Rekord: Der Spiegel ver­liert in nur sechs Monaten 12 Prozent seiner Leserschaft

Die Media-Analyse für das zweite Halbjahr 2019 hat ergeben, dass der Spiegel mehr Reich­weite ver­loren hat, als jede andere Zeitung in Deutschland. In nur sechs Monaten hat der Spiegel 630.000 Leser, also 12 Prozent seiner Reich­weite, eingebüßt.

Die Meedia GmbH ana­ly­siert per­manent die deutsche Medi­en­land­schaft und ver­öf­fent­licht unter anderem zweimal im Jahr eine Analyse über die Reich­weite von Zei­tungen. Man darf die Reich­weite nicht mit der Anzahl der ver­kauften Exem­plare ver­wechseln. Die Reich­weite sagt aus, wie viele Men­schen eine Zeitung gelesen haben und ein ver­kauftes Exemplar wird oft von meh­reren Men­schen in die Hand genommen, vor allem, wenn es zum Bei­spiel im War­te­zimmer eines Arztes oder beim Friseur aus­liegt. Daher ist die Reich­weite weitaus größer, als Exem­plare ver­kauft werden.

Bei der Analyse werden alle Zeit­schriften mit ein­be­zogen, daher führt in Deutschland derzeit die Fern­seh­pro­gramm­zeit­schrift „Prisma“ die Liste an und ähn­liche Formate belegen eben­falls die oberen Plätze. Der Spiegel ist durch seinen Rekord­verlust in einem halben Jahr von Platz drei auf Platz sechs abgestürzt.

Unter den Zeit­schriften, die sich mit Nach­richten beschäf­tigen, liegt der Spiegel mit einer Reich­weite von 4,66 Mil­lionen nun nur noch auf Platz zwei, der Stern führt nun die Liste mit 5,14 Mil­lionen an, nachdem er vor einem halben Jahr noch mit dem Spiegel gleichauf bei ca, 5,29 Mil­lionen lag. Auf Platz drei folgt abge­schlagen der Focus mit einer Reich­weite von 3,3 Mil­lionen, was ihn der Gesamt­wertung auf Platz 12 bringt.

Der Spiegel führt die Ver­lie­rer­liste mit einem Minus von 630.000 Lesern (das ist ein Verlust von 12 Prozent) unan­ge­fochten an. Beim Stern war das Minus mit 150.000 oder 2,7 Prozent noch recht moderat, aber der Focus hat eben­falls mit 330.000 oder 9,1 Prozent weniger Lesern stark Federn gelassen.

Das es für manche Zei­tungen wohl schon um das nackte Über­leben geht, zeigt sich bei den Sonn­tags­zei­tungen. Die „B.Z. am Sonntag“ hat in sechs Monaten 23,6 Prozent, also fast ein Viertel ihrer Reich­weite ein­gebüßt und liegt nun nur noch bei 24.000. Das dürfte kaum mehr Gewinn bringend sein.

Auch wenn Zeit­schriften es in Zeiten des Internets ohnehin schwer haben, ver­lieren längst nicht alle. Größter Gewinner ist aus­ge­rechnet die Zeit­schrift „Chip“, bei der man meinen sollte, ihre Leser­schaft würde sie nicht am Kiosk kaufen, sondern im Internet lesen. „Chip“ hat seine Reich­weite um 14,3 Prozent steigern können.

Poli­tische „Nach­rich­ten­ma­gazine“ und Zei­tungen hin­gegen ver­lieren aus­nahmslos an Reich­weite. Lediglich die FAZ konnte mit einem Verlust von 0,03 Prozent stabil bleiben, aber ihre Reich­weite ist mit 83.000 Lesern überschaubar.

Der Trend, dass Nach­rich­ten­ma­gazine massiv Leser ver­lieren, ist nicht neu. Schon im Mai 2019 haben Zahlen ergeben, dass der Spiegel im Rekord­tempo Leser und Abon­nenten ver­liert.

Anscheinend, so meine Inter­pre­tation, rächt es sich, dass die Main­stream-Medien so offen auf das gleiche und allzu durch­schaubare Nar­rativ setzen. Dass es den Spiegel besonders heftig getroffen hat, kann jeder nach seinem Gusto inter­pre­tieren. RT-Deutsch fragte in einem Artikel zu dem Thema, ob das mit der Relotius-Affäre in Ver­bindung stehen könnte. Ich bezweifle das, denn der „Relotius-Effekt“ dürfte keine Rolle gespielt haben. Die Affäre ist nun ein Jahr alt und ihr Effekt dürfte sich in den Zahlen für das erste Halbjahr 2019 nie­der­ge­schlagen haben. Für den Rückgang der Reich­weite des Spiegel ein halbes Jahr nachdem die Affäre in den Schlag­zeilen war, dürfte es andere Gründe geben.

Aber darüber will ich nicht spe­ku­lieren, das darf jeder für sich alleine oder mit seinen Freunden tun.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“