Christine Lagarde soll zukĂĽnftig die EZB fĂĽhren und damit fĂĽr unser aller Geld verÂantÂwortlich sein. Aber wĂĽrden Sie jemandem Ihr Geld anverÂtrauen, der rechtsÂkräftig verÂurÂteilt wurde, weil sie mit anverÂtrauten Geldern fahrÂlässig umgeht? Nein? Tun Sie aber, weil die EU-RegieÂrungsÂchefs es so beschlossen haben.
FolÂgendes ist geschehen: 1990 kaufte ein franÂzöÂsiÂscher UnterÂnehmer die Mehrheit von Adidas und wollte sie 1994 wieder verÂkaufen. SchlieĂźlich beaufÂtragte er zunächst eine Bank damit und verÂkaufte die Anteile schlieĂźlich an die Bank, die sie kurz darauf mit groĂźem Gewinn weiterverkaufte.
Das fand der UnterÂnehmer nicht gut, fĂĽhlte sich betrogen und klagte auf einen Anteil an dem Gewinn. Er gewann den Prozess, er sollte 135 MilÂlionen Euro bekommen, aber ein anderes Gericht hob das Urteil wieder auf.
Die Bank gehörte ĂĽbrigens dem franÂzöÂsiÂschen Staat. Bei einem SchiedsÂgeÂrichtsÂverÂfahren traf dann die damalige franÂzöÂsische WirtÂschaftsÂmiÂnisÂterin 2008 die EntÂscheidung, dass dem Geschäftsmann nicht nur 135, sondern 285 MilÂlionen zustehen und inklusive Zinsen wurden ihm 403 MilÂlionen zu Lasten des franÂzöÂsiÂschen Staates ĂĽberÂwiesen. Und wer war diese WirtÂschaftsÂmiÂnisÂterin? Richtig, Christine Lagarde.
2011 begann die franÂzöÂsische Justiz zu ermitteln und 2016 gab es einen SchuldÂspruch. Dazu konnte man in der „Zeit“ lesen:
„Der StrafÂprozess gegen Christine Lagarde geht mit einem SchuldÂspruch fĂĽr die Chefin des InterÂnaÂtioÂnalen WähÂrungsÂfonds (IWF) zu Ende. Die Richter vom SonÂderÂgeÂricht fĂĽr amtieÂrende und eheÂmalige AmtsÂinÂhaber sahen es als erwiesen an, dass die 60-Jährige in ihrem frĂĽÂheren Amt als franÂzöÂsische Finanz- und WirtÂschaftsÂmiÂnisÂterin fahrÂlässig gehandelt hat. Von einer Strafe sahen die Richter aber ab und begrĂĽnÂdeten dies mit der „PerÂsönÂlichkeit“ LagÂardes, ihrem „interÂnaÂtioÂnalen Ansehen“ und der TatÂsache, dass Lagarde 2007 und 2008 mit der interÂnaÂtioÂnalen Finanz- und WirtÂschaftsÂkrise zu kämpfen hatte.“
So funkÂtioÂniert der franÂzöÂsische RechtsÂstaat: Wenn Sie genug „interÂnaÂtioÂnales Ansehen“ haben und auch noch wegen einer WirtÂschaftsÂkrise im Stress waren, dann können Sie auch schon mal 400 MilÂlionen SteuÂerÂgelder an einen UnterÂnehmer verÂschenken, ohne deshalb – trotz SchuldÂspruch – bestraft zu werden.
Die EZB wird also in fähige und zuverÂlässige Hände ĂĽbergeben.
Da hat es die desiÂgnierte PräÂsiÂdentin der EU-KomÂmission besser. Der deutsche RechtsÂstaat funkÂtioÂniert nämlich noch besser, als der franÂzöÂsische.
In Deutschland schĂĽtzt $146 GVG PoliÂtiker vor StrafÂverÂfahren. $146 GVG sagt, dass StaatsÂanÂwälte den WeiÂsungen des JusÂtizÂmiÂnisters folgen mĂĽssen und nicht ermitteln dĂĽrfen, wenn der JusÂtizÂmiÂnister das nicht möchte. Daher gehen zwar immer wieder mal StrafÂanÂzeigen gegen Minister oder sogar die KanzÂlerin ein, aber davon hört man dann später nichts mehr. Diesen Anzeigen wird von der StaatsÂanÂwaltÂschaft nicht nachÂgeÂgangen, es wird vom JusÂtizÂmiÂnister kurÂzerhand untersagt. Wer das nicht glaubt, hier habe ich es ausÂfĂĽhrlich und mit allen Quellen darÂgelegt. Oder fragen Sie den StaatsÂanwalt Ihres Vertrauens.
FĂĽr Frau von der Leyen ist das ein wahrer GlĂĽcksfall. Im Zuge der BeraÂterÂaffäre wurde nicht nur bekannt, dass BeraÂterÂverÂträge mit MilÂlioÂnenhöhe in ihrem VerÂteiÂdiÂgungsÂmiÂnisÂterium ohne AusÂschreibung, quasi unter Freunden, verÂgeben wurden, sondern auch, dass ihr Sohn Daniel bei McKÂinsey einen gut bezahlten Job bekommen hat. Und wie der Zufall es will, hat McKÂinsey viele MilÂlionen an Uschis MinisÂterium verdient.
Gegen Frau von der Leyen wurden in diesem ZusamÂmenhang mehrere StrafÂanÂzeigen gestellt, Folgen hatte das aber keine.
Im Spiegel konnte man Ende SepÂtember lesen:
„In beiden GutÂachten werfen die PrĂĽfer dem MinisÂterium (…) vor, BeraÂterÂleisÂtungen mit einem Umfang von acht MilÂlionen Euro rechtsÂwidrig aus einem RahÂmenÂvertrag des Bunds abgeÂrufen zu haben. Den Vorgang hat das MinisÂterium bereits einÂgeÂstanden und angeÂkĂĽndigt, die VorÂgänge im Haus strenger konÂtrolÂlieren zu wollen. GraÂvieÂrender aber ist ein zweiter Bericht der RechÂnungsÂprĂĽfer, fĂĽr den die Experten fast hundert EinÂzelÂverÂträge mit UnterÂnehÂmensÂbeÂratern aus den verÂganÂgenen Jahren unterÂsucht hatten. Das Urteil fällt harsch aus: Wörtlich spricht der RechÂnungshof von freiÂhänÂdigen VerÂgaben. In den meisten Fällen sei zudem die NotÂwenÂdigkeit und die WirtÂschaftÂlichkeit der externen Experten nicht darÂgelegt worden. (…) Gleich zu AmtsÂanÂtritt holte sie (von der Leyen) mit Katrin Suder eine TopÂkraft vom Berater-Riesen McKÂinsey als StaatsÂseÂkreÂtärin ins WehrÂressort. Seitdem floÂriert das Geschäft fĂĽr die Berater. Kaum ein GroĂźÂprojekt der BunÂdeswehr kommt noch ohne externen SachÂverÂstand aus. Bei den Beamten und FachÂleuten im MinisÂterium wird deren SachÂverÂstand zwar geschätzt, die teils horÂrenden TagesÂsätze von bis zu 1700 Euro pro Berater sorgen aber auch fĂĽr reichlich Missgunst.“
Frau Suder von McKÂinsey? Wo bekam SohÂnemann Daniel von der Leyen einen guten Job? Richtig, bei McKinsey.
Dann folgte eine StrafÂanÂzeige gegen Frau von der Leyen, wie man knapp drei Wochen später im Spiegel lesen konnte:
„Nach SPIEGEL-InforÂmaÂtionen prĂĽft die StaatsÂanÂwaltÂschaft Berlin, ob der dauÂerÂhafte Einsatz von UnterÂnehÂmensÂbeÂratern im WehrÂressort den TatÂbeÂstand der vorÂsätzlich verÂurÂsachten ScheinÂselbstÂstänÂdigkeit erfĂĽllt. (…) Die ErmittÂlungen der Justiz wurden durch eine Anzeige gegen die MinisÂterin vom 30. SepÂtember ausÂgelöst, die offenbar von einem Insider aus dem Umfeld ihres Hauses stammt.“
Und im gleichen Artikel treffen wir auch Frau Suder wieder, die – frisch von McKÂinsey in MinisÂterium gewechselt – nur eine Aufgabe hatte, nämlich Berater anzuheuern:
„Mit scharfem Geist und viel „Change Management“-Erfahrung sollte Suder das Haus moderÂniÂsieren. Da es schnell gehen sollte, wurden immer neue Berater fĂĽr ProÂjekte engaÂgiert. Schon jetzt ist klar, dass es bei der AufÂtragsÂvergabe nicht ausÂschlieĂźlich mit rechten Dingen zuging. Bereits einÂgeÂstanden hat das MinisÂterium, dass BeraÂterÂaufÂträge im Umfang von acht MilÂlionen Euro fĂĽr ein IT-Projekt rechtsÂwidrig ĂĽber einen RahÂmenÂvertrag des Bunds abgeÂrufen wurden. (…) Im MinisÂterium kurÂsieren bereits ziemlich konÂkrete GerĂĽchte ĂĽber eine Art Buddy-System unter AufÂtragÂgebern im Haus und den externen Beratern. Häufig wird der Name eines Drei-Sterne-Generals genannt, der perÂsönlich eng mit einem Berater befreundet ist. Der frĂĽhere BunÂdeswehr-Mann wieÂderum zog in den verÂganÂgenen Jahren immer wieder größere AufÂträge aus dem MinisÂterium fĂĽr seine Firma an Land. Auch die frĂĽhere StaatsÂseÂkreÂtärin Suder kennt den UnterÂnehÂmensÂbeÂrater ganz gut, er war frĂĽher ebenÂfalls bei McKÂinsey. (…) So kurÂsiert in den diversen WhatsApp-Gruppen der Beamten im Bendler-Block seit Tagen ein PerÂsoÂnenÂprofil eines Sohns der MinisÂterin. Er arbeitet seit 2015 im Silicon-Valley-BĂĽro von McKinsey.“
Und im Januar gab es eine weitere StrafÂanÂzeige gegen von der Leyen. Diesmal ging es bereits um Untreue. Wieder der Spiegel dazu:
„Die StrafÂanÂzeige beruft sich auf einen verÂtrauÂlichen Bericht des BunÂdesÂrechÂnungshofs, der DigiÂtalÂproÂjekte des MinisÂteÂriums im Wert von 19,5 MilÂlionen Euro unterÂsucht hatte. (…) In dem Dossier skizÂzieren die PrĂĽfer bereits deutlich den UntreueÂverÂdacht. So bezeichnen sie die VerÂgaben der BeraÂterÂverÂträge durch das MinisÂterium nicht nur als „unzuÂlässig und verÂgaÂbeÂrechtsÂwidrig“, sondern kommen zu dem Schluss, dass „verÂmeidbare MehrÂausÂgaben in der GröÂĂźenÂordnung von 1 Million Euro“ entÂstanden seien. (…) Die Anzeige richtet sich gegen von der Leyen perÂsönlich (…) In der Anzeige werden schwere VorÂwĂĽrfe gegen von der Leyen erhoben. So habe die MinisÂterin entÂweder „Kenntnis von den VorÂgängen“ gehabt oder „durch manÂgelnde KonÂtrolle und OrgaÂniÂsation erst möglich gemacht, dass in ihrem MinisÂterium derÂartige VerÂmöÂgensÂschäden vorÂsätzlich herÂbeiÂgeÂfĂĽhrt wurden“.“
Von beiden Anzeigen hat die Ă–ffentÂlichkeit – $146 GVG sei Dank – danach nicht mehr viel gehört. Frau von der Leyen kann sich glĂĽcklich schätzen, dass es ihn gibt. So kann sie nun – im Gegensatz zur neuen EZB-Chefin – ganz ohne VorÂstrafe und lästige Verhöre durch StaatsÂanÂwälte in BrĂĽssel wieder ganz viele Berater anstellen, denn dort ist die KonÂtrolle noch lascher, als im korÂrupten Verteidigungsministerium.
Ăśbrigens erschien heute im Spiegel ein Artikel, der uns die neuen FĂĽhrer der EU vorÂstellen sollte. NatĂĽrlich werden die Skandale mögÂlichst runter gespielt, der Spiegel wĂĽrde doch keine etaÂblierten PoliÂtiker kriÂtisch betrachten. So können wir ĂĽber die in einer StrafÂsache rechtsÂkräftig verÂurÂteilte neue EZB-Chefin Lagarde im Spiegel lesen:
„2008 segnete sie einen VerÂgleich ab, in dem einem schwerÂreichen Geschäftsmann 400 MilÂlionen Euro von einer staatsÂeiÂgenen Bank zugeÂsprochen wurden. Lagarde gab an, sie habe der StaatsÂkasse ProÂzessÂkosten in MilÂlioÂnenhöhe ersparen wollen. Lagarde wurde wegen fahrÂläsÂsigen Umgangs mit öffentÂlichen Mitteln verÂurÂteilt, erhielt aber keine Strafe.“
Ohne die läsÂtigen Details, die ich aufÂgeÂzählt habe (und ich habe mich sehr kurz gefasst, es gibt da noch einiges mehr ĂĽber den Fall zu erzählen) klingt das doch recht harmlos, oder? Und dass es eine strafÂrechtÂliche VerÂurÂteilung und nicht bloĂź irgendein unwichÂtiges VerÂfahren wegen falsch Parken oder einem KasÂsenbon fĂĽr 1,30 Euro war, verÂschweigt der Spiegel.
Obwohl, sorry, wegen einem KasÂsenbon in Höhe von 1,30 können KasÂsieÂreÂrinnen in Deutschland fristlos gekĂĽndigt werden, wegen 400 MilÂlionen werden MinisÂteÂrinnen zur IWF-Chefin befördert. Ein Jammer, dass sich die KasÂsieÂrerin nicht mit dem Stress durch die WirtÂschaftsÂkrise herÂausÂreden kann!
Ăśber Frau von der Leyen steht im Spiegel heute:
„Als VerÂteiÂdiÂgungsÂmiÂnisÂterin war Ursula von der Leyen, 59, zuletzt von Pech – manche behaupten auch: vom eigenen UnverÂmögen – verÂfolgt. Monat fĂĽr Monat kamen neue Details der BeraÂterÂaffäre ans Licht: InsÂgesamt geht es um BeraÂterÂaufÂträge in zweiÂstelÂliger MilÂlioÂnenhöhe, die das MinisÂterium ohne AusÂschreibung verÂgeben hatte. Auch der Vorwurf der VetÂternÂwirtÂschaft zwiÂschen SpitÂzenÂbeÂamten und BeraÂterÂfirmen steht im Raum, ein UnterÂsuÂchungsÂausÂschuss bearÂbeitet den Fall seit Januar.“
„Pech“ hatte sie, oder vielÂleicht auch „UnverÂmögen“, sagt der Spiegel. Kein Wort ĂĽber die StrafÂanÂzeigen, ĂĽber die der Spiegel selbst berichtet hat und auch nicht ĂĽber ihren Sohn David, den der Spiegel frĂĽher ein Mal sogar selbst erwähnt hatte. StattÂdessen lesen wir das hässÂliche Wort „VetÂternÂwirtÂschaft“. Aber das auch nur als „Vorwurf“, der „im Raum steht“. Die Details lässt der Spiegel weg.
Es ist doch beruÂhigend, dass wir die EU-KomÂmission und die EZB nun fĂĽr die nächsten fĂĽnf Jahren in guten, komÂpeÂtenten und ehrÂlichen Händen wissen!
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte fĂĽr OstÂeuropa in verÂschieÂdenen VerÂsiÂcheÂrungs- und FinanzÂdienstÂleisÂtungsÂunÂterÂnehmen in OstÂeuropa und Russland VorÂstands- und AufÂsichtsÂratsÂpoÂsiÂtionen bekleidet, bevor er sich entÂschloss, sich als unabÂhänÂgiger UnterÂnehÂmensÂbeÂrater in seiner WahlÂheimat St. Petersburg nieÂderÂzuÂlassen. Er lebt insÂgesamt ĂĽber 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die SchwerÂpunkte seiner mediÂenÂkriÂtiÂschen Arbeit sind das (mediale) RussÂlandbild in Deutschland, Kritik an der BerichtÂerstattung westÂlicher Medien im AllÂgeÂmeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „VlaÂdimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angeÂrichtet habt?“