Face­books Fake-Geld

Facebook will seinen Kunden ab dem Jahr 2020 eine globale High-Tech-Währung samt Infra­struktur anbieten. Vielen Men­schen auf diesem Erdball soll damit ein ein­facher und kos­ten­güns­tiger Zugang zum Geld- und Finanz­system eröffnet werden, sagt der US-IT-Gigant. Das neue Block­chain-basierte Geld heißt „Libra“. Tech­nisch gesehen handelt es sich um so etwas wie eine Krypto-Geld-Banknote, die durch einen Korb von offi­zi­ellen Fiat-Geldern (wie US-Dollar, Euro und Co) gedeckt ist. Herz­stück des Libra-Pro­jekts ist die „Libra Asso­ciation“ (LA). Der regie­rungs­un­ab­hängige Verein mit Sitz in Genf, Schweiz, wird von Grün­dungs­mit­gliedern wie Ebay, Facebook, Mas­tercard, Paypal, Spotify, Uber, Visa und wei­teren renom­mierten Firmen getragen und wird die Ope­ration und Wei­ter­ent­wicklung von Libra verantworten.
Libra werden geschaffen, indem Men­schen US-Dollar oder Euro bei der LA ein­zahlen, und die LA räumt den Ein­zahlern dar­aufhin einen ent­spre­chenden Libra-Betrag in einer digi­talen Brief­tasche („Wallet“) ein, der sodann für Zah­lungs­zwecke per Internet, Smart­phone, Kre­dit­karte oder per Whatsapp und Mes­senger, also Face­books Chat­diensten, ver­wendet werden kann. Die Erfolgs­chancen scheinen gut für die Libra zu stehen: Elek­tro­ni­sches Zahlen ist ein Mega-Trend. Und wenn sich das auch noch über Social Media bewerk­stel­ligen lässt, umso cooler, denken sicherlich viele Kunden. Die tra­di­tio­nellen Banken haben aller­dings nun Grund zur Sorge: Die Libra wird den Wett­be­werbs­druck erhöhen. Denn sie angelt die Zah­lungs­um­sätze aus den Bank­konten heraus zugunsten des Libra-Vereins. Nicht die Banken, sondern der Libra-Verein kas­siert fortan die Gebühren und erhält die Infor­ma­tionen, wer was wann und wohin bezahlt.
Die Banken werden aber erst recht in die Röhre schauen, wenn die Kunden beginnen, die Libra auch für
Spar­zwecke zu nutzen. Denn dann ver­lieren sie auch noch die Termin- und Spar­ein­lagen, mit denen sie ihre Geschäfte billig refi­nan­zieren können. Oder man denke an das Kre­dit­ge­schäft: Der Libra-Verein stellt seinen Kunden viel­leicht bald auch kurz­fristige Kon­su­men­ten­kredite bereit nach dem Motto „Kon­su­miere schon heute und zahle erst in drei Monaten“. Dass die Banken gehörig unter Wett­be­werbs­druck geraten, ist gut: Kon­kurrenz belebt das Geschäft und bringt Ver­bes­serung. Die Ban­ken­branche wird aller­dings große Schwie­rig­keiten haben, den Neue­rungen im Fin-Tech-Bereich Paroli bieten zu können. Nicht zuletzt, weil die staat­liche Regu­lierung ihnen über Jahr­zehnte hinweg unliebsame Kon­kurrenz von außen vom Hals gehalten und so ihre Inno­va­ti­ons­kraft geschwächt hat.
Ist aber Libra solides, gutes Geld, das seine Kauf­kraft bewahrt? Hier sind ernste Zweifel anzu­melden: Die Ver­läss­lichkeit der Libra steht und fällt mit der Qua­lität der unter­lie­genden unge­deckten Papier­wäh­rungen. Die Libra wird in dem Maße infla­tio­näres Geld sein, wie US-Dollar, Euro und Co von den Zen­tral­banken infla­tio­niert werden, sie wird ihre Kauf­kraft im Gleich­schritt mit den offi­zi­ellen Papier­wäh­rungen ver­lieren. Und dass die Geld­be­hörden dies- und jen­seits des Atlantiks mit ihrer extremen Null- und Nega­tiv­zins­po­litik sowie ihrer chro­ni­schen Geld­men­gen­ver­mehrung wei­ter­machen, ist doch sehr wahr­scheinlich. Im Extremfall, sollten die offi­zi­ellen Wäh­rungen unter­gehen, wäre auch die Libra perdu. Das Facebook-Geld ist also keine echte Alter­native zu den offi­zi­ellen Fiat-Geldern, bes­ten­falls eine ein­fa­chere Art, sie zu verwenden.
Die Idee der Libra-Erfinder ist es, die ein­ge­zahlten Fiat-Geld­be­träge als „Reserve“ vor­zu­halten: Man will sicher­stellen, dass der Rückum­tausch von Libra in natio­nales Fiat-Geld jederzeit möglich ist, und dazu will man die ein­ge­zahlten Fiat-Gelder als Gut­haben bei Banken halten oder für den Kauf von ver­zins­lichen Wert­pa­pieren ver­wenden. Heraus kommt eine Art „Teil­re­serve“: Die Reserve wird nicht zu 100 Prozent in Fiat-Geld gehalten, sondern eben auch in Schuld­pa­pieren. Letztere müssen bei Bedarf am Markt gegen Fiat-Geld ver­kauft werden. Die Lira ist daher nicht nur infla­tionär wie das Fiat-Geld, sie trägt auch ein Zah­lungs­aus­fall­risiko – was dann schlagend wird, wenn der LA-Verein fehl­dis­po­niert oder die Kre­dit­marktlage ver­hindert, dass die Umtausch­wünsche der Libra-Besitzer in das gewünschte Fiat-Geld voll­um­fänglich erfüllt werden können.
Mit der Anlage der Reserve erhoffen sich Facebook und Co natürlich, Zins­er­träge zu erzielen. Doch das dürfte schwer werden. Die Zen­tral­banken haben ja die Zinsen auf extrem niedrige Niveaus geschleust, und eine Abkehr von dieser Geld­po­litik ist nicht erkennbar. Spä­testens dann, wenn die Geld­be­hörden die Bank­gut­haben mit einem Nega­tivzins belegen, wird das auch die Libra-Kunden treffen. Denn wenn der LA-Verein für die Reser­ve­haltung zur Kasse gebeten wird, dann natürlich auch die Libra-Besitzer: Wer Libra hält, wird dafür zahlen müssen. Wer also meint, mit der Libra eröffne sich viel­leicht doch ein Weg, den schlechten Fiat-Geldern zu ent­kommen, der irrt. Kurzum: Die Libra ist ein Fiat-Geld-Klon oder, wenn man es zeit­ge­mäßer aus­drücken möchte: Die Libra ist wie das Fiat-Geld ein Fake-Geld.
Das Libra-Projekt trägt leider nicht die Hand­schrift des Bestrebens, den Men­schen auf dieser Welt bes­seres Geld bereit­stellen zu wollen. Dass dabei die Libra-Konten und ‑Zah­lungen mittels einer pri­vaten („per­mis­sioned“) Block­chain abge­bildet werden sollen, ändert daran nichts. Es ist nur ein – durchaus legi­timer unter­neh­me­ri­scher – Versuch, im glo­balen Markt für Zah­lungs­dienste (und später folgend viel­leicht auch im Markt für Kredite) mit­ver­dienen zu wollen; und dabei natürlich so vieler Daten wie möglich habhaft zu werden. Wenn aber Facebook und Co der Welt ein bes­seres, ein gutes Geld hätten anbieten wollen, hätten sie das Nahe­lie­gende tun müssen: eine 100 Prozent gold­ge­deckte Libra anbieten. Aber wer weiß: Viel­leicht wird das ja der nächste Schritt sein, initiiert von Facebook, Amazon oder irgend­einem anderen Unternehmen.


Quelle: misesde.org