Es gab reichlich offene Konflikte zwischen Trump und seinem Sicherheitsberater, über die auch ich immer wieder berichtet habe. Bolton ist ein absoluter Falke, Trump hingegen ist trotz seiner Twitter-Rhetorik eher eine Taube. Im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern im Amt des US-Präsidenten hat Trump bis heute noch keinen Krieg angefangen. Das sollte man bei all der negativen Berichterstattung über Trump und seine raue Rhetorik nie vergessen.
Ich habe nie verstanden, warum Trump Bolton den Posten gegeben hat. Bei so ziemlich allen außenpolitischen Themen waren ihre Postionen völlig unterschiedlich.
Trump hat im Wahlkampf und auch danach immer wieder gesagt, dass er die Beziehungen zu Russland normalisieren möchte. Das wurde schon im Wahlkampf durch das sogenannte Russiagate mit der angeblichen russischen Einmischung in die US-Wahlen konterkariert. Auch wenn da am Ende nichts dran war und Mueller in seinem Bericht nichts in der Sache vorlegen konnte, konnte Trump keinen Schritt in Richtung Russland machen, ohne dass die Medien ihn als Agenten des Kreml bezeichnet hätten. Im Ergebnis gab es keine Normalisierung der Beziehungen, sondern eine Welle anti-russischer Sanktionen nach der anderen.
Bolton war gegen jede Annäherung an Russland und hat schon seit über zehn Jahren dafür gekämpft, alle Abrüstungsverträge mit Russland zu kündigen, was ihm als Sicherheitsberater mit der Kündigung des INF-Vertrages auch gelungen ist.
Eine weitere Herzensangelegenheit ist für Trump die Entspannung auf der koreanischen Halbinsel. Warum ihm das so wichtig ist, weiß kein Mensch, aber es ist offensichtlich. Auch hier war Bolton gegen Trump und bekam dabei auch Unterstützung von Außenminister Pompeo. Nordkorea hatte zwischenzeitlich sogar Gespräche abgelehnt, wenn einer der beiden Herren mit am Tisch sitzen sollte.
Auch Venezuela ist ein solches Beispiel. Trump wollte keinen weiteren Krieg, er hat den US-Wählern vielmehr versprochen, die US-Soldaten nach Hause zu holen und sie nicht in weitere Kriege zu schicken. Aber trotzdem provozierte Bolton, in dem er demonstrativ vor der Presse mit einer Mappe stand, auf der für alle gut sichtbar zu lesen war, dass weitere US-Soldaten in Venezuelas Nachbarschaft geschickt werden sollten. Sicher, auch Trump hätte lieber eine andere Regierung in Venezuela, aber er will keinen Krieg, den Bolton wohl bereit gewesen wäre, zu führen.
Auch beim Thema Iran waren es Bolton und Pompeo, die versucht haben, Trump in einen Krieg zu treiben. Das ging so weit, dass Trump sogar kurzerhand erklärte, die USA hätten keine Interessen im Zusammenhang mit der Durchfahrt von Tankern durch die Straße von Hormus. Damals war es gerade zu Anschlägen auf Tanker gekommen und die Falken wollten sie dem Iran anhängen und sprachen von wichtigen US-Interessen, die zu schützen wären. Trump nahm dem mit seiner Aussage den Wind aus den Segeln, indem er darauf hingewiesen hat, dass die USA dank Fracking selbst genug Öl produzieren, weshalb dort kein US-Interesse sei. Darum sollten sich die EU, China und Japan kümmern, die von dort Öl erhielten.
Und wie durch ein Wunder gab es danach keine Probleme mehr mit Angriffen auf Tanker in der Region.
Oder die Ukraine. Die scheint Trump völlig egal zu sein, aber Bolton, als Geostratege der alten Schule, will die Ukraine weiter gegen Russland einsetzen. Um die Ukraine ist es aus Sicht der USA merkwürdig ruhig geworden. Sie scheint keinerlei Priorität zu haben, es gab sogar schon Stimmen aus Trumps Umfeld, die Waffenlieferungen an Kiew einzustellen, natürlich folgte dem sofort ein Proteststurm. Aber Trump scheint die Ukraine nicht einmal wichtig genug zu sein, um ein Ende der Waffenlieferungen durchzusetzen. Er spricht auch eigentlich nie über das Land. Obwohl die Ukraine für die Geostrategen in Washington sehr wichtig als Stachel im russischen Fleisch ist, interessiert sie Trump offensichtlich gar nicht.+
Wenn man das in Kombination setzt mit seinem Wunsch, sich mit Russland zu vertragen, dürften bei den US-Geostrategen alle roten Lampen angehen. Trump könnte die Ukraine in Verhandlungen mit Russland einsetzen, um woanders Zugeständnisse zu bekommen. Aber die Ukraine in die Freiheit zu entlassen und eine Aussöhnung zwischen Kiew und Moskau ist für transatlantische Geostrategen der Super-Gau.
Und zuletzt Afghanistan. Trump hatte schon im Wahlkampf versprochen, die US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Bolton war davon alles andere als begeistert. Es gab seit langem Verhandlungen mit den Taliban. Diese hat Trump nun für gescheitert erklärt. Damit ist seine Idee, aus Afghanistan abzuziehen, geplatzt. Die interessante Frage ist, was in dieser Sache hinter den Kulissen geschehen ist und ob das Scheitern Afghanistan-Verhandlungen vielleicht der Tropfen war, der das Fass zwischen den beiden zum Überlaufen gebracht hat.
Es gab also eigentlich bei allen Themen Meinungsverschiedenheiten zwischen Trump und Bolton. Ein Sicherheitsberater muss aber per Definition ein loyaler Mitarbeiter seines Chefs sein. Daher habe ich nie verstanden, warum Trump ihm den Posten gegeben hat.
Am Dienstagabend hat Trump über Twitter mitgeteilt, er habe Bolton gebeten, seinen Rücktritt einzureichen, was Bolton am Morgen auch getan habe. „Das Weiße Haus braucht seine Dienste nicht mehr“ hieß es knapp bei Trump. Und weiter bestätigte er das, was Beobachter wie ich seit Monaten schreiben, nämlich dass es starke Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen gegeben habe. Trump teilte weiter mit, er werde einen Nachfolger nächste Woche ernennen.
Bolton sieht die Sache anders und schreibt ebenfalls auf Twitter, er hätte seinen Rücktritt angeboten und Trump hätte das am nächsten Tag besprechen wollen.
Was auch immer wahr ist, Fakt ist Bolton ist weg und die Frage ist, wie geht es weiter?
Das werden wir in den nächsten Tagen sehen, jedenfalls ist es spannend, dass der Machtkampf zwischen der „alten Garde“ der Falken und Trump nun anscheinend offen ausgebrochen ist. Ob dieser Machtkampf eskaliert und ob diese Geschichte auch Pompeo das Amt kosten, oder seine Position stärken wird? Wer weiß.
Wer in dem Machtkampf hinter den Kulissen in Washington Oberwasser hat, werden wir vielleicht erraten können, wenn Trump Boltons Nachfolger präsentiert. Wird es wieder ein Falke oder jemand, der Trumps außenpolitische Ziele teilt?
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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