Jetzt doch Repa­ra­tionen für WK2 an Grie­chenland? Die Linke fordert „endlich“ Zahlung!

Der Wie­der­gänger „Repa­ra­ti­ons­zah­lungen an Grie­chenland“ ist wieder einmal auf­er­standen. Anfang Juni hatte Grie­chenland mit einer soge­nannten „Ver­balnote“ (eine schrift­liche Nach­richt eines anderen Landes an das deutsche Außen­mi­nis­terium) das alte Thema wieder auf den Tisch gelegt. Man wolle Ver­hand­lungen über deutsche Repa­ra­ti­ons­zah­lungen wegen der Kriegs­schäden aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.
„In der Ver­balnote fordert die grie­chische Regierung von Deutschland Ver­hand­lungen darüber, wie die Ange­le­genheit der noch offenen Repa­ra­tionen und Ent­schä­di­gungen für den Ersten und Zweiten Welt­krieg gelöst werden soll.“

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Zuletzt hatte Grie­chenland das vor drei Jahren geltend gemacht und damals Zah­lungen von 290 Mil­li­arden von Deutschland gefordert. Mitt­ler­weile haben die Griechen aber nochmal nach­ge­rechnet und wollen nun 377 Mil­li­arden Euro, also im Prinzip einen gesamten Bun­des­haushalt an Reparationen.
Die Summe errechnen die Griechen aus den Kriegs­schäden an der Infra­struktur und den Indus­trien, aus Ver­lusten an Roh­stoffen, Ent­schä­di­gungen an Ange­hörige von Kriegs­ver­sehrten, während der Kriegs- und Besat­zungszeit Getö­teten und solchen Opfern, die in Lagern umge­kommen sind. Und es geht um einen Zwangs­kredit der grie­chi­schen Reichsbank an Deutschland im Jahr 1942 über 500 Mil­lionen Reichsmark, den Deutschland nie ganz zurück­ge­zahlt hat.
Während die Bun­des­re­gierung dezent mauert, finden die Griechen begeis­terte Unter­stützung bei der Partei „die Linke“. Bernd Riex­inger, Chef der Partei „die Linke“ kri­ti­sierte die Bun­des­re­gierung harsch dafür, sich bisher den For­de­rungen Grie­chen­lands ver­weigert zu haben. Er appel­liert wieder an das noto­risch schlechte Gewissen der Deutschen:
„Wir haben als Deutsche eine geschicht­liche Ver­ant­wortung für die in Grie­chenland durch die Wehr­macht ver­übten Ver­brechen. Dem müssen wir uns stellen. (…) Die Bun­des­re­gierung darf sich hier nicht auf juris­tische Spitz­fin­dig­keiten zurück­ziehen, sondern muss mit der grie­chi­schen Regierung in Dialog treten. Das ist auch eine Frage des Respekts für die Opfer.“
Sein Par­tei­ge­nosse Gregor Gysi hält zwar nicht viel von Repa­ra­ti­ons­zah­lungen, plä­diert aber für eine Ent­schä­digung der Opfer und deren Nach­kommen für das, was ihnen von deut­scher Seite im Zweiten Welt­krieg angetan wurde.
Die Links­fraktion plant jetzt zum 13. November im Bun­destag im Clara-Zetkin-Saal eine Ver­an­staltung unter der Über­schrift: „Endlich alte Rech­nungen begleichen“ eine Ver­an­staltung zu dem Thema. In der Ein­ladung dazu steht:
„Die deut­schen Besatzer haben während des Zweiten Welt­kriegs uner­mess­liches Leid in Grie­chenland ange­richtet, massive Ver­wüs­tungen hin­ter­lassen und den Tod hun­dert­tau­sender Men­schen ver­schuldet. Doch alle bis­he­rigen Bun­des­re­gie­rungen drücken sich bis heute vor ihrer poli­ti­schen, mora­li­schen, his­to­ri­schen und auch juris­ti­schen Ver­ant­wortung, für diese Ver­brechen ange­messen Ent­schä­di­gungen zu leisten. DIE LINKE. im Bun­destag findet: Das ist ein Armuts­zeugnis. Und eine Belei­digung der Opfer! Wir unter­stützen die For­derung Grie­chen­lands, dass die Bun­des­re­gierung endlich in Ver­hand­lungen über die Repa­ra­ti­ons­for­de­rungen ein­treten muss. Dazu gehört auch die Frage der Zwangs­an­leihe und der indi­vi­du­ellen Ent­schä­di­gungen der Opfer von Mas­sakern. Deutschland darf sich nicht länger aus der Ver­ant­wortung stehlen!“
Es wird also so getan, als habe es niemals nach dem Zweiten Welt­krieg irgend­welche Zah­lungen Deutsch­lands an Grie­chenland gegeben. Das stimmt aller­dings nicht. Viel­leicht wissen es die Linken nicht, aber in der Tat haben die Griechen den größten Teil der Ent­schä­di­gungen erhalten, die das besiegte Deutschland gezahlt hat.
Die BILD schnaubt:
„Die For­derung ist ein offener Affront gegen Deutschland! Kein Land – damals noch König­reich – ist von West­deutschland nach 1945 so hoch ent­schädigt worden wie Grie­chenland. Ver­traglich sind die deut­schen Kriegs­schulden seit 1990 (2+4‑Vertrag) erledigt.“
Tat­sächlich finden wir auf Wiki­pedia:
„Im Pariser Repa­ra­ti­ons­ab­kommen legten die Alli­ierten fest, welche Repa­ra­tionen Deutschland zu leisten habe und wie diese auf die Länder auf­ge­teilt werden sollten. Grie­chen­lands Anteil an den deut­schen Repa­ra­ti­ons­leis­tungen ent­sprach schät­zungs­weise 7,181 Mil­li­arden US-Dollar in Preisen von 1938. Außerdem sollte Grie­chenland Anteile an den Repa­ra­ti­ons­leis­tungen der Besat­zungs­mächte Italien und Bul­garien erhalten. Die Teil­neh­mer­staaten kamen überein, damit alle For­de­rungen aus den Kriegs­ver­hält­nissen an staat­liche deutsche Stellen als abge­golten zu betrachten. Das betraf auch Besat­zungs­kosten und For­de­rungen gegen Clea­ring­konten und „Reichs­kre­dit­kassen“. Es wurde von den grie­chi­schen Ver­tretern am 24. Januar 1946 unter­zeichnet, vom grie­chi­schen Par­lament erst am 30. Dezember 1955. Grie­chenland konnte deut­schen Aus­lands­besitz in Grie­chenland als Repa­ra­ti­ons­leistung her­an­ziehen. Eine Inter­al­li­ierte Repa­ra­ti­ons­agentur über­wachte das Repa­ra­ti­ons­ver­fahren und die Zahlungen.“
Nun, 7,181 Mil­li­arden Dollar klingt nicht nach allzu viel. Aber das war 1945 – und seitdem hat der Dollar viel an Kauf­kraft ver­loren. Was das heute für eine Summe aus­macht, das verrät uns ein „Inflation Cal­cu­lator“ im Internet. Dort wird auch gut erklärt, wie man die Teue­rungs­raten ermittelt und wie hoch sie sind. Und nach diesem Rechner ent­sprechen die Repa­ra­tionen im Wert von 7,181 Mil­li­arden US-Dollar im Jahr 1945 einer Summe von 102.432.576.611,11 Dollar heute in 2019. In Worten sind das Ein­hun­dert­zwei­mil­li­arden Vier­hun­dert­zwei­und­drei­ßig­mil­lionen Fünf­hun­dert­sechs­und­sieb­zig­tausend Sechs­hun­dert­undelf Dollar und elf Cent.
So. Das sollte man nicht einfach als „gar nichts“ abtun. Es ist gezahlt worden, und die grie­chische Regierung samt Par­lament hat auch unter­zeichnet. Die Bun­des­re­gierung betrachtet diese Rück­zahlung darüber hinaus als erledigt auf­grund des Lon­doner Schul­den­ab­kommens von 1953. Die anfänglich berechnete Summe von 29,3 Mil­li­arden Mark an die geschä­digten Länder wurde durch Ver­handeln (damals noch Hermann Josef Abs) auf 14,8 Mil­li­arden Mark gesenkt. Diese Summe bil­deten die Basis für jähr­liche Til­gungs- und Zins­zah­lungen. Die Fäl­lig­keits­termine von Anleihen wurden hin­aus­ge­schoben, zum Teil bis 1994. Die letzte Rate davon bezahlte Deutschland (West) 1966.
Bei den Lon­doner Ver­hand­lungen wurde die Frage deut­scher Repa­ra­tionen für Ver­luste und Schäden im Zweiten Welt­krieg zurück­ge­stellt. Alle aus­ste­henden For­de­rungen auf Repa­ra­tionen wurden im Lon­doner Abkommen bis zu dem Zeit­punkt einer end­gül­tigen Regelung (eines Frie­dens­ver­trages) zurück­ge­stellt. Doch bis heute gibt es keinen Frie­dens­vertrag. Statt­dessen regelt der Zwei-plus-vier-Vertrag diese Angelegenheit.
Die deutsche Regierung beruft sich also auf diesen Zwei-plus-vier-Vertrag, der 1990 zwi­schen der dama­ligen BRD und der dama­ligen DDR und den Alli­ierten Sie­ger­mächten geschlossen wurde. Das Abkommen wurde „anstatt eines Frie­dens­ver­trages“ unter­zeichnet. Daraus ergibt sich, dass die Repa­ra­ti­ons­frage nach dem Willen der Ver­trags­partner – der vier Sie­ger­mächte sowie der beiden deut­schen Staaten – nicht mehr geregelt werden sollte.
Der Wis­sen­schaft­liche Dienst des Par­la­ments hat nun auf Anfrage der Linken ein Gut­achten zum Sach­stand in dieser causa gemacht. Zusam­men­ge­fasst heißt es: „Die Position der Bun­des­re­gierung ist völ­ker­rechtlich ver­tretbar, aber kei­neswegs zwingend.“ 
„Die Bun­destags-Experten regen darin eine Ent­scheidung des Inter­na­tio­nalen Gerichtshofs in Den Haag an, um Rechts­klarheit zu schaffen. Zu einem solchen Ver­fahren müsste die Bun­des­re­gierung sich aber frei­willig bereit erklären, weil der Streitfall mehr als 70 Jahre zurückliegt.“
Die Bun­des­re­gierung lehnt eine gericht­liche Klärung der Repa­ra­ti­ons­frage ab. Das Aus­wärtige Amt gab dazu fol­gende Erklärung: “Eine Befassung des Inter­na­tio­nalen Gerichtshofs mit der Frage der grie­chi­schen Repa­ra­ti­ons­for­de­rungen ist von keiner Seite beabsichtigt.”
Die Linke fordert dennoch die Bun­des­re­gierung auf, sich der his­to­ri­schen Ver­ant­wortung nicht zu ent­ziehen. Eine Schluss­strich-Politik könne es nicht geben. Bisher habe die Bun­des­re­gierung hier „auf ganzer Linie versagt – juris­tisch, poli­tisch, vor allem aber moralisch“.
Nun ja, lieb Vaterland, magst ruhig sein. Sollte Deutschland doch in Ver­hand­lungen mit Grie­chenland ein­treten, gibt es genug Verhandlungsmasse.
Zuerst einmal könnte man ja die ganzen Kre­dit­schulden, die Grie­chenland an Deutschland hat, abziehen. Knapp 278 Mil­li­arden betragen die Zah­lungen der Ret­tungs­pakete an Grie­chenland zusammen. Teils in Form von direkten Kre­diten der EU-Länder, teils über die Ret­tungs­schirme EFSF und ESM, teils aber auch über den IWF. Neben direkten Kre­diten zahlt auch Deutschland überall mit ein und dürfte wahr­scheinlich alles in allem mit ca. 100 Mil­li­arden Grie­chenland bei­gesprungen sein. Dazu kommen noch die Target2-Saldi in Höhe von fast einer Billion Euro, die die Deutsche Bun­desbank anderen EU-Ländern leiht. Auch hier dürfte Grie­chenland mit einer stolzen Summe dabei sein.
Nimmt man dann noch die Zah­lungen nach dem Pariser Abkommen im heu­tigen Wert dazu, wird nicht allzu viel dabei herauskommen.