Ich möchte hier nicht die ganze Vorgeschichte des „Ukraine-Skandals“ wiederholen, die bis ins Jahr 2014 zurückreicht, als die Obama-Regierung in Kiew nach dem Maidan ihre Vasallenregierung installiert hat. Für die USA war der damalige Vizepräsident Joe Biden oft in der Ukraine. Bei der Gelegenheit hat er seinem Sohn Hunter einen Nebenjob im Aufsichtsrat eines ukrainischen Gaskonzern besorgt, für den der Junior nicht qualifiziert war, für den er aber mindestens 50.000 Dollar monatlich bekommen hat. Und diese Firma inklusive, ihres Aufsichtsrates (und damit auch Hunter Biden), stand im Zentrum von Korruptionsverfahren in der Ukraine. Eine Zusammenfassung der Vorgeschichte finden Sie hier.
Jedenfalls hat Papa Joe Biden 2016 die ukrainische Regierung erpresst, sie solle den ermittelnden Generalstaatsanwalt feuern und das Verfahren einstellen. Das ist keine russische Propaganda, denn Joe Biden selbst hat 2018 ganz stolz öffentlich erzählt, wie er den „Hurensohn“ („Son of Bitch“) gefeuert hat.
Der neue Generalstaatsanwalt Lutsenko hat die Ermittlungen dann wunschgemäß eingestellt. Über die Hintergründe von Lutsenko habe ich am Montag ausführlich geschrieben. Lesen Sie das gerne zum Verständnis nochmal nach oder merken Sie sich einfach seinen Namen, den werden wir später hier im Artikel noch treffen.
Zunächst wollen wir auf das eingehen, was der Spiegel uns am Dienstag und Mittwoch an Neuigkeiten mitgeteilt hat und dann kommen wir zu dem, was in Deutschland alles vom Spiegel und den anderen Medien verschwiegen wurde.
In dem „Ukraine-Skandal“ dreht sich derzeit alles um den Bericht eines Whistleblowers über ein Telefonat zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selensky. Aber in den USA wollen die Demokraten nun anscheinend alle Telefonate von Trump veröffentlichen. Am Dienstag rückte auch ein Telefonat mit dem australischen Premierminister in den Fokus der Demokraten. Trump soll auch den australischen Premierminister gebeten haben, bei den Ermittlungen zum Ursprung der angeblichen Russlandaffäre um die angebliche russische Einmischung in die Wahl von 2016 zu helfen. Damals ging es auch um Informationen des australischen Geheimdienstes.
Aber das war nur eine Randnotiz in den letzten zwei Tagen. Mehr Wirbel haben die Medien um die Vorladungen von Mitarbeitern des US-Außenministeriums veranstaltet und darum, dass die Demokraten im Repräsentantenhaus ultimativ und bei Strafandrohung Unterlagen aus dem Außenministerium und dem Weißen Haus angefordert haben. US-Außenminister Pompeo hat sich dagegen gewehrt, nicht gegen die Herausgabe der Unterlagen oder die Befragung seiner Mitarbeiter, sondern gegen die sehr knapp angesetzten Fristen. In der kurzen Zeit könnte all das nicht vorbereitet werden.
Außerdem ging es mal wieder um Tweets von Trump. Der Spiegel echauffierte sich darüber, dass Trump in einem seiner Tweets von einem „Putsch“ der Demokraten geschrieben hat. Das klingt natürlich erst einmal merkwürdig, aber nur, wenn man so uninformiert ist, wie ein Leser des Spiegel.
Der Spiegel hat nämlich mit keinem Wort darüber berichtet, dass die Richtlinien für Berichte von Whistleblowern im August so verändert wurden, dass der Bericht des Whistleblowers (datiert vom 12. August) angenommen werden konnte. Veröffentlicht wurden diese veränderten Richtlinien erst Ende September und dabei wurde das Dokument auf August datiert.
Nach den am 12. August geltenden Regeln hätte der Bericht gar nicht bearbeitet werden dürfen und es gäbe keinen „Ukraine-Skandal“. Das wurde erst durch die im September veröffentlichten Änderungen möglich. Die Details finden Sie hier.
Und wer war danach der erste, der mit dem Bericht des Whistleblowers in die Offensive ging? Der Leiter des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, der Demokrat Adam Schiff. Was für ein Zufall.
Da kann man schon auf die Idee kommen, dass in den USA Kräfte in den Strukturen der Behörden und Geheimdienste sind, die den Präsidenten stürzen wollen und dazu sogar Bestimmungen rückwirkend ändern. Das wäre in der Tat recht nahe an einem Putsch, wenn Gesetze und Bestimmungen verbogen werden, um den Präsidenten zu entmachten. Trumps Wortwahl ist also wie üblich drastisch, aber in der Sache ziemlich nahe an der Wahrheit.
Aber das alles weiß der Spiegel-Leser ja nicht und so kann der Spiegel solche Tweets von Trump nutzen, um ihn in einem ganzen Artikel als paranoiden Spinner darzustellen.
Bei den geänderten Richtlinien geht es darum, dass Whistleblower ursprünglich nur Dinge melden durften, die sie selbst erlebt haben. Aber Gerüchte über Dinge, die sie von anderen gehört haben, durften nicht gemeldet werden. Das hat einen durchaus vernünftigen Grund: In den oberen Etagen einer Regierung geht es um geheime Unterlagen. Wenn dort plötzlich alle über alles reden, dann betreiben sie Geheimnisverrat, was man juristisch auch noch als Spionage auslegen kann, je nachdem, wer die Informationen in die Hände bekommt. Das sollte natürlich nicht gefördert werden, daher die Regel, dass Whistleblower der Aufsicht nur über das berichten dürfen, was sie selbst erlebt haben.
Aber der Whistleblower in diesem Fall hat nichts von all dem, worüber er berichtet hat, selbst erlebt. Er beschreibt ausführlich, dass er alles nur aus zweiter oder dritter Hand gehört hat und auch seine Quellen, also von wem er was gehört hat, gibt er nicht an. Daher besteht der Bericht im Grunde nur aus Klatsch und Tratsch aus der Kantine der Regierungsbehörden und hätte im August sofort im Mülleimer landen müssen.
Stattdessen wurde er zurückgehalten, die Vorschrift wurde verändert und als der Bericht danach der Vorschrift entsprach (oder umgekehrt, wie man will), ging Adam Schiff sofort in die Offensive.
Jeder darf an so viele zeitliche Zufälle glauben, aber dass Trump da eine Verschwörung im Apparat wittert, ist verständlich.
Und so erklärt es sich, dass Trump fordert, die Identität des Whistleblowers offen zulegen, denn er will wissen, wer die undichten Stellen sind, die geheime Informationen weitergeben. Normalerweise müsste das die gesamte US-Politprominenz fordern, wenn es derartige Maulwürfe in höchsten Regierungskreisen gibt. Aber nicht in diesem Fall.
Der Whistleblower wird geschützt und Trumps Forderung, aufzuklären, wer wem was erzählt hat, wird wieder als paranoides Verhalten von Trump dargestellt. Im Spiegel klingt das zum Beispiel so:
„Adam Schiff übte scharfe Kritik an Trump, der Informanten in der Ukraineaffäre in die Nähe von Spionen und Verrätern gerückt hatte. „Das ist ein eklatanter Versuch, Zeugen einzuschüchtern“, sagte Schiff. „Es ist eine Aufforderung zur Gewalt.“ Er sicherte zu, die Anonymität des Geheimdienstmitarbeiters zu wahren, der die Affäre mit seiner Beschwerde ins Rollen gebracht hatte.“
Aber das sind alles nur Nebenkriegsschauplätze. Die wirklich interessanten Neuigkeiten der letzten zwei Tage waren andere. Und damit kommen wir wieder zum inzwischen abgesetzten Generalstaatsanwalt der Ukraine, Lutsenko, der die Verfahren gegen Bidens Umfeld eingestellt hatte.
Lutsenkos Rolle ist reichlich undurchsichtig, wie ich am Montag schon ausgeführt habe. Zuerst hat er wunschgemäß die Verfahren wegen Korruption eingestellt, dann hat er, nach dem Machtwechsel in Kiew, angeboten, Unterlagen an den US-Generalstaatsanwalt Barr zu übergeben. Dazu kam es aber nicht, weil die noch unter Obama eingesetzte US-Botschafterin in Kiew ihm kein Visum für die USA gegeben hat. Und als nun der „Ukraine-Skandal“ hochkochte und zur wichtigsten politischen Krise der Welt wurde, da hat Lutsenko Kiew überraschend verlassen und ist nach London gereist. Wie er mitteilen ließ, um eineinhalb Monate lang Englischunterricht zu nehmen. Aber kaum war der in London gelandet, gab er der BBC direkt im Taxi ein Interview. All das können Sie hier nachlesen.
Die interessante Frage ist, was Lutsenko weiß und warum er so überstürzt ausgerechnet nach London gereist ist. Will er dort mit jemandem reden? Verspricht er sich dort Schutz? Wenn ja, vor wem? Vor Trump, weil er Trump keine Unterlagen gegeben hat? Oder vor Biden, weil er versucht hat, Unterlagen nach Washington zu bringen?
Im „Ukraine-Skandal“ dreht sich also sehr viel um die Frage der Rolle von Lutsenko und um die Frage, was er tatsächlich weiß und welche Beweise er für was auch immer hat oder nicht hat. Aber haben Sie seinen Namen in den letzten Tagen in der deutschen Presse gelesen? Ich auch nicht.
Seine überstürzte Flucht aus der Ukraine kann aber auch banalere Gründe haben, denn am Dienstag, einen Tag, nachdem er nach London geflogen ist, wurde bekannt, dass die ukrainische Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Lutsenko eröffnet hat. Er soll an einem Netz illegaler Spielhöllen in der Ukraine beteiligt sein. Ob er tatsächlich daran beteiligt war, oder ob seine Gegner ihn mit dieser Geschichte ruhig stellen wollen, ist derzeit nicht zu sagen.
Eine weitere Geschichte, über die wir in Deutschland nichts erfahren, hat wieder mit den Bidens selbst zu tun. Vizepräsident Biden hat seinem Sohnemann nämlich nicht nur in der Ukraine lukrative und fragwürdige Jobs besorgt, sondern auch in China. Er hatte seinen Sohn 2013 zu einer Chinareise mitgenommen, wo Biden Junior die Reise genutzt hat, um bei einem chinesischen Investmentfond einzusteigen.
Diese Geschichte erzählt Trumps Anwalt Giuliani in allen Medien herum und behauptet, Hunter Biden habe dabei 1,5 Milliarden verdient. Das lässt sich bisher nicht überprüfen, aber die Geschichte ist dennoch so groß, dass auch Trump-kritische Medien in den USA sie aufgreifen. NBC zum Beispiel bestätigt so ziemlich alle Elemente der Geschichte, bis auf die Summe und die Frage, ob Joe Biden hier nicht sein Amt genutzt hat, um die eigene Familie zu bereichern.
Das ist nämlich die spannende Frage: Wie korrupt sind Joe und Hunter Biden?
Joe Biden behauptet, mit seinem Sohn nicht über dessen Geschäfte gesprochen zu haben. Aber wie glaubhaft ist das, wenn Sohnemann immer ausgerechnet da gute Geschäfte gemacht hat, wo Papa Vizepräsident gerade politische Weichen gestellt hat? Und praktischerweise ist er auch gleich zusammen mit Papa Vizepräsident in der Airforce Two dahin geflogen. Aber über die Geschäfte haben sie nicht gesprochen?
Davon werden wir sicher in nächster Zeit noch viel hören, aber wohl nicht aus den deutschen Medien.
Zum Schluss noch ein Ausblick und eine interessante Randnotiz: Die Demokraten werden ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump anstrengen, daran habe ich keinen Zweifel. Aber es wird keinen Erfolg haben, denn für die tatsächliche Amtsenthebung brauchen sie am Ende eine Zweidrittelmehrheit im Senat, wo aber die Republikaner die Mehrheit haben.
Die Demokraten haben also sicher nicht die Hoffnung, Trump mit dem Impeachment aus dem Amt zu entfernen. Es geht nur darum, Trump mit Dreck zu bewerfen und negative Schlagzeilen über Trump zu produzieren, damit er nächstes Jahr die Wahl verliert. Aber danach sieht es nicht aus, denn in den USA tragen die Wahlspenden ganz entscheidend zum Sieg bei. Und Trump hat im dritten Quartal einen neuen Spendenrekord aufgestellt. Den Spendenrekord für das dritte Quartal eines Jahres hielt bisher Obama, der im dritten Quartal 2011 ca. 70 Millionen eingesammelt hat.
Trumps Anhänger sind offensichtlich durch die von den Demokraten mit dem „Ukraine-Skandal“ losgetretene Schlammschlacht dermaßen mobilisiert worden, dass sie Trump im dritten Quartal 2019 ganze 125 Millionen gespendet haben.
Daher spekuliere ich nun einmal: Sollte Biden Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden, wird er die Wahl verlieren. Trumps Anhänger werden durch das Impeachment-Verfahren mobilisiert, aber gleichzeitig wird Biden enormen Druck wegen der vielen undurchsichtigen Geschäfte seines Sohnes bekommen, die eng mit Papas Tätigkeit als Vizepräsident zusammenhängen.
Es wird also vieles an unschönen Geschichten über Biden geben. Natürlich auch über Trump, aber daran haben sich seine Anhänger schon gewöhnt. Biden will aber gerade als moralisch integerer Saubermann punkten und das wird nicht gelingen.
Natürlich wird bis zur Wahl in 13 Monaten noch sehr viel passieren, aber mich beschleicht das Gefühl, dass die Demokraten sich mit dem von ihnen inszenierten „Ukraine-Skandal“ ein Eigentor schießen könnten…
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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