Money, Money, Mini-Bots

Par­al­lel­währung: Italien spielt mit der Idee, den Euro im Bin­nen­markt zu umgehen
Die ita­lie­nische Regierung hat wieder einmal Ärger mit der EU-Kom­mission wegen ihres Haus­halts­de­fizits. Für das nächste Jahr droht ein Defizit von fünf Prozent des Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP), sollte die Regierung die Wünsche des Lega-Chefs Matteo Salvini einer Steu­er­erleich­terung (30 Mil­li­arden Euro) und die Rück­nahme einer bereits beschlos­senen Mehr­wert­steu­er­erhöhung (23 Mil­li­arden Euro) umsetzen. Schon dieses Jahr belasten die Absenkung des Ren­ten­ein­tritts­alters auf 62 Jahre und das Bür­gergeld mehr als geplant. Das dro­hende Defi­zit­ver­fahren gleicht einer Farce. Mög­liche Straf­zah­lungen könnten erst am Ende eines lang­wie­rigen, aus 17 Schritten bestehenden Pro­zesses stehen. Doch der Regierung geht es um Grund­sätz­liches – eine Auf­hebung der EU-Schul­den­grenze und eine Neu­aus­richtung hin zu kre­dit­fi­nan­zierten Aus­ga­ben­pro­grammen, den Zugriff auf EU-finan­zierte Inves­ti­ti­ons­fonds sowie eine Kol­lek­tiv­haftung für auf­ge­nommene Schulden. Als Droh­ku­lisse dient die Ein­führung einer Euro-Zweit­währung, die Mini-Bots.
Staats­schuld­pa­piere, die leicht zu infla­tio­nieren sind
Der Begriff Mini-Bots leitet sich aus BOTs (Buoni del Tesoro) her. Dies sind Staatschuld­pa­piere mit kurzer Laufzeit. Ende Mai 2019 beschloß das ita­lie­nische Abge­ord­ne­tenhaus ein­stimmig eine Reso­lution, die eine Beglei­chung von Lie­fe­ran­ten­rech­nungen des Staates nicht nur in Euro, sondern auch in Mini-Bots möglich macht. Offene Staats­rech­nungen von circa 50 Mil­li­arden Euro, ent­spre­chend drei Prozent/BIP, machen der Wirt­schaft zu schaffen. Es wäre ein Regie­rungsgeld nach dem Muster einer mone­tären Staats­fi­nan­zierung. Je nach Ausstoß der Noten­presse würde der Mini-Bots gegenüber dem EU-Euro abwerten. Er würde zum Euro zweiter Klasse. In kleiner Stü­ckelung zu fünf bis 500 Euro geplant, würde ein par­al­leler Geld­kreislauf zum EU-Euro ent­stehen. Die Aner­kennung als Zah­lungs­mittel müßte nicht auf Zah­lungen zwi­schen Bürger und Staat beschränkt bleiben. Ein ita­lie­ni­sches Wäh­rungs­gesetz könnte die Mini-Bots zum gene­rellen Zah­lungs­mittel im Inland erheben.
Mit Dollar und Bitcoin darf auch gezahlt werden
Italien hätte dann zwei Wäh­rungen: Als Ver­trags- und Zah­lungs­währung würden die Mini-Bots für die all­täg­lichen Geschäfte vor­herr­schen. Bei Kre­diten und lang­fris­tigen Ver­trägen mit wie­der­holten Leis­tungs- und Zah­lungs­vor­gängen (Löhne, Mieten, Abos) sowie bei Lebens­ver­si­che­rungen und Spar­ver­trägen würde als Ver­trags­währung ver­mutlich der Euro gewählt, um Wert­ver­luste eines infla­tio­nie­renden Mini-Bots aus­zu­schließen. Jedoch ist der Gebrauch zweier Wäh­rungen umständlich. Deshalb könnte als Zah­lungs­mittel auch bei lang­fristig ange­legten Ver­trägen wei­terhin der zum tages­ak­tu­ellen Euro-Kurs umge­rechnete Mini-Bots dienen. Die Ver­trags­währung Euro würde eine Ent­wertung des Mini-Bots bei seiner gleich­zei­tigen Nutzung als Zah­lungs­mittel umgehen. Bei Ver­trägen mit dem Ausland dürften Mini-Bots hin­gegen keine Ver­wendung finden.
Die Euro­päische Zen­tralbank (EZB) erkennt hierin einen Rechts­bruch. So sind die „von der Euro­päi­schen Zen­tralbank und den natio­nalen Zen­tral­banken aus­ge­ge­benen Bank­noten (…) die ein­zigen Bank­noten, die in der Union als gesetz­liches Zah­lungs­mittel gelten“. Dem stehen zwei Sach­ver­halte ent­gegen. Mini-Bots könnten als ein­faches Zah­lungs­mittel dienen, ohne gesetz­lichen Anspruch auf Akzeptanz. Schließlich sind auf Bitcoin oder US-Dollar lau­tende Ver­träge in der EU auch gültig. Außerdem handelt es sich nicht um Geld einer Zen­tralbank, sondern um staat­liche Schuld­scheine der Regierung. Unver­zinst und ohne Ablauf­datum kommen sie dem Papiergeld aller­dings gleich. Insofern müßten sie den Staats­schulden in Höhe von 132 Prozent/BIP zuge­rechnet werden, die auf dann 135 Prozent/BIP hoch­schnellen würden.
Par­al­lel­wäh­rungen werden relevant, wenn ent­weder das gesetz­liche (Kredit-)Geld zu knapp wird (Kre­dit­klemme) oder aber zu reichlich vor­handen ist (Hyper­in­flation). Bei­spiele einer staat­lichen Kre­dit­klemme sind der zum Höhe­punkt der grie­chi­schen Staats­schul­den­krise 2015 dis­ku­tierte „Geuro“ oder der 2009 infolge der kali­for­ni­schen Finanz­krise kurz­zeitig vom US-Bun­des­staat her­aus­ge­gebene IOU (I owe you – ich schulde dir). Im Gegensatz zu diesem Notgeld hat Italien aktuell keine Liqui­di­täts­pro­bleme. Dies liegt zum einen an dem EZB-Staats­an­lei­he­an­kauf­pro­gramm. Zum anderen ver­traut der Kapi­tal­markt auf eine weitere Euro-Rettung – die auf­grund der Größe Ita­liens kaum gelingen dürfte. Deshalb dienen die Mini-Bots als Druck­mittel für eine weit­ge­hende Reform des EU-Ver­trages in Richtung einer Haf­tungs-/Trans­fer­union. Auch die Unab­hän­gigkeit der EZB steht zur Dis­po­sition. Bei einem Scheitern dieses Vor­habens könnte der Aus­tritt aus der Wäh­rungs­union ein­ge­leitet werden – mit unab­seh­baren Kon­se­quenzen für die Eurozone und die EU.
Mini-Bots steigern das Erpressungspotential
Es drohen dann erheb­liche öko­nomische Ver­wer­fungen. Da eine Abwertung der Mini-Bots die Rück­zahlung der Staats­schulden lang­fristig unmöglich machen dürfte, würden die Kurse ita­lie­ni­scher (Staats-)Anleihen sofort ein­brechen. Bei Staats­schulden von derzeit etwa 2,3 Bil­lionen Euro halten inlän­dische Banken und Ver­si­che­rungen mit circa 860 Mil­li­arden Euro 48 Prozent der ita­lie­ni­schen Staat­an­leihen mit einer Laufzeit von über einem Jahr.
Fal­lende Kurse würden eine Ban­ken­krise aus­lösen, die auf­grund von Ver­flech­tungen auf ganz Europa über­greifen würde. Schließlich würde der bevor­ste­hende Aus­tritt und ein dro­hender Zusam­men­bruch des ita­lie­ni­schen Ban­ken­systems zu einem Bank Run führen. Bar­ab­he­bungen und Kapi­tal­flucht ließen den ita­lie­ni­schen TARGET-Saldo weiter ansteigen, weshalb die Eurozone zum eigenen Schutz Kapi­tal­ver­kehrs­kon­trollen ein­leiten müßte. Um das Erpres­sungs­po­tential ein­zu­grenzen, müsste die Eurozone bereits heute Vor­keh­rungen für ein mög­lichst geord­netes Aus­tritt­ver­fahren schaffen – doch gilt der Ver­bleib im Euro wei­terhin als alternativlos.


Quelle: misesde.org