“Rus­siagate”: Wie das rus­sische Fern­sehen über den Auf­tritt von Mueller berichtet

In der rus­si­schen Sendung „Nach­richten der Woche“ wurde mal wieder ein Blick über den großen Teich geworfen. Es ging um den Auf­tritt von Son­der­er­mittler Mueller vor der Presse, um die ver­schie­denen Han­dels­kriege der USA und um Trumps Meinung zum Brexit, die er vor seine Abreise nach London öffentlich ver­kündet hat. Wer die west­lichen Medien ver­folgt und daher glaubt, Russland würde Trump unter­stützen, wird mit solchen kri­ti­schen, teil­weise gar iro­nisch-sati­risch for­mu­lierten Berichten des rus­si­schen Fern­sehens eines Bes­seren belehrt. Ich habe den Bericht daher übersetzt.
Beginn der Über­setzung:
Der Direktor des Geheim­dienstes des Pen­tagon, Gene­ral­leutnant Robert Ashley, warf Russland vor, gegen das Mora­torium für Atom­tests ver­stoßen zu haben. Ohne irgend­welche Beweise. Er hat es einfach so gesagt.
„Die Ver­ei­nigten Staaten glauben, dass Russland sich wahr­scheinlich nicht an das Mora­torium für Atom­tests hält. Unser Ver­ständnis für die Ent­wicklung von Atom­waffen lässt uns glauben, dass Russland seine nuklearen Fähig­keiten durch Tests ver­bessert hat“, sagte Ashley.
Es will dem General einfach nicht in den Kopf gehen, wie hoch das Niveau und die tech­nische Kom­petenz der rus­si­schen Waf­fen­ent­wickler ist. Seiner Ansicht nach waren die erzielten Ergeb­nisse ohne Tests nicht möglich. Doch diese Über­zeugung hat er nur deshalb, weil die USA gerade gegen Russland im Wettlauf um atomare Tech­no­logie ver­lieren, sowohl bei der fried­lichen Nutzung, als auch bei der militärischen.
Jeden­falls warf der ame­ri­ka­nische General Russland vor, gegen den Vertrag über den umfas­senden Kern­waf­fen­test­stopp ver­stoßen zu haben. Das rus­sische Außen­mi­nis­terium erklärte sofort, dass die Rus­sische Föde­ration in keiner Weise gegen das Dokument ver­stoße und das Mora­torium für Atom­tests seit 1991 einhalte.
Auch Sergej Lawrow machte sich über den ame­ri­ka­ni­schen General lustig: „Der Blödsinn, dass Russland angeblich Atom­tests durch­ge­führt hat, wurde bereits von den Ver­tretern der Orga­ni­sation des Ver­trags über das umfas­sende Verbot von Nukle­ar­ver­suchen zurück­ge­wiesen und selbst respek­tierte und nam­hafte Experten innerhalb der Ver­ei­nigten Staaten sagen das Gegenteil. Wahr­scheinlich musste man sich, nachdem die rus­sisch spre­chende Frau auf Ibiza sich als Bos­nierin ent­puppt hat, schnell etwas Neues aus­denken”, sagte der rus­sische Außenminister.
Wie dem auch sei, die ame­ri­ka­ni­schen Medien griffen das Thema auf. Bis zu den Prä­si­dent­schafts­wahlen bleiben noch anderthalb Jahre, und nach dem Scheitern von Son­der­er­mittler Mueller, eine angeb­liche Ein­mi­schung Russ­lands in die ame­ri­ka­ni­schen Wahlen zu finden, muss die anti­rus­sische Hys­terie ja irgendwie am Kochen gehalten werden. Oder viel­leicht ist es noch viel ein­facher: Die Ver­ei­nigten Staaten selbst wollen sich aus dem Vertrag über das umfas­sende Nuklear-Verbot zurück­ziehen und bereiten den Weg für Atom­tests. Es ist klar, dass man so etwas besser mit Vor­würfen gegen Russland begründen kann.
Aus den USA berichtet unser Korrespondent.
Über Muellers Bericht ist bereits so viel spe­ku­liert und frei inter­pre­tiert worden, dass nur noch eins fehlte: Eine Auf­führung als Lesung im Theater. Mehr als hundert Men­schen, Schau­spieler, Regis­seure, Künstler und ein­fache Trump-Hasser begannen, Muellers Bericht auf der Bühne in der Heimat des Prä­si­denten, dem New Yorker Stadtteil Queens, vor­zu­lesen. Die Leser wechseln sich ab, es geht das ganze Wochenende, Tag und Nacht, 24 Stunden am Tag. Muellers Ermitt­lungen wurden zur Farce.
Der Autor der Geschichte, Mueller selbst, stellte sich dra­ma­tisch nach einer Pause von zwei Jahren im US-Jus­tiz­mi­nis­terium vor die Kameras. Sein Auf­tritt an einem so wich­tigen Ort unter­strich, dass sich der Son­der­er­mittler als Team­spieler sieht, dass er sich nicht gegen die Meinung des Minis­te­riums stellen werde, wo Trump als unschuldig gilt. Auf der anderen Seite schaffte es Mueller auch, den Demo­kraten in die Hände zu spielen, indem er an einigen Stellen etwas Nebel hinterließ.
Absprachen mit Russland seien nicht gefunden worden, aber der Ver­dacht, so heißt es, sei geblieben. Der Son­der­er­mittler fordert den Kon­gress auf, seine Arbeit fort­zu­setzen. Diese Arbeit hat einen Namen, und der beginnt mit dem Buch­staben „I“: „Impeachment“.
Die Demo­kraten ver­langen im Kon­gress zusätz­liche Ermitt­lungen gegen Trump, obwohl der Son­der­er­mittler etwa 500 Zeugen verhört hat und schließlich von seinem Amt zurück­ge­treten ist, nachdem der Bericht fertig war.
„Mueller sprach mit allen, die er sprechen wollte, mit Aus­nahme des Prä­si­denten, der die Fragen schriftlich beant­wortet hat. Mueller steckte Men­schen in Ein­zelhaft, in einem Fall saß eine Frau fast die Hälfte der Zeit, die ihr als Höchst­strafe gedroht hätte, was nicht sehr ame­ri­ka­nisch ist. Mueller hatte die besten Anwälte, Staats­an­wälte, die alle gegen Trump ein­ge­stellt waren Er hatte kluge, starke und teure Anwalts­kanz­leien und was hat er in zwei Jahren Arbeit erreicht? Sie haben nichts bewiesen“, sagte Newt Gingrich, ehe­ma­liger Sprecher des Reprä­sen­tan­ten­hauses des US-Kongresses.
Wenn es keine Beweise gibt, ist der Ver­dächtige unschuldig. „Der Fall ist geschlossen“ hat Trump eine tri­um­phale Collage mit dem schei­denden Muller in sozialen Netz­werken überschrieben.
„Ich sehe nicht, wie man ein Impeachment arran­gieren will. Theo­re­tisch können sie das ver­suchen, aber ich kann mir nicht vor­stellen, dass die Gerichte das zulassen. Ich hätte nie gedacht, dass dieses Wort über­haupt ver­wendet wird. Für mich ist „Impeachment“ ein schmut­ziges Wort. Ein schmut­ziges, wider­liches, ekel­haftes Wort, das nichts mit mir zu tun hat, weil es keine Straftat gab“, sagte Trump.
Für eine Wie­derwahl 2020 braucht Trump aber Erfolge in der Außen­po­litik, die Trump selbst eng mit der Innen­po­litik ver­bunden hat. Alles dreht sich um Zölle, die gegen ver­schiedene Länder erhoben hat und die auch den USA selbst schaden.
So führte der Han­dels­krieg mit China für viele ame­ri­ka­nische Expor­teure fak­tisch zur Schließung des Rie­sen­marktes. Am 1. Juni ver­hängte Peking als Reaktion Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Waren aus den USA im Wert von 60 Mil­li­arden Dollar. Darüber hinaus bereitet China als Reaktion auf die schwarze Liste in Sachen Huawei seine eigene Liste „unzu­ver­läs­siger aus­län­di­scher Unter­nehmen“ vor, die gegen die Markt­regeln verstoßen.
Und die viel­leicht schwerste Bedrohung ist, dass China den Verkauf von sel­tenen Erden an Amerika beschränken könnte. Diese Mate­rialien sind ohnehin rar und ohne sie kann die gesamte inno­vative Pro­duktion zum Erliegen kommen: Waffen, Satel­liten, Laser, Supraleiter.
Die Akti­en­märkte sind in Erwartung des Schlimmsten auf dem Weg nach unten. Trump agierte diese Woche nicht als Prä­sident, sondern als Geschäftsmann, der Rivalen seines Kon­zerns bekämpft und nur finan­zi­ellen Nutzen anstrebt. So nahm er Indien von einer Liste von Ländern, die zollfrei Waren in die USA impor­tieren dürfen, er kün­digte die Ein­führung von Zöllen auf Pro­dukte aus Mexiko an, bis das Land den Strom von ille­galen Migranten stoppt.
Ein wei­terer Grenz­durch­bruch geschah in Texas, in der Gegend von El Paso. Ame­ri­ka­nische Patrouillen haben tausend Men­schen auf einen Schlag ver­haftet. Und das, während die pro­vi­so­ri­schen Lager ohnehin schon über­füllt sind. Die Migranten werden unter unhy­gie­ni­schen Bedin­gungen fest­ge­halten. Der Prä­sident Mexikos schickte einen Brief an Trump, in dem er ihn zu über­zeugen ver­sucht, dass soziale Pro­bleme nicht durch Zölle und Druck zu lösen sind.
Aber man kann auf diese Weise viele neue wirt­schaft­liche Pro­bleme schaffen, wie die Ame­ri­ka­nische Han­dels­kammer mit­teilt. Mexiko ist für die USA einer der größten Lie­ferant, der Tau­sende von Waren liefert: Von Tomaten bis zu Auto­teilen. Trumps Aufruf „pro­du­ziert in den USA“ funk­tio­niert hier nicht.
„Diese Lie­fer­ketten kann man in Amerika nicht einfach über Nacht umbauen. Wir können im Winter in Iowa keine Sherry-Tomaten anbauen. Wir können nicht auf Knopf­druck anfangen, Tequila zu pro­du­zieren. Das heißt, die Zölle werden lediglich zu einer Erhöhung der Preise für ame­ri­ka­nische Bürger und Firmen führen. Und die Ein­führung der maxi­malen Zölle, die die USA androht, wird zu Chaos in der Wirt­schaft führen“, ist sich der Finanz­analyst Mark Hamrick sicher.
Das wird auch in Brüssel und London befürchtet, wo über die Optionen des Brexit dis­ku­tiert wird. Trump sprach sich vor seinem Staats­besuch in London für den här­testen Brexit aus und gab den Briten den Rat, einfach die Euro­päische Union „für die Scheidung bezahlen zu lassen“ und keinen Vertrag abzuschließen.
„An Stelle der bri­ti­schen Regierung würde ich nicht 50 Mil­li­arden Dollar bezahlen. So würde ich es machen. Ich würde nicht zahlen, das ist eine riesige Summe. Wenn man keinen fairen Deal bekommt, muss man einfach gehen“, sagte Trump.
Der US-Prä­sident hat auch offen die Kan­di­datur des frü­heren bri­ti­schen Außen­mi­nisters Boris Johnson für das Amt des Premier unter­stützt, was in London für eine Welle der Empörung sorgte. Trump wurde vor­ge­worfen, sich in die inneren Ange­le­gen­heiten Groß­bri­tan­niens ein­ge­mischt zu haben, der frühere Außen­mi­nister Malcolm Rifkind ver­glich ihn mit einem Ele­fanten im Por­zel­lan­laden, der die Grund­lagen ele­men­tarer Eti­kette und Diplo­matie nicht kennt.
Generell halten sich die USA derzeit nicht an irgend­welche Regeln. Der Kon­gress schlug vor, fünf Arten von Sank­tionen gegen die Nord Stream-2-Pipeline ein­zu­führen. Genauer gesagt gegen die euro­päi­schen Unter­nehmen, die am Bau beteiligt sind. Die US-Sena­toren wollen diesen Firmen ver­bieten, Kredite in den USA zu erhalten, Zah­lungen in Dollar abzu­wi­ckeln oder US-Staats­an­leihen zu kaufen. Sie sind zu allem bereit. Bis zum Ein­frieren des Ver­mögens der Mit­ar­beiter und ihrer Aus­weisung aus den USA.
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Aber bisher funk­tio­nieren Erpres­sungen und Dro­hungen nicht. Der Chef des öster­rei­chi­schen Öl-und Gas­kon­zerns OMV sagte, dass die Teil­nehmer des Pro­jekts „Nord Stream‑2“ von der Euro­päi­schen Union vor ame­ri­ka­ni­schen Sank­tionen geschützt werden sollten.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Dort gibt es auch ein Kapitel über die Vor­würfe, Russland habe sich in die US-Wahlen ein­ge­mischt. Wenn es Sie inter­es­siert, was Putin selbst zu den Vor­würfen gesagt hat, sollten Sie das immerhin 16 Seiten lange Kapitel mit Putin-Zitaten zu dem Thema als erstes lesen.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“