durch groß­zügige Immi­gration über­fordert. Der süd­liche, kli­en­te­lis­tische Sozi­al­staat schließt Immi­granten von seinen Leis­tungen aus, aber seine Mit­glieder leiden unter Han­dels­wett­bewerb und fis­ka­li­scher Spar­samkeit. Und im resi­dualen Wohl­fahrts­staat ver­lieren die unge­lernten Arbeiter gegen Immi­granten.“ – Stelter: Im Kern ist es aber so, dass eine unkon­trol­lierte Migration zum Sprengsatz wird.
  • „Wo Immi­gration als wesent­liches Problem emp­funden wird, haben poli­tisch rechte Pro­test­par­teien Aufwind bekommen (nor­di­scher Wohl­fahrts­staat und resi­dualer Wohl­fahrts­staat). Wo dagegen Wett­bewerb und fis­ka­lische Spar­samkeit als erdrü­ckend emp­funden werden, haben poli­tisch linke Pro­test­par­teien pro­fi­tiert. Italien bildet diese Teilung noch einmal innerhalb seiner Lan­des­grenzen ab: Im mehr wohl­fahrts­staatlich orga­ni­sierten Norden domi­niert die migra­ti­ons­feind­liche, poli­tisch rechte Lega, im kli­en­te­lis­tisch orga­ni­sierten Süden die auf mehr Staats­aus­gaben drän­genden, poli­tisch linken Fünf Sterne.“ – Stelter: Und darum regieren die auch gemeinsam!

Fazit Mayer: „Wenn Manows Analyse zutrifft, dann ist der Brexit nur die Spitze des Eis­bergs der Pro­bleme, welche die Politik der ‘immer engeren Union’ geschaffen hat.“ – Stelter: So ist es und damit ist der Aus­blick auch klar. Wir werden immer stärkere Pro­test­be­we­gungen sehen.
→ faz.net: „Euro­päische Zwangs­jacke“, 7. April 2019


Quelle: think-beyondtheobvious.com