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Vera Lengsfeld: Deutschland dreht durch!

Man traut sich kaum noch, die Nach­richten anzu­schauen, die mit jedem Tag mehr klingen, als ent­stammten sie einem Irrenhaus-Bul­letin. In Dresden wurde auf Antrag eines Spaß­po­li­tikers, der mit seinem Erfolg kaum gerechnet haben dürfte, der Nazi-Not­stand aus­ge­rufen. Was immer die Stadt­rats­mehrheit damit sagen wollte, hat sie lediglich erreicht, dass dieses Gremium sich um jede Repu­tation gebracht hat: Wer kann solche Polit­clowns und die Jour­na­listen, die das 1:1 kri­tiklos ver­breiten noch ernst nehmen?
Seit der Thü­rin­genwahl scheinen alle Dämme der Ver­nunft bei den Main­stream-Medien und Poli­tikern gebrochen zu sein. Den Anfang hat ZDF-Intendant Peter Frey mit seinem Kom­mentar am Wahl­abend gemacht, der alle AfD-Wähler zu Rechts­extre­misten erklärt hat. Nach ihm stießen zahllose Poli­tiker und Jour­na­listen in dieses Horn. Am Tag nach der Wahl stam­melte Minis­ter­prä­sident Kret­schmer in die Kamera, er sei fas­sungslos, dass die Partei, deren Vor­sit­zender ein Faschist genannt werden dürfe, so viel Wähler bekommen habe. Der Gedanke, dass es am Ver­sagen seiner eigenen Partei liegen könnte, scheint ihm nicht zu kommen.

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Statt die Land­tags­wahlen dieses Jahres als ein deut­liches Signal zu begreifen, dass die Wähler einen Poli­tik­wechsel wollen, was ihr demo­kra­ti­sches Recht ist, ver­sucht das Estab­lishment krampfhaft wei­ter­zu­machen wie bisher. Was in Bran­denburg und Sachsen noch gelang, den Wählern eine neue Links-Grüne Regierung vor die Nase zu setzen, die in Sachsen von der CDU ange­führt wird, droht in Thü­ringen zu scheitern.
Dabei werden die Sze­narien immer absurder. Über den Eiertanz von CDU-Mohring, der schon am Wahl­abend „staats­po­li­tische Ver­ant­wortung“ und damit die Bereit­schaft signa­li­sierte, Mehr­heits­be­schaffer für die SED-Linke zu werden, das am nächsten Morgen im Früh­stücks­fern­sehen bekräf­tigte und am Abend auf Druck der Basis zurück­rudern musste, war an dieser Stelle schon die Rede.
Nun hat der Wahl­ver­lierer, der unbe­dingt einen Regie­rungs­posten für sich will, bei Markus Lanz nicht an sich halten können und erzählt, dass er davon träumt, mit einer Min­der­heits­re­gierung aus CDU, SPD, Grüne und FDP an die Macht zu kommen. Nur aus staats­po­li­ti­scher Ver­ant­wortung für Thü­ringen, natürlich nicht aus eigenem Kar­rie­re­streben. Wer sich den Tort angetan hat, sich die Lanz-Sendung anzu­sehen, weiß, dass Mohring sich, wie am Wahl­abend schon selbst lobt, wenn es sonst schon niemand tut. Dass er der Öffent­lichkeit ernsthaft zumutet, ein unein­sich­tiger Wahl­ver­lierer wie er wäre der geeignete Minis­ter­prä­sident Thü­ringens, ist an sich schon ein Stück aus dem Tollhaus. Helfen soll ihm bei diesem Coup aus­ge­rechnet die AfD, indem sich ihre Abge­ord­neten im dritten Wahlgang der Stimme ent­halten sollen. Als Steig­bü­gel­halter soll die AfD gut genug sein. Ist das ernst gemeint?
Völlig bizarr ist aber der Vorstoß des Thü­ringer Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten Christian Hirte, der auch Ost­be­auf­tragter der Bun­des­re­gierung ist, bei der Abstimmung im Landtag Mohring als Minis­ter­prä­si­denten durchzusetzen.
„Die CDU war eine der beiden Par­teien, die mit einem Minis­ter­prä­si­denten-Kan­di­daten in den Wahl­kampf gegangen sind. Dieses Angebot sollten wir im Par­lament auf­recht­erhalten: Mike Mohring sollte dort zur Wahl antreten“, sagte Hirte dem Redak­ti­ons­netzwerk Deutschland (RND).
Das Angebot, das von den Wählern abge­lehnt wurde und der CDU eine kata­stro­phale Nie­derlage ein­brachte, soll also durch die Hin­tertür doch noch durch­ge­setzt werden. Hirte zeigt mit seinem Vor­schlag, wie blind die Arroganz der Macht ist. Eine „sach­be­zogene Zusam­men­arbeit“ von vier ver­schie­denen Par­teien, die zusammen keine Mehrheit haben, soll zu kon­struk­tiven Ergeb­nissen führen? Und die CDU, „als stärkste Kraft der bür­ger­lichen Mitte sollte hier eine Initia­tiv­rolle über­nehmen“. Welche Initiative? Die­jenige, die von der CDU während ihrer 5 Oppo­si­ti­ons­jahre und besonders im inhalts­leeren Wahl­kampf ver­misst wurde? Außer dass Mohring unbe­dingt Minis­ter­prä­sident werden will, ist von der CDU kaum etwas zu hören gewesen, mit Aus­nahmen von Mario Voigt, der sich lei­den­schaftlich gegen die Ver­spar­gelung des Thü­ringer Waldes posi­tio­nierte. Aller­dings wäre das Schicksal des Thü­ringer Waldes in einer Sim­babwe-Koalition mit den Grünen besiegelt. Wie Sachsen zeigt, wackelt der grüne Schwanz mit dem schwarzen Hund.
Eine Woche nach der Wahl wird immer deut­licher, dass die CDU wieder nicht die Absicht hat, aus ihrem Nie­dergang irgendeine Schluss­fol­gerung zu ziehen. Sie erlaubt ihrem geschei­terten Spit­zen­kan­di­daten, nun als poli­ti­sches Irr­licht die Partei, einst Erfolgs­modell der alten BRD und später Thü­ringens, in die Belie­bigkeit abdriften zu lassen und damit lächerlich zu machen.
Soll das wirklich unge­bremst so weiter gehen, bis die CDU end­gültig neben der SPD auf der poli­ti­schen Res­te­rampe landet?

Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de