Apollo 11, Wiki­leaks & Stanley Kubrick: „Die Ver­schwörung um die scheinbar gefälschte Mond­landung!“ (+Videos)

Am 21. Juli 1969 um 3:56 Uhr MEZ betraten im Zuge der Mission Apollo 11 die ersten Men­schen den Mond: Neil Arm­strong und Buzz Aldrin.

Ich war ein Zeit­zeuge davon, weckten mich meine Eltern doch auf, um dieses his­to­rische Ereignis nicht zu ver­passen. Und ich bin bis heute dankbar dafür! In den fol­genden drei Jahren fanden fünf weitere bemannte Mond­lan­dungen des Apollo-Pro­gramms statt. Ins­gesamt betraten in den Jahren von 1969 bis 1972 zwölf US-ame­ri­ka­nische Raum­fahrer den Mond.

Aber lan­deten US-ame­ri­ka­nische Astro­nauten tat­sächlich auf dem Mond oder war alles nur eine Fäl­schung? Ein Fake, gedreht in einem Hol­lywood-Studio? Diese Ver­schwö­rungs­theorien geistern schon seit Jahr­zehnten durch ver­schiedene Gazetten und Medien. 2019 soll sogar die Ent­hül­lungs­plattform Wiki­leaks in Nevada gefilmte Mond-Landung-Szenen ver­öf­fent­licht haben.

In den knapp 12 Minuten langen Video sieht man Schwarz-Weiß Auf­nahmen einer Filmcrew, die am Set rum­scherzt und offen­sichtlich gerade die Mond­landung dreht, dabei bekommen die Astro­nauten Anwei­sungen, was sie zu tun haben. Dazwi­schen immer wieder kurze Auf­nahmen der Mond­landung, wie man sie kennt, aller­dings mit Regie­an­wei­sungen unterlegt. Oben links im Video ist dau­erhaft das Logo von Wiki­leaks eingeblendet.

Hier das Video:

https://youtu.be/3GnuiJWt_7I

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=3GnuiJWt_7I

Aber ist es wirklich so?

Mit­nichten, behaupten Kri­tiker. Denn diese Szenen stammen selbst aus einem Hollywood-Film.

Mimikama ver­öf­fent­lichte dazu:

Nun ist es aber schonmal merk­würdig, dass sich auf den Seiten von Wiki­leaks nichts über das Video finden lässt, sondern es nur auf Youtube kur­siert, quasi der Ent­hül­lungs­plattform des kleinen Mannes, der lieber Bilder sieht, als Texte zu lesen. Dort findet es sich sowohl mit einem eng­li­schen Titel als auch ohne dem Wikileaks-Logo.

Besonders Filmfans, die gerne mal einen Blick hinter die Kulissen werfen, dürfte das Gefühl beschleichen, das alles schon einmal gesehen zu haben …

Und weiter:

Sämt­liche Auf­nahmen aus dem angeb­lichen Ent­hül­lungs­video über die gefakte Mond­landung stammen aus dem Making of des Films „Unter­nehmen Capricorn”! In diesem Ver­schwö­rungs­thriller von 1978 geht es darum, dass die NASA eine Landung auf dem Mars nach­stellt, um die Öffent­lichkeit über ihre Erfolge zu täu­schen (also genau der richtige Film für Verschwörungstheoretiker).

Das Making of findet sich sowohl kom­plett als auch in zwei Teilen auf Youtube. Die Auf­nahmen daraus wurden auf schwarz-weiß getrimmt und teil­weise nur Bild­aus­schnitte genommen.

Quelle: https://www.mimikama.at/allgemein/beweist-wikileaks-die-faelschung-der-mondlandung/

Hier der Film „Unter­nehmen Capricorn“:

https://youtu.be/aG-8Tx3moQk

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=aG-8Tx3moQk

Ver­schwö­rungs­theo­re­tiker halten dagegen, beharren darauf, dass Zeugen aus dem Umfeld des „Capricorn“-Regisseurs Stanley Kubrick selbst darüber gesprochen hätten, dass dieser die Mond­landung für die NASA fil­misch fäl­schen sollte.

Hier Aus­schnitte aus der „Doku­men­tation“ „Kubrick, Nixon und der Mann im Mond“ dazu:

YouTube

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Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=I52E1EqvXkk

Dazu heißt es:

Eigentlich wollte William Karel 2001 einen Film über den ein Jahr zuvor ver­stor­benen Stanley Kubrick drehen. In Gesprächen mit dessen Witwe erfuhr er, dass Stanley Kubrick mit der NASA zusam­men­ge­ar­beitet hatte. Neben Kubrick haben auch andere Hol­lywood-Pro­du­zenten zum Erfolg des ame­ri­ka­ni­schen Raum­fahrt­pro­gramms bei­getragen, indem sie das Unter­nehmen in ihren Filmen gleichsam inszenierten.

Karel stellt die Frage: „Was wäre gewesen, wenn …? Was, wenn Nixon für den Fall, dass die Apollo-11-Mission gescheitert wäre und keine Bilder ver­fügbar gewesen wären, einen Film über die Mond­landung in Auftrag gegeben hätte?“

Er insze­niert ein doku­men­ta­ri­sches Spiel mit Tricks, Ver­wechs­lungen und Spaß am „hinters Licht führen“, eine Mischung aus Fakten, Fiktion und Hypo­thesen. Die Film- und Fern­seh­technik erlaubt es mehr und mehr, Bilder unmerklich zu mani­pu­lieren. Wie kann der Zuschauer wissen, ob es stimmt, was er sieht?

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=I52E1EqvXkk

Aller­dings handelt es sich bei der schein­baren „Doku­men­tation“ „Kubrick, Nixon und der Mann im Mond“ um eine soge­nannte Mocku­mentary von William Karel, der 2003 den Adolf-Grimme-Preis für diesen Film erhielt. 

Der Film ver­mittelt in einer Schein­do­ku­men­tation vor­geb­liche Beweise dafür, dass Stanley Kubrick im Auftrag der Nixon-Regierung die Fern­seh­be­richte der Mond­landung von Apollo 11 in einem Studio der CIA gefälscht habe.

Mocku­mentary ist ein Film­genre und die Bezeichnung für einen fik­tio­nalen Doku­men­tarfilm, der einen wahren Doku­men­tarfilm oder das ganze Genre par­odiert. Dabei werden oft scheinbar reale Vor­gänge insze­niert oder tat­säch­liche Doku­men­tar­teile in einen fik­tiven Zusam­menhang gestellt. Es ist ein geläu­figes fil­mi­sches Gen­re­mittel für Parodie und Satire und wird oft ein­ge­setzt, um ein stär­keres medi­en­kri­ti­sches Bewusstsein zu schaffen.

Der Begriff ist ein Kof­ferwort aus eng­lisch (to) mock = ‚vor­täu­schen‘ und docu­mentary = ‚Doku­men­tarfilm‘.

Mocku­men­tarys prä­sen­tieren sich z. B. oft als his­to­rische Doku­men­tar­filme aus bisher noch unver­öf­fent­lichtem Material mit talking heads, die ver­gangene Ereig­nisse erörtern oder als Cinéma vérité Leute durch ver­schiedene Ereig­nisse zu begleiten scheinen. Auch das relativ neue Genre der Doku-Soaps wird oft durch Mocku­mentary-Serien parodiert.

Die Dar­stel­lungen

  • nehmen Bezug auf wahre Gegebenheiten,
  • nehmen Bezug auf Gerüchte, mit denen manche Zuschauer bereits ver­traut sind,
  • müssen in sich kon­sistent sein, es darf keine erkenn­baren internen Wider­sprüche geben,
  • dürfen nur wider­legbare Gegen­be­weise erwähnen, andere Gegen­be­weise werden nicht erwähnt,
  • müssen aktu­ellen Kli­schees entsprechen,
  • müssen sich einfach und ver­ständlich wei­ter­erzählen lassen.

„Kubrick, Nixon und der Mann im Mond“ gibt an, die Nixon-Regierung habe das Scheitern der Apollo-11-Mission befürchtet, deren Erfolg ihre innen- und außen­po­li­tische Repu­tation ver­bessert hätte. Um im Notfall öffent­lich­keits­wirk­sames Material für die Medien in der Hin­terhand zu haben, sei man an Stanley Kubrick her­an­ge­treten, der gerade mit der Pro­duktion von 2001: Odyssee im Weltraum beschäftigt war.

Der Regisseur habe unter strengster Geheim­haltung am Set seines Films die Mond­landung mit Regie­rungs­be­amten als Dar­steller insze­niert (nebenbei sei die NASA noch von der Film­aus­stattung beein­flusst worden und habe dar­aufhin tech­nische Details ihrer Aus­rüstung neu ent­wi­ckelt). Als Gegen­leistung für seine Dienste habe Kubrick von der NASA leih­weise licht­starke Film­ob­jektive erhalten, die erfor­derlich gewesen seien, um ein­zelne Szenen von Barry Lyndon über­haupt filmen zu können. 

Nach der geglückten Apollo-11-Mission habe Nixon dann die Ver­öf­fent­li­chung des kom­pro­mit­tie­renden Mate­rials befürchtet und daher alle an den Dreh­ar­beiten betei­ligten Regie­rungs­be­amten liqui­dieren lassen. Kubrick habe sich nach England zurück­ge­zogen und seinen Landsitz aus Furcht vor Anschlägen auf sein Leben nur äußerst selten verlassen.

Als angeb­liche Zeit­zeugen kommen in Inter­views per­sönlich zu Wort:

  • Buzz Aldrin (Apollo-11-Astronaut)
  • Lois Aldrin (Ehefrau von Edwin Aldrin)
  • Law­rence Eag­le­burger (in der Nixon-Regierung Assistent des US-Sicher­heits­be­raters Henry Kissinger)
  • Farouk El-Baz (Geologe, bildete die Astro­nauten aus)
  • Alex­ander Haig (von 1974 bis 1979 NATO-Ober­be­fehls­haber in Europa)
  • Jan Harlan (Schwager und lang­jäh­riger Pro­duzent Stanley Kubricks)
  • Richard Helms (frü­herer CIA-Chef)
  • Jeffrey Hoffman (NASA-Astronaut)
  • Henry Kis­singer (US-Sicher­heits­be­rater und US-Außenminister)
  • Chris­tiane Kubrick (Ehefrau/Witwe Stanley Kubricks)
  • Donald Rumsfeld (Assistent des US-Prä­si­denten Nixon und spä­terer Ver­tei­di­gungs­mi­nister der USA)
  • Vernon Walters (Son­der­bot­schafter der Nixon-Regierung und später stell­ver­tre­tender Direktor des CIA)

Diese Per­sonen sind von Karel mit vagen Fra­ge­stel­lungen zu Stanley Kubrick, seinem Film, zur NASA oder zur Mond­landung inter­viewt worden. Über die eigent­liche Zweck­be­stimmung der Inter­views waren sie nicht im Bilde. 

Darüber hinaus sind Inter­views mit einer Reihe von Per­sonen, so etwa Kubricks Witwe, insze­niert worden, die angeb­liche Zeit­zeugen dar­ge­stellt haben. Dar­unter Namen, die an Figuren aus Kubrick-Filmen erinnern: Zum Bei­spiel David Bowman (Astronaut in 2001: Odyssee im Weltraum), Jack Tor­rance (Rol­lenname des Haupt­dar­stellers in The Shining) und Dimitri Muffley (eine Kom­bi­nation der Namen des sowje­ti­schen Gene­ral­se­kretärs und dem des US-Prä­si­denten in Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben). Weitere angeb­liche Zeit­zeugen tragen Namen aus Filmen von Alfred Hitchcock: Eve Kendall (weib­liche Haupt­figur in Der unsichtbare Dritte) und Ambrose Chapel (ein wich­tiger Ort in Der Mann, der zuviel wußte (1956)). Als angeblich Betei­ligter wird ein CIA-Agent namens George Kaplan genannt (ein fik­tiver CIA-Agent in Der unsichtbare Dritte). Ein wei­terer angeb­licher Zeit­zeuge ist ein New Yorker Rab­biner namens W.A.Konigsberg, eine Anspielung auf Allan Stewart Konig­sberg, den bür­ger­lichen Namen von Woody Allen.

Stanley Kubrick war drei Jahre vor Ent­stehung des Mocku­mentary ver­storben, was die Prä­misse für die Pro­duktion schuf. Inter­views mit ihm sind nicht im Film ent­halten. Sein Umzug nach England fand bereits in den frühen 1960er Jahren statt, sein Landsitz war zugleich Wohn- und Arbeits­stätte. Die Objektive der Film­ka­meras für Barry Lyndon waren bau­gleich mit denen, die für die NASA ent­wi­ckelt worden waren, stammten aber nicht aus ihren Beständen. Hierbei han­delte es sich um ein extrem licht­starkes Objektiv von Carl Zeiss, das Planar 0,7/50 mm.

Der Film macht außerdem Gebrauch von fol­genden Manipulationsmöglichkeiten:

  • Es werden Inter­views mit echten und bekannten Per­sön­lich­keiten gezeigt (z. B. Rumsfeld, Kis­singer), aber auch Inter­views mit Schau­spielern, die erfundene Rollen spielen.
  • Die Inter­views werden in sehr kurzen, raf­fi­niert aus­ge­wählten Schnipseln anein­an­der­gefügt, sodass sie durch den anderen Zusam­menhang eine völlig neue, vom Inter­viewten nicht beab­sich­tigte Bedeutung bekommen.
  • Bei Inter­views in Sprachen, die den Zuschauern fremd sind, stimmen die Unter­titel oder die Syn­chro­ni­sation inhaltlich nicht mit den tat­säch­lichen Aus­sagen des Inter­viewten überein.
  • Die Prä­sen­tation ver­mischt authen­tische Ton- und Bild­auf­nahmen mit unwahren Aus­sagen, die von einer als auto­ri­tativ wahr­ge­nom­menen Erzähl­stimme gesprochen werden und mit abge­stimmter Musik untermalt sind.
  • Die Tat­sache, dass einer der Inter­viewten (Vernon Walters) kurz nach dem Interview starb, wird als Beweis für eine Ver­tu­schung dargestellt.

Weitere Quellen:

StanleyKubrick.de (Memento des Ori­ginals vom 23. Dezember 2011 im Internet Archive)  News­letter No. 7, Juni 2004 „1. Objekt des Monats: das Zeiss-Objektiv f/0.7“

Kubrick, Nixon und der Mann im Mond. In: Lexikon des inter­na­tio­nalen Films. Zweitausendeins

Christoph Seidler: Landung chi­ne­si­scher Sonde: Der „Jadehase“ beginnt seine Erkun­dungs­fahrt. In: Spiegel Online. 14. Dezember 2013

China, Russia, Europe to jointly explore plan for research station on Moon. In: Xinhua.net. 22. Juli 2019

Charles L. Cassady: Video­hounds Reality Check: Docu­men­taries, Mocku­men­taries and Related Films. Visible Ink Press, Canton 2007

Craig Hight: Tele­vision mocku­mentary. Refle­xivity, satire and a call to play. Man­chester Univ. Press, Man­chester 2010

Christian Hiß­nauer: Mög­lich­keits­SPIEL­räume. Fiktion als doku­men­ta­rische Methode. Anmer­kungen zur Semio-Prag­matik fik­tiver Doku­men­ta­tionen. In: MEDI­EN­wis­sen­schaft, Heft 1/2010.

Alex­andra Juhasz, Jesse Lerner (Hrsg.): F is for Phony. Fake Docu­mentary and Truth’s Undoing. Uni­versity of Min­nesota Press, Min­nea­polis 2006

Carolin Lano: Die Insze­nierung des Ver­dachts. Über­le­gungen zu den Funk­tionen von TV-Mocku­men­taries. Ibidem-Verl. (Film- und Medi­en­wis­sen­schaft, 15), Stuttgart 2011

Fabian Probst: Filme, die lügen: Mocku­men­taries. For­gotten Silver als Bei­spiel einer hybriden Form zwi­schen Fiktion und Nicht­fiktion. In: Kor­nelia Imesch (Hrsg.): Mit Klios Augen. Das Bild als his­to­rische Quelle. Athena-Verlag, Ober­hausen 2013, S. 219–236.

Maren Sextro: Mocku­men­taries und die Dekon­struktion des klas­si­schen Doku­men­tar­films. In: Ber­liner Schriften zur Medi­en­wis­sen­schaft. Nr. 10/2009, Berlin 2009

Jane Roscoe, Craig Hight: Faking it. Mock-docu­mentary and the sub­version of fac­tuality. Manchester/New York 2001

Gary D. Rhodes (Hrsg.): Docu­fic­tions. Essays on the inter­section of docu­mentary and fic­tional film­making. McFarland, Jef­ferson, NC 2006


Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de