Deutsch­lands marode Infra­struktur ver­deut­licht das Märchen vom reichen Land

In meinem Buch beziffere ich den ein­ma­ligen Inves­ti­ti­ons­bedarf zur Sanierung der maroden Infra­struktur in Deutschland auf 120 Mil­li­arden Euro. Außerdem wäre eine nach­haltige Aus­ga­ben­er­höhung erfor­derlich. In meiner Cicero-Titel­ge­schichte zur (ver­hee­renden) Bilanz der letzten 14 Jahre schreibe ich:
„Die Inves­ti­tionen in den Kapi­tal­stock haben sich gegenüber den frühen 2000er-Jahren mehr als hal­biert, was zu einer immer älteren staat­lichen Infra­struktur führt. Die Hälfte der Auto­bahn­brücken bei­spiels­weise wurde zwi­schen 1965 und 1975 gebaut. Diese Brücken waren nie für die heu­tigen Ver­kehrs­mengen aus­gelegt und sind als wirt­schaft­licher Total­schaden ein­zu­stufen, rechnet das Institut der Deut­schen Wirt­schaft vor. Bei den Straßen sieht es nicht besser aus, wo seit dem Jahr 2000 eben­falls von der Sub­stanz gelebt wird.

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Um einen Verfall des Kapi­tal­stocks und damit der Zukunfts­fä­higkeit des Landes zu stoppen, müsste deutlich mehr inves­tiert werden. Alleine für die Her­stellung des nor­malen Stan­dards der Infra­struktur sind Inves­ti­tionen in der Grö­ßen­ordnung von 120 Mil­li­arden Euro erfor­derlich. Damit nicht genug. Wir brauchen ein nach­haltig höheres Aus­ga­ben­niveau, um den Standard zu halten. Legen wir dafür den OECD Durch­schnitt von 3,2 Prozent vom BIP an, müssten wir unsere Aus­gaben um einen Pro­zent­punkt vom BIP steigern, also um rund 33 Mil­li­arden pro Jahr. Drücken wir diese Last als Gesamt­aufgabe über 30 Jahre aus, kommen wir auf eine Billion Euro latenter Ver­pflich­tungen, nur wenn wir uns vor­nehmen, unseren Inves­ti­ti­ons­standard auf den OECD Durch­schnitt zu bringen und dort zu halten.“

Nun wagen sich (endlich!) auch andere aus der Deckung. Die F.A.Z. berichtet von einer neuen Studie des IW (das auch schon die Daten zum Zustand der Ver­kehrs­in­fra­struktur geliefert hatte, die ich oben zitiere), die auf einen Bedarf von 450 Mil­li­arden kommt. Wie nähern uns also meiner Billion in der Erkenntnis langsam an.
Doch zitieren wir die F.A.Z.:

  • 450 Mil­li­arden Euro – so viel müsste der deutsche Staat in den kom­menden zehn Jahren zusätzlich aus­geben, um bestehende Inves­ti­ti­ons­lücken zu schließen und als Standort attraktiv zu bleiben. Andern­falls droht sich der Verfall des öffent­lichen Kapi­tal­stocks, also von Straßen, Schienen und Schulen, unge­bremst fort­zu­setzen.“ – Stelter: Das wird er. Denn wo sind die Poli­tiker, die umsteuern? Ich sehe sie nicht. Statt­dessen sollen diese Mil­li­arden für die Rettung des Welt­klimas im Alleingang aus­ge­geben werden. Dabei ließe sich das bil­liger und effek­tiver mit markt­wirt­schaft­lichen Instru­menten rea­li­sieren, wie ich mehrfach erläutert habe.
  • „Zum Ver­gleich: Der nach Sozialem zweit­größte Etat im Bun­des­haushalt, Ver­tei­digung, kommt „nur“ auf rund 43 Mil­li­arden Euro.“ – Stelter: Und in der Bun­deswehr fährt, schwimmt und fliegt auch nichts. Wie schrieb ich schon 2018 in dem Cicero-Artikel und in meinem Buch: „Kurz­fristig braucht die Bun­deswehr rund 130 Mil­li­arden Euro, um über­haupt wieder funk­ti­ons­fähig zu werden. Lang­fristig dürfte ange­sichts der anwach­senden Auf­gaben unver­meidlich sein, sich dem NATO-Ziel von Aus­gaben auf dem Niveau von zwei Prozent des BIP zu beugen. Dies bedeutet einen Anstieg in Deutschland von rund 0,8 Prozent des BIP oder 26 Mil­li­arden pro Jahr. Gesamthaft über dreißig Jahre gerechnet also weitere rund 750 Mil­li­arden Euro an Mehr­lasten, die zu schultern sind.“ Die Poli­tiker haben uns derart massiv abge­wirt­schaftet, es ist unglaublich!
  • „Der deutsche Staat gibt zu wenig Geld aus – und deutlich weniger als die meisten anderen Indus­trie­länder. Das mindere das Wachs­tums­po­tential. (…) 80 Mil­li­arden Euro öffent­liche Inves­ti­tionen im Jahr, das sind nur 2,4 Prozent der Wirt­schafts­leistung, während Frank­reich und Amerika mehr als 3 und Japan und Aus­tralien knapp 5 Prozent auf­wenden.“ – Stelter: Wenn man durch diese Länder fährt, ich denke neben Frank­reich natürlich an die Schweiz, aber selbst in Italien sind die Züge schnell und die Auto­bahnen oft sehr gut, sieht man es sofort. Es genügt schon der Grenz­über­tritt, um zu sehen, wie unsere Poli­tiker das Land abge­wirt­schaftet haben. Geld genug war da!
  • Deutschland ist viele Jahre nach­weislich auf Ver­schleiß gefahren. Grabe man tiefer und blicke auf die Lage in Kom­munen und Ländern – allein Erstere stehen für 55 Prozent des staat­lichen Kapi­tal­stocks –, sei der ‘Moder­ni­tätsgrad im Bereich Nicht­woh­nungsbau’ sogar seit Anfang der 1990er Jahre kon­ti­nu­ierlich gesunken. Der Haupt­grund liege in der klammen Kas­senlage, vor allem in den west­lichen Bun­des­ländern. Während baye­rische Kom­munen rund 15 Prozent ihrer Gesamt­aus­gaben in Bau­pro­jekte steckten, seien es in Nord­rhein-West­falen gerade einmal 4,5 Prozent.“ – Stelter: Und wo floss das Geld hin? Genau, in die Sozi­al­hilfe. Und dies in einem Umfeld stark stei­gender Beschäf­ti­gungs­zahlen. Ist es die richtige Prio­rität? Ich weiß es nicht. Nur, so hohe Sozi­al­aus­gaben wie noch nie absolut wie auch fast relativ, das ist in einer solchen Wirt­schaftslage befremdlich.
  • Doch das sei erst der Anfang, argu­men­tieren die IW-Öko­nomen. Denn mit Kli­ma­schutz und digi­taler Infra­struktur gebe es ‘neue Bedarfe’. Fasst man alle Aus­ga­be­posten zusammen, ergeben sich allein auf kom­mu­naler Ebene 161 Mil­li­arden Euro Inves­ti­ti­ons­mehr­bedarf. Darin ent­halten sind neben der schon seit län­gerem kur­sie­renden Infra­struk­tur­lücke in Höhe von 138 Mil­li­arden Euro weitere 23 Mil­li­arden Euro für den Ausbau von Bus und Bahn. Zweit­größter Posten ist die über­re­gionale Infra­struktur: Zusätz­liche 60 Mil­li­arden Euro für die Bahn, knapp 30 Mil­li­arden Euro für den Breit­band­ausbau, 20 Mil­li­arden Euro für Auto­bahnen.“ – Stelter: Wer soll das bezahlen? Jetzt gehen doch die gebur­ten­starken Jahr­gänge in Rente!
  • „Rund 80 Mil­li­arden Euro Mehr­bedarf braucht es den Berech­nungen zufolge für früh­kind­liche Bildung, Ganz­tags­schulen sowie Hoch­schulen und For­schung. Den 450-Mil­li­arden-Euro-Topf kom­plet­tieren schließlich 65 Mil­li­arden Euro für den Kli­ma­schutz sowie 10 Mil­li­arden Euro für den Woh­nungsbau.“ – Stelter: Auch hier sind dies über­wiegend Fol­ge­wir­kungen der fal­schen Politik der letzten Jahre. Völlig falsche Prio­ri­täten haben Geld ver­schwendet und die Kapa­zi­täten für Inves­ti­tionen ver­rotten lassen.
  • „Da zumindest der Bund in beschränktem Maße Schulden auf­nehmen darf, wäre ein ‘föde­raler Inves­ti­ti­ons­haushalt’ als selbst­ständige Person des öffent­liches Rechts und in voll­stän­digem Eigentum des Bundes konform mit Ver­fassung und dem Vertrag von Maas­tricht. Wirksam sei der neue Rie­sentopf ohnehin. Unter Ver­wendung eines Simu­la­ti­ons­mo­dells des bri­ti­schen Ana­ly­se­hauses Oxford Eco­nomics kommen Hüther und Kolev auf ein statt­liches Wachs­tumsplus: Kurz­fristig gebe es in klas­sisch keyne­sia­ni­scher Manier ein Kon­junk­tur­stimuli, lang­fristig sei mit einem ‘dau­er­haften posi­tiven Effekt des staat­lichen Inves­ti­ti­ons­fonds auf die private Inves­ti­ti­ons­tä­tigkeit’ zu rechnen.“ – Stelter: Da musste ich lachen: a) Wieso braucht man dafür ohnehin ein Modell, denn das ist klar und b) kann das das IW nicht selber? Peinlich.
  • „Zugleich sinke der umstrittene deutsche Über­schuss in der Leis­tungs­bilanz.“Stelter: Auch das ist richtig und ich habe immer wieder darauf hin­ge­wiesen. Ande­rer­seits dürfte der Über­schuss ohnehin im Zuge der Trump­schen Zölle (werden kommen) und der Struk­tur­krise unserer Schlüs­sel­in­dustrie ohnehin bald der Geschichte angehören.

Dr. Daniel Stelter –www. think-beyondtheobvious.com