Vera Lengsfeld: See­hofer, Dreh­hofer, Rosstäuscher

In unserer Gesell­schaft, in der Pferde nicht mehr Alltag, sondern Luxus sind, muss man den Begriff Ross­täu­scher viel­leicht erklären. So wurden Händler genannt, die ein betrü­ge­ri­sches Ver­halten an den Tag legten, bei dem Kunden mit ver­schie­denen Tricks über Gesund­heits­zu­stand, Alter und Wert des Pferdes getäuscht wurden.
Unser Innen­mi­nister, der sich vor wenigen Jahren noch als Kämpfer gegen die „Herr­schaft des Unrechts“ insze­nierte, hat sich längst als Hüter des Unrechts ent­larvt, indem er die unkon­trol­lierte Mas­sen­ein­wan­derung, die von seinem Amts­vor­gänger de Mai­zière mit der Anweisung, auch Men­schen ohne oder mit sichtbar gefälschten Papieren ins Land zu lassen, nicht widerrief. Nach wie vor werden Men­schen unkon­trol­liert ins Land gelassen, obwohl wir immer noch nicht genau wissen, wer seit 2015 zu uns gekommen ist. Erst jüngst wurde das wieder einmal schlag­licht­artig klar, als sich her­aus­stellte, dass der Schwert­mörder von Stuttgart, der als Syrer ein­ge­wandert war, wahr­scheinlich Paläs­ti­nenser oder Jor­danier ist. Auch Mehrfach-Iden­ti­täten gibt es nach wie vor, wie man en passant erfährt, wenn wieder einmal ein Inten­siv­täter so straf­fällig wurde, dass seine Tat in den Medien nicht ver­schwiegen werden konnte.

NEU! Hier bestellen!

Nun hat Innen­mi­nister See­hofer vor wenigen Tagen ver­lautbart, über Abschie­bungen für solche Asyl­be­werber aus Syrien nach­zu­denken, die nach ihrer Flucht regel­mäßig aus pri­vaten Gründen dorthin zurückkehren.
„Wer als syri­scher Flüchtling regel­mäßig in Syrien Urlaub macht, der kann sich ja nicht ernsthaft darauf berufen, in Syrien ver­folgt zu werden. Dem müssen wir seinen Flücht­lings­status entziehen“.
Abge­sehen davon, dass die Syrer sicher sein können, dass diesem Thea­ter­donner keine Taten folgen werden, davon zeugt schon das Wort „regel­mäßig“, das schwammig genug ist, um die Erfassung zu ver­hindern, ist noch etwas anderes interessant.
Das Phä­nomen des Hei­mat­ur­laubs von angeblich ver­folgten Flücht­lingen ist ja alles andere als neu. Inzwi­schen sind solche Reisen Routine geworden. Das steht sogar in der Bild.
Wie das Blatt aus­führlich berichtete, gibt es in Deutschland viel­fältige Mög­lich­keiten der kom­for­tablen Ein­reise nach Syrien, z.B. über den Libanon, den Iran oder die Türkei:
„Anruf bei der liba­ne­si­schen Flug­ge­sell­schaft Nakhal, die auf ihrer Website eine Nummer in Berlin angibt, und beim Rei­sebüro „Al-Outom“ (heißt auf deutsch übrigens: Nach Hause) in Berlin-Neu­kölln. Der Reporter erklärt, dass er in seine Heimat reisen will, obwohl er das nach dem Asyl­gesetz nicht darf. Antwort eines Mit­ar­beiters: ‚Kein Problem. Sie brauchen nur einen syri­schen Rei­sepass oder müssen ein ‚Über­gangs­ticket’ in der syri­schen Bot­schaft bean­tragen. Um den Rest kümmern wir uns’.“
Kosten für den Heimat-Urlaub der geflüch­teten Schutz­su­chenden laut Bild: rund 800 Euro – inklusive Flug, Bus­fahrt, Doku­menten und Bestechungsgeldern.
In sozialen Medien berichten viele Syrer begeistert von den schönen Hei­ma­treisen. So schrieb der wegen sexu­eller Beläs­tigung ver­ur­teilte „ZEIT und Freitag“-Blogger und „Vor­zei­ge­flüchtling“ Aras Bacho, 20, auf Twitter:
„Vor zwei Wochen haben sechs Syrer, die ich kenne, Urlaub in Syrien gemacht, um ihre Fami­li­en­mit­glieder zu besuchen und bisschen Ruhe zu haben, vor allem von Deutschland. Man ver­misst sein Hei­matland und es ist mitt­ler­weile Alltag, dass Syrer das machen!“
Wenn die Politik diesem Treiben bisher tatenlos zuge­schaut hat, warum macht See­hofer aus­ge­rechnet jetzt eine solche Ankündigung?
Das Rätsel löste sich auf, als der Innen­mi­nister ein kom­pli­ziertes Gesetz zur Über­wa­chung und Durch­su­chung der Com­puter von Bürgern und Jour­na­listen ankündigte.
Unser Ross­täu­scher hatte vorher etwas Kritik auf sich gezogen, als er offen­herzig erläu­terte, wie man bri­sante Ver­schär­fungen der Sicher­heits­ge­setze am effek­tivsten auf den Weg bringe, ohne viel Wider­stand aus­zu­lösen. Man müsse die Gesetze kom­pli­ziert machen. “Dann fällt es nicht so auf.”
Diesmal wollte er wohl doppelt auf Nummer sicher gehen und mit der Schein­at­tacke auf syrische Hei­mat­ur­lauber von dem realen Angriff auf Anders­den­kende ablenken.
Dabei ist See­hofers rie­siges, 41 Seiten umfas­sendes Geset­zes­paket zur Stärkung des Ver­fas­sungs­schutzes ein Mus­ter­bei­spiel dafür, wie man in kom­pli­zierten Sätzen seine Absichten versteckt.
Das liest sich dann so: “Auf Auf­zeich­nungen nach Absatz 3 Satz 2 und §§ 9d, 9e Absatz 1 (…) ist § 3a Absatz 1 Satz 4 bis 6 und Absatz 2 des Artikel-10-Gesetzes ent­spre­chend anzu­wenden”, steht im dritten, dem zen­tralen Para­grafen dieses Geheim­dienst-Geset­zes­pakets. Einer der heiklen Sätze kurz darauf ver­strömt ebenso sti­ckige, schläfrig machende Behör­denluft: “Erfolgen Maß­nahmen bei einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 3b oder Nummer 5 der Straf­pro­zess­ordnung genannten Person …”
Da fällt einem sofort See­hofers Bruder im Geiste, Jean-Claude Juncker, ein:
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was pas­siert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Auf­stände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“
Wollen wir sie wirklich weiter machen lassen, bis es kein Zurück mehr gibt?

Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de