Ist Denken noch erlaubt?

Vor einigen Tagen las ich einen inter­es­santen Artikel über das Denken. Ja, dachte ich, wun­derbar, aber wer ver­sucht das noch im Land derer, die dafür einmal so berühmt waren?
(von Michael Dunkel)
Natürlich haben wir heute noch her­vor­ra­gende Phi­lo­sophen unter uns, exzel­lente Köpfe, welche sich über unsere Zukunft, unsere Gesell­schaft Gedanken machen.
Die Mehrzahl derer, die sich mit Denken beschäf­tigen, ist aller­dings in meinen Augen gering geworden.
Ja, wir haben die Ana­ly­tiker, welche sich damit aus­ein­ander setzen, weshalb sich unsere Gesell­schaft, die Welt, die Religion so ent­wi­ckelt, wie sie es gerade macht. Zu jedem Thema gibt es fast immer Jemanden, der dazu auch eine Ansicht hat.
Hilft uns das weiter? Ich fürchte nein. Wenn wir gerade die letzten zwanzig Jahre auf Deutschland blicken, haben wir doch eine Ent­wicklung, die kein struk­tu­riertes Denken zulässt.Alle Themen welche uns beschäftigt haben, egal ob es sich um Armut, soziale Ver­wahr­losung oder reli­giösen Fana­tismus und die damit ver­bunden Dis­kus­sionen han­delte, wurden lediglich an den Sym­ptomen beleuchtet, aller­dings selten mit einer Ent­wick­lungs-Dia­gnose versehen.
Wenn es sie denn gab, richtete sie sich aber nur auf Pro­gnosen aus, die auf den Sym­ptomen auf­gebaut waren.
Kaum jemand machte sich die Mühe, darüber nach zu denken, wie sich der Ist-Zustand der ver­schie­denen Themen ändern lässt und wenn, wie er an zu gehen ist.
Es scheint gerade zu, als wenn unsere Gesell­schaft es scheut, sich Gedanken zu machen, wie diese Themen unsere Ent­wicklung beein­flussen werden. Wir erhalten Schlag­worte, die sich auf Zukunft beziehen, nicht jedoch ent­wi­ckelte Gedanken darüber, wie unser Leben aus­sehen soll und wird, wenn wei­terhin keine Lösungen für den IST- Zustand gefunden werden.
Unsere Regierung setzt auf einen gewissen Prag­ma­tismus, der das Jetzt regelt aber nicht bereit ist, aktuelle Fakten so zu über­denken, dass wir unser Mit­ein­ander aktiv verändern.
In poli­ti­schen und anderen Dis­kus­sionen gibt es jewei­liges Gezerre darüber, ob egal welcher Fakt, dieser so bleiben kann, ver­bessert werden muss oder abge­schafft werden soll.
Niemals ein Gedanke darüber, warum es dazu kam, noch weniger ein Gedanke darüber, wohin es führt, wenn sich die Fakten einfach weiter entwickeln.
Die damals so flapsig dahin geworfene Aussage des ehe­ma­ligen Kanzler Helmut Schmidt, an einen über­mü­tigen Jour­na­listen, „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, wurde tausend Mal als Tot­schläger ver­wendet, wenn es ums Denken ging. Es war fast mit Händen zu greifen, wie dankbar dieser Aus­spruch genutzt wurde, sich keine Gedanken mehr machen zu müssen.
In Deutschland wird gerne geschimpft, ange­klagt, sowohl von Poli­tikern als auch von Medien, nur kon­se­quente Gedanken zu einem Thema macht sich keiner. Wenn wir es schon als einen Gedanken sehen, nur auf einen Miss­stand hin zu weisen, ohne ihn zu ana­ly­sieren und ihm die Plattform zu geben, was pas­siert, wenn wir diesen, den Misstand, sich so weiter ent­wi­ckeln lassen, dann bleiben wir stecken in der Symptom-Behandlung. Genau wie all die Jahre zuvor.
Meine ganz per­sön­liche Erfahrung dabei, wer auf Miss­stände hin­weist, erhält Applaus, wer sie aller­dings von der Ursache her angeht und die Sicht auf Ent­wicklung der Zukunft lenkt, steht damit aller­dings schnell alleine mit seiner These.
Die Über­legung, ob es dann zur Über­for­derung kommt bleibt im Raum und könnte zu dem Schluss führen, Gedanken sind lästig und halten uns ab, von unserer Hektik und den Kampf, immer Vorne zu sein. Ich bin mir auch sicher, mit diesem Text nur ein Gähnen zu erzeugen aber ich habe mir halt darüber Gedanken gemacht.
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Michael Dunkel ist ein rhei­ni­scher, poly­glotter, libe­ral­kon­ser­va­tiver Literat


Dieser lesens­werte Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Peter Helmes – www.conservo.wordpress.com