Ein Thema aus der Regenbogenpresse könnte politischen Sprengstoff enthalten. Daher will ich darauf kurz eingehen.
Aus den Meldungen der Rubrik „Stars und Sternchen“ erfahren wir derzeit von einem Streit im britischen Königshaus. Das ist eigentlich kein wirklich politisches Thema, aber in diesem Fall könnte es dazu werden. Es geht um Prinz Harry, der mit seiner Frau Meghan beschlossen hat, sich aus den Verpflichtungen des Königshauses zurückzuziehen und einen Großteil des Jahres in der Heimat seiner Frau, in Kanada, zu leben.
Das klingt nicht interessant, ist es aber vielleicht. Nicht nur, weil hier wieder ein Skandal im britischen Königshaus entstanden ist, oder weil die Briten von der königlichen Familie ein bestimmtes Verhalten erwarten. Die Umstände sind interessant und vor allem Meldungen, die man aus England dazu hört.
Offensichtlich hat Harry den Schritt in der Familie nicht angekündigt, sondern ihn auf Instagram veröffentlicht und damit die ganze Familie kalt erwischt. Das lässt – dazu muss man kein Experte sein – auf ein sehr ernsthaftes Zerwürfnis schließen. Ansonsten hätte er die Entscheidung mit der Familie abgesprochen und man hätte es in einer gemeinsamen Erklärung veröffentlicht. Das ist nicht geschehen, anscheinend redet man in der Familie nicht mehr viel miteinander. Zumindest nicht mit Harry.
Die Familie hat für Montag ein Krisentreffen angekündigt, bei dem die Queen mit den Prinzen Charles und William entscheiden will, wie damit umzugehen ist. Auch hier also wird ohne Harry gesprochen und entschieden, wobei er offensichtlich selbst gar nichts besprechen will, sonst hätte er es ja im Vorwege getan.
Was ist die politische Dimension der Geschichte?
Die britische Sun hat gemeldet, dass Harry und seine Frau Gespräche mit US-Fernsehsendern über ein mögliches Interview führen. Meghan, die Frau von Harry, wird damit zitiert, dass sie nicht länger über die Einstellungen im Königshaus schweigen kann. Es ist die Rede von Rassismus und Sexismus.
Dass die königliche Familie potenziell rassistisch ist, ist nicht unwahrscheinlich. Die Queen ist über 90 Jahre alt und sie wurde in eine Zeit geboren, in der es noch ein britisches Imperium gab, in dem sich die Briten den kolonisierten Völkern gegenüber für überlegen hielten und Rassismus war Anfang des 20. Jahrhunderts überall auf der Welt noch „Mainstream“. In dieser Zeit ist die Queen aufgewachsen und wie jeder Mensch dürfte sie von ihrer Jugend geprägt worden sein. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war es noch normal, von „Negern“ zu sprechen und auf diese Menschen herabzuschauen. Die Wissenschaft war damals sogar noch der Meinung, die Wiege der Menschheit liege in Europa, weil man sich nichts anderes vorstellen konnte.
Daher kann ein Rassismusvorwurf gegen das konservative Königshaus mit einer 93-jährigen Chefin kaum überraschen.
Meghan ist „zu allem Überfluss“ auch noch ein Mischlingskind, ihre Mutter ist eine Afroamerikanerin. Die Queen dürfte „not amused“ gewesen sein, dass ihr Enkel erstens eine Amerikanerin geheiratet hat, und dann auch noch „so eine“.
Man muss sich erinnern, dass der Onkel der Queen in den 1930er Jahren als König abgedankt hat, weil er eine geschiedene Amerikanerin heiraten wollte. Das war damals noch undenkbar und der König musste entscheiden, ob er König bleiben, oder „so eine“ heiraten wollte. Er entschied sich für die Frau und gegen die Krone. In dieser Umgebung ist die heutige Queen aufgewachsen, das hat sie geprägt.
Daraufhin wurde der Vater der Queen König, der dann früh an Krebs starb. Die Queen hat nach der Abdankung ihres Onkels jeden Kontakt zu ihm abgelehnt.
Das muss man bei dieser Geschichte im Hinterkopf haben, denn die Geschichte um ihren Onkel hat die Queen stark geprägt. Und wahrscheinlich hat sie Meghan spüren lassen, was sie denkt. Darin dürfte sich die britische Königsfamilie kaum von den meisten anderen Familien der Welt unterscheiden.
Der zweite Vorwurf hat jedoch eine politische Dimension: Sexismus.
Wir erinnern uns an den Fall Epstein und daran, dass Prinz Andrew beschuldigt wird, Sex mit minderjährigen Prostituierten gehabt zu haben, die Epstein ihm zugeführt hat. Wir erinnern uns noch an das peinliche Interview, das Andrew im November der BBC gegeben hat und das dazu geführt hat, dass er gezwungen war, das zu tun, was Harry nun freiwillig tut: von allen Ämtern zurücktreten.
Ich tue hier etwas, was ich sonst nur ungerne tue, ich spekuliere.
Ich habe nämlich schon Kommentare in englischen Medien gesehen, die besagten, dass Harry seine möglichen Interviews in US-Medien als Druckmittel nutzen könnte, um zu verhindern, dass die Familie ihn für sein Verhalten allzu sehr abstraft. Das bringt die Königsfamilie in eine Zwickmühle, denn es kommt auch in der britischen Öffentlichkeit nicht gut an, dass ein Prinz, dessen Leben bisher mit Steuergeldern finanziert wurde, einfach das Land verlässt. Noch dazu in eine ehemalige amerikanische Kolonie. Die Briten stellen gewisse Anforderungen an ihre Royals, unter anderem, dass sie in dem Land bleiben, das sie alimentiert und ihnen das Leben ermöglicht, das sie führen.
Die Königsfamilie steht also einerseits unter dem Druck der Öffentlichkeit, die eine deutliche Reaktion erwartet. Sollte Harry aber brisante Informationen haben, wäre die Familie in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Dann hätte sie die berühmte Wahl zwischen Pest und Cholera.
Die Frage ist also, ob es solche Interviews geben wird und was Harry und Meghan dort erzählen wollen. Und dabei ist besonders interessant, ob und was im Königshaus hinter den Palastmauern über den Fall Epstein und Prinz Andrew erzählt wurde.
Wie gesagt, das ist alles spekulativ, aber es könnte durchaus spannend werden. Oder auch nicht. Wir werden sehen.
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Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“