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Anhörung im US-Senat: Wie Inter­net­kon­zerne über 10 Mil­lionen Wäh­ler­stimmen mani­pu­lieren können

In den USA fand vor einer Woche, am 16. Juli, eine Senats­an­hörung zur Beein­flussung von US-Wahlen statt, über die in Deutschland mit keinem Wort berichtet wurde, dabei war sie hoch­in­ter­essant und vor allem hochbrisant.
Das Thema der Anhörung vor dem Jus­tiz­ko­mitee des US-Senats war „Google und die Zensur durch Such­ma­schinen“. Das Problem ist durchaus bekannt. Ich habe Ende Juni dazu einen Beitrag geschrieben und auf­ge­zeigt, wie Google und Facebook die Politik und die öffent­liche Meinung massiv mani­pu­lieren können, ohne dass es die Men­schen bemerken.
In den Medien ist immer die Rede von der rus­si­schen Beein­flussung von Wahlen, vor allem die Prä­si­dent­schaftswahl der USA 2016 soll Russland angeblich beein­flusst haben. Diese Behauptung bringen die Medien immer noch, obwohl sie längst widerlegt ist.
Aber selbst wenn die Vor­würfe gegen Russland wahr wären, ist die Beein­flussung der US-Wahlen durch die Inter­net­kon­zerne weit größer, als alles, was selbst die größten Gegner Russland vor­werfen. Und die gleichen Methoden, die in den USA funk­tio­nieren auch in anderen Ländern, inklusive Deutschland.
Aber die deut­schen Medien berichten über diese Anhörung – im Gegensatz zu Anhö­rungen über längst wider­legte Vor­würfe gegen Russland – mit keinem Wort.
Das Problem der Macht der Inter­net­kon­zerne war Thema in der Anhörung vor dem US-Senat und die Fakten, die ein sehr repu­tabler Pro­fessor für Ver­hal­tens­for­schung dort vor­ge­tragen hat, sind noch scho­ckie­render, als man es sich hätte aus­denken können. Der Pro­fessor ist übrigens, wie wir gleich sehen werden, kei­nes­falls ein Trump-Unter­stützer, vielmehr hat er im Wahl­kampf 2016 öffentlich Hillary Clinton unterstützt.
Ich habe den ent­schei­denden Teil der Anhörung über­setzt und das Video ver­linkt, damit jeder es sich anschauen kann, Eng­lisch­kennt­nisse vor­aus­ge­setzt. Das Video finden Sie unter der Über­setzung und dort ver­linke ich zusätzlich noch die Ori­gi­nal­quellen vom US-Senat. Zunächst aber die Befragung von Pro­fessor Robert Epstein durch Senator Cruz.
Beginn der Übersetzung:
Cruz: Wie ich Ihren Hin­ter­grund ver­stehe, sind Sie kein Repu­bli­kaner und kein Kon­ser­va­tiver. Ist das zutreffend?
Epstein: Das ist noch vor­sichtig ausgedrückt.
Cruz: Und Sie sind der ehe­malige Chef­re­dakteur von „Psy­chology Today“.
Epstein: Das stimmt.
Cruz: Also sind Sie ein respek­tierter Aka­de­miker. Sie haben vor diesem Kom­mitee aus­gesagt, dass Googles Beein­flussung 2016 min­destens 2,6 Mio. zusätz­liche Stimmen für Hillary Clinton gebracht haben. Ist das korrekt?
Epstein: Das ist korrekt.
Cruz: Und ich möchte sicher gehen, dass ich es richtig ver­stehe. Sie selbst haben Hillary Clinton unter­stützt und sie gewählt?
Epstein: Ich war ein sehr aktiver öffent­licher Unter­stützer von Hillary Clinton, ja.
Cruz: Also stört es Sie nicht, dass die Leute für Hillary Clinton gestimmt haben. Sie sagten aus, dass Google durch Mani­pu­la­tionen bei Such­an­fragen die Wähler mani­pu­liert hat, ohne dass es denen bewusst war.
Epstein: In mas­siver Weise. Ich möchte klar sagen, dass mir freie und faire Wahlen wich­tiger sind, als die Sym­pathie für einen Kan­di­daten oder eine Partei.
Cruz: Wenn ich Ihre Aussage richtig ver­standen habe, dann sagen Sie, dass Google, Facebook, Twitter und andere durch ihre Mani­pu­la­tionen bei Wahlen 15 Mil­lionen Stimmen mani­pu­lieren können.
Epstein: In 2020 können diese Firmen, wenn sie den gleichen Kan­di­daten unter­stützen, 15 Mil­lionen Stimmen von einem Kan­di­daten zu anderen Kan­di­daten umleiten, ohne eine Spur zu hin­ter­lassen, die die Behörden auf­spüren können.
Cruz: Sie haben die „Geh-Wählen-Erin­nerung“ beschrieben, die keine offi­zielle Mit­teilung war, sondern eine private Mani­pu­lation. Können Sie erklären, wie das funk­tio­niert, ich bin nicht sicher, dass alle hier den Details folgen konnten.
Epstein: Wenn zum Bei­spiel Marc Zuckerberg am Wahltag 2016 eine „Geh-Wählen-Erin­nerung“, sagen wir, nur an die Anhänger der Demo­kraten geschickt hätte, ohne dass wir davon wissen, dann hätte das min­destens 450.000 zusätz­liche Stimmen für die Demo­kraten gebracht. Wir wissen das sicher und zwar aus Face­books eigenen Daten. Sie haben so ein Expe­riment 2010 gemacht und nie­mandem davon erzählt, es wurde erst 2012 ver­öf­fent­licht. Es waren 16 Mil­lionen Facebook-User beteiligt, die eine „Geh-Wählen-Erin­nerung“ bekommen haben und 360.000 davon, die sonst zu Hause geblieben wären, sind von ihrem Sofa auf­ge­standen und wählen gegangen. Ich sage nicht, dass Facebook 2016 eine solche Erin­nerung geschickt hat. Sie waren sich der Sache sicher, Google war sich der Sache sicher, sie alle waren sich sicher, dass Clinton gewinnt. Aber wir werden nie erfahren, ob sie eine solche Erin­nerung ver­schickt haben, wenn wir keine Mög­lich­keiten haben, das zu über­wachen. Aber ich bin sicher, dass sie 2018 wesentlich aggres­siver waren, wir haben viele Daten, die das bestä­tigen. Und in 2020 können wir darauf wetten, dass alle diese Firmen aktiv werden. Und die Methoden, die sie benutzen sind unsichtbar, aber dafür viel wir­kungs­voller als alles, was ich je in der Ver­hal­tens­for­schung gesehen habe. Und ich betreibe seit 40 Jahren Verhaltensforschung.
Cruz: Wissen Sie, die Kol­legen der Demo­kraten hier in dem Komitee sprechen oft von dem Effekt von großem Geld von Kon­zernen, von „Cooperate Dollars“, und ihrem großen Effekt. Was Sie hier aus­sagen ist, dass einige Silicon Valley Mil­li­ardäre zusammen Mil­lionen, wenn nicht Mil­li­arden, aus­geben und damit die Wahlen massiv beein­flussen. Und wir wissen davon nichts, denn es ist nicht nach­voll­ziehbar, es ist eine Blackbox, und wir haben keine Ahnung, ob sie Demo­kraten oder Repu­bli­kaner unter­stützen und zum Wahlsieg ver­helfen. Ver­stehe ich Sie richtig?
Epstein: Senator, bei allem Respekt, ich muss Sie korrigieren.
Cruz: Bitte.
Epstein: Wenn Marc Zuckerberg ent­scheidet, dass er am Wahltag eine „Geh-Wählen-Erin­nerung“ nur an Demo­kraten ver­schickt, dann kostet ihn das keinen Cent.
Cruz: Na gut. Wissen Sie, wer Clintons finan­zi­eller Unter­stützer Nummer eins in 2016 war?
Epstein: Bitte helfen Sie mir auf die Sprünge.
Cruz: Der finan­zielle Unter­stützer Nummer eins von Hillary Clinton im Wahl­kampf 2016 war der Mut­ter­konzern von Google, Alphabet, die heute hier als erste aus­gesagt haben. Sie waren der größte Spender von Clinton und Sie sagen als Ergebnis Ihrer For­schung, dass diese Firma durch die Beein­flussung ihrer Such­al­go­rithmen 2,6 Mil­lionen Stimmen zu Hillary Clinton ver­schoben hat. Ich denke jeder, egal welchen Kan­di­daten er unter­stützt, sollte tief besorgt sein, wenn eine handvoll Mil­li­ardäre so viel Macht haben, dass sie heimlich, still und leise so viele Stimmen bewegen können.
Epstein: Wieder bei allem Respekt. Ich muss Sie kor­ri­gieren. Die 2,6 Mil­lionen sind das absolute Minimum. Die Band­breite reicht von 2,6 bis zu 10,4 Mil­lionen Stimmen, je nachdem, wie aggressiv sie die Methoden ein­setzen, die ich nun seit 6,5 Jahren erforsche.
Cruz: Wow, könnten Sie das bitte wiederholen?
Epstein: Die 2,6 Mil­lionen sind das absolute Minimum. Die Band­breite reicht von 2,6 bis zu 10,4 Mil­lionen Stimmen, je nachdem, wie aggressiv sie die Methoden ein­setzen, also der Effekt durch Beein­flussung der Such­ma­schi­nen­er­geb­nisse, der Effekt der Beein­flussung der Such­vor­schläge und andere. Sie kon­trol­lieren das und niemand kann etwas dagegen tun. Sie sind kon­kur­renzlos. Das sind Mög­lich­keiten, die ihnen alleine exklusiv zur Ver­fügen stehen.
Ende der Übersetzung 

Diese Befragung schloss sich an den Vortrag von Pro­fessor Epstein vor dem Aus­schuss an. Den Vortrag können Sie hier in schrift­licher Form lesen.
Die gesamte Anhörung können Sie hier auf der Seite des US-Senats finden, das Video dauert knapp drei Stunden.
Auf der offi­zi­ellen Seite von Senator Cruz ist noch ein wei­teres kurzes Video von der Anhörung zu sehen.
 


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“