Das rus­sische Außen­mi­nis­terium über den deut­schen Verfassungsschutzbericht

Die Pres­se­spre­cherin des rus­si­schen Außen­mi­nis­te­riums hat auf ihrer Pres­se­kon­ferenz wieder die Pro­bleme der Pres­se­freiheit in Deutschland the­ma­ti­siert. Dabei ging sie auf den aktu­ellen Ver­fas­sungs­schutz­be­richt ein, über den ich vor einigen Tagen bereits geschrieben habe.
Daher habe ich diese offi­zielle Erklärung des rus­si­schen Außen­mi­nis­te­riums übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Wir sind auf einen kürzlich ver­öf­fent­lichten Bericht des deut­schen Ver­fas­sungs­schutzes auf­merksam geworden, der eine Reihe von Vor­würfen gegen Russland ent­hielt. Neben den Vor­würfen, dass rus­sische Geheim­dienste ins­be­sondere in Deutschland aktiv Spionage betreiben, widmet sich ein großer Teil des Doku­ments dem Ein­fluss der rus­si­schen Medien auf die deutsche Öffentlichkeit.
So wird bei­spiels­weise der Nach­rich­ten­agentur Sputnik und dem TV-Sender RT-Deutsch vor­ge­worfen, „Pro­pa­ganda und Des­in­for­ma­tionen zu ver­breiten“. Es wird darauf hin­ge­wiesen, dass der rus­sische Staat seine Medi­en­präsenz in Deutschland ver­stärkt. Es scheint mir, dass man im selben Bericht hätte schreiben können, wie Deutschland seine Medi­en­präsenz in der Welt und in Russland erhöht, wie es die Budgets seiner Medien erhöht, die vom deut­schen Staat finan­ziert werden, aber aus irgend­einem Grund hatte der deutsche Ver­fas­sungs­schutz wohl keine Zeit, darüber zu schreiben. Dem Bericht zufolge sollen rus­sische Staats­un­ter­nehmen als unab­hängige Medien getarnt sein, um ihre Zuge­hö­rigkeit zum rus­si­schen Staat zu ver­tu­schen und die Öffent­lichkeit subtil zu beeinflussen.
Der Bericht ist voll mit solch Behaup­tungen, die prak­tisch iden­tisch sind mit der Meinung des Deut­schen Jour­na­listen-Ver­bandes. Das ist ein sehr inter­es­santer Zufall. Ich denke, die For­mu­lie­rungen sind die gleichen. Es ist nicht bloß ein Ein­druck, sondern ein sehr hart­nä­ckiges Gefühl, dass der Deut­schen Jour­na­listen-Verband, der ein Jahr lang die Nach­rich­ten­agentur „Sputnik“ und „Russia Today“ ange­griffen hat, das gleiche Handbuch benutzt, wie Deutsch­lands Verfassungsschutz.
Alle Aus­sagen im Bericht werden ohne Beweise oder Fakten gemacht. Alle Aus­sagen und Anschul­di­gungen sind unbe­gründet. Dafür sind die gemachten Schluss­fol­ge­rungen ein­deutig: So wird die Reaktion der rus­si­schen Medien auf die zahl­reichen Unter­stel­lungen Londons rund um den „Fall Skripal“ als „inter­na­tionale rus­sische Kam­pagne“ bezeichnet. Wer hat diese Kam­pagne gestartet? Wer hat im bri­ti­schen Par­lament gesprochen? Wer ver­sorgt die bri­ti­schen Medien jeden Tag mit Indis­kre­tionen aus bri­ti­schen Behörden? Rus­sische Medien? Viel­leicht das rus­sische Außen­mi­nis­terium? Viel­leicht rus­sische Geheim­dienste? Natürlich nicht. Dieses Thema, diese Kam­pagne, ist natürlich bri­tisch. Aber in dem deut­schen Bericht wird sie aus irgend­einem Grund rus­sisch genannt. In dieser angeb­lichen inter­na­tio­nalen rus­si­schen Kam­pagne hätten RT-Deutsch und Sputnik laut deut­schem Ver­fas­sungs­schutz „die Auf­merk­samkeit vom Ver­dacht ablenken und Zweifel säen sollen“. Das über­schreitet schon die Grenze des Zumut­baren. Einfach Unsinn, absurd. Eine Frage an den deut­schen Ver­fas­sungs­schutz: Hat er Infor­ma­tionen über die Gescheh­nisse in Salisbury und Amesbury? Wenn ja, sollten sie auf Fakten beruhen. In dem Bericht wäre es durchaus ange­bracht, zumindest ein ein­ziges Argument zu bringen, anstatt zur Unter­stützung der Position Londons einfach die rus­si­schen Medien erneut für alle Übel der Welt ver­ant­wortlich zu machen.
Tat­sächlich ist die bri­tische Version der Unter­su­chung so unhaltbar, dass Zweifel von selbst und nicht durch die rus­si­schen Medien ent­stehen. Sie ent­stehen in der Öffent­lichkeit und bei Men­schen, die keine Ant­worten auf die ein­fachsten Fragen erhalten, die sich eine selb­ständig den­kende Person stellt.
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Tat­sächlich ver­bieten die Ver­fasser des Berichts dem Publikum das kri­tische Denken und zwingen ihm buch­stäblich den Stand­punkt des offi­zi­ellen London auf. Wo sind die Alter­na­tiven? Wo sind die ver­schie­denen Stand­punkte? Wo ist der Plu­ra­lismus? Wo ist denn die Demo­kratie, über die man uns immer belehrt? Der Stand­punkt zu den Ereig­nissen in Salisbury sollte nach Meinung des deut­schen Ver­fas­sungs­schutzes der bri­tische Stand­punkt sein, der nicht auf der Grundlage der Mei­nungen von unab­hän­gigen Experten gebildet wurde, selbst die bri­ti­schen Experten selbst haben unter­schied­liche Mei­nungen darüber. Auch wenn man die Berichte der bri­ti­schen Medien und Experten ver­gleicht: die Artikel, die Filme und Dokus – nennen wir sie mal so, obwohl sie eher wie Phantasy-Filme als wie Jour­na­lismus daher kommen – aber selbst dort gibt es unter­schied­liche Ver­sionen der Geschichte. Aber das liegt leider nicht daran, dass die bri­tische Seite aktiv offi­zielle Infor­ma­tionen liefert, sondern nur daran, dass es keine offi­zi­ellen Infor­ma­tionen gibt. Wir haben mit einem Mecha­nismus von gelenkten Infor­ma­tions-Lecks zu tun. Es ist dieses schreck­liche Phä­nomen der heu­tigen Medien, das beendet werden sollte, anstatt die legale, normale und ange­messene Arbeit von Jour­na­listen zu behindern und zu diskreditieren.
Aber das ist auch noch nicht alles. Das offi­zielle Berlin hat es nicht nur nicht eilig, irgend­welche Beweise zu zeigen, sondern ver­sucht auch, eine öffent­liche Dis­kussion über all seine vor­ge­tra­genen Thesen zu ver­meiden. Als die Kor­re­spon­dentin von „Ruptli“ während der offi­zi­ellen Pres­se­kon­ferenz dem deut­schen Innen­mi­nister See­hofer eine Frage zu dem Bericht stellen wollte, wollte man ihr das Wort unter dem Vorwand ver­bieten, dass sie bei der Ver­an­staltung nicht regis­triert sei. Dar­aufhin musste die Mit­ar­bei­terin von „Ruptli“ das ent­spre­chende Dokument vor­zeigen und erst danach durfte sie ihre Frage stellen.
Wir betrachten diese Situation als eine weitere Episode der Dis­kri­mi­nierung rus­si­scher Jour­na­listen und von Jour­na­listen im All­ge­meinen in Deutschland. Und den Bericht betrachten wir als die nächste Stufe der Schaffung einer feind­se­ligen Atmo­sphäre und „Ver­giftung“ der Situation rund um die rus­si­schen Medien, die das offi­zielle Berlin für das deutsche Publikum mühsam als Bedrohung auf­bauen will.
Wir halten eine solche Politik für inak­zep­tabel und sie ver­stößt gegen die Grund­prin­zipien der Presse- und Mei­nungs­freiheit. Wir appel­lieren an die rele­vanten inter­na­tio­nalen Struk­turen und Men­schen­rechts-NGOs, vor allem den Beauf­tragten für Medi­en­freiheit der OSZE, Herrn Desir, sich dieser Situation anzunehmen.
Die ent­spre­chenden Pas­sagen aus diesem Bericht, die den rus­si­schen Medien gewidmet sind, werden den Mate­rialien bei­gefügt, die wir an die zustän­digen inter­na­tio­nalen Orga­ni­sa­tionen schicken. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, wie in einem anderen Staat eine aggressive Ein­stellung gegenüber Ver­tretern der Medien geformt wird. Und zwar durch die Geheimdienste.
Ende der Übersetzung

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“