Vor­sit­zende des Deutsch-Israe­li­schen-Arbeits­kreises unter Dauerbeschuss

„Sabine“ hieß der letzte Sturm, gegen Simone einer aus anderer Richtung — Worin unter­scheiden oder ähneln sich der „Juden­staat“ Israel und Deutschland?

(von Albrecht Künstle)

 Seit dem Jahr 1974 gibt es den Deutsch-Israe­li­scher-Arbeits­kreis Süd­licher Ober­rhein e.V. (DIA). Nach 44 Jahren wurde 2018 Simone Schermann zur Vor­sit­zenden gewählt – eine (säkulare) Jüdin aus Deutschland. Deren Familie hat wie so viele eine schlimme Geschichte, die in Yad Vashem doku­men­tiert ist. Die neue Vor­sit­zende trat ihr Amt an mit dem Wunsch, ohne wenn und aber an der Seite Israels zu stehen. Und seither hängt in dem Verein der Haus­segen schief. Der vorige Vor­sit­zende und wenige andere traten aus, oppo­nieren aber weiter mit Unter­stützung der Lokal­presse, allen voran die Lahrer Zeitung, pene­trant von außen. Und schicken einen Gegen­kan­di­daten für die nächste Wahl ins Rennen, welcher der Vor­sit­zenden Rechts­ra­di­ka­lismus(!) und zugleich Isra­el­hö­rigkeit vorwirft.

Die Frage, ist Anti­se­mi­tismus „nur“ Judenhass hier­zu­lande oder auch Isra­el­feind­lichkeit, ver­an­lasste mich zu ergründen, was denn Israel so ver­werflich macht und von unserem Deutschland unter­scheidet. Hier einige Vergleiche. 

NEU!!! Hier bestellen!

Israel und Deutschland haben wie wenige Länder der Welt keine Ver­fassung, nur ein Grund­gesetz. Wir haben eines, Israel hat elf und eine Unab­hän­gig­keits­er­klärung. Beide Staaten wurden in einem Mai gegründet, die Bun­des­re­publik 1949, Israel schon ein Jahr vorher.

Israel und Deutschland sind beide Demo­kratien, wobei es einen Unter­schied gibt: Wir sind „umzingelt“ von eben­falls demo­kra­ti­schen Ländern, Israel nur von aus­schließlich auto­ri­tären Isla­mi­schen Staaten und dem Meer. Den „Juden­staat“ Israel würden sie gerne „ins Meer werfen“ – wenn sie könnten.

Israel und Deutschland sind säkulare Länder mit Reli­gi­ons­freiheit. Wie bei uns gibt es dort zwar eine reli­giöse (?) Mehr­heits­gruppe. Bei uns sind das (noch) die Christen, in Israel Juden von Geburt, die drei Viertel der Bevöl­kerung aus­machen. Aber in beiden Ländern spielt die Mehr­heits­re­ligion keine domi­nie­rende Rolle, weil die Hälfte davon säkular ori­en­tiert ist. Wir haben keinen Christ­lichen Staat und in Israel keinen „Juden­staat“, auch wenn Theodor Herzl einen solchen wollte.

In Israel und Deutschland leben viele Migranten und behalten ihre Kultur – teil­weise über Gebühr. In Israel sind es 21 Prozent mus­li­mische Araber. Inter­essant ist, dass diese lieber im „Fein­desland“ Israel leben als in ihren Nach­bar­ländern. Nicht anders bei uns; trotz der gebets­müh­len­ar­tigen Dis­kri­mi­nie­rungs­vor­würfe sind die Migranten lieber bei uns als in ihren Hei­mat­ländern. In Deutschland kommen zu Arabern noch sun­ni­tische Türken, schii­tische Perser, Ahma­diyyas aus Pakistan, Hindus aus Indien, Bud­dhisten aus Fernost, Allerlei aus Afrika und Volks­zu­ge­hörige mit anderen Reli­gionen hinzu. Israel wird oft „Schmelz­tiegel“ genannt, was sind dann wir? Jeden­falls sind beide Länder sehr „bunt“.

Israel und Deutschland haben einen enormen Bevöl­ke­rungs­zu­wachs zu ver­zeichnen. Es sind Hun­dert­tau­sende im Jahr, in Israel relativ gesehen noch mehr. Aber hierin gibt es einen bemer­kens­werten Unter­schied. In Israel wandern Juden zu, die es z.B. in Frank­reich, aber auch bei uns, immer schwerer haben. In Deutschland nicht, sondern jene kommen, die den Juden in aller Welt das Leben schwer machen. Und innerhalb der beiden Länder sorgen die Nicht-Ein­hei­mi­schen für zusätz­liches Bevöl­ke­rungs­wachstum. Bei uns sind es die Muslime aller Rich­tungen. In Israel die ara­bi­schen Familien, aber auch jüdisch Orthodoxe.

In beiden Ländern gibt es Aramäer, also Ange­hörige des Urchris­tentums. In Israel wurden diese Aramäer 2014 als eigene Bevöl­ke­rungs­gruppe aner­kannt. Deutschland dagegen nimmt das Hun­dert­fache an Mus­limen auf, welche Aramäer in ihren Hei­mat­ländern verfolgten.

Israel und Deutschland haben Sol­daten außerhalb ihres Staat­ge­bietes. Israel wird gerne als Inter­ven­ti­ons­macht hin­ge­stellt, aber es beschränkt sich dabei auf Nie­mandsland auf der Westbank. Deutschland hat Sol­daten in Afgha­nistan, Irak, Jor­danien, Mali… Viel­leicht ver­teidigt Israel seine Freiheit dort eben­falls, wie wir es am Hin­du­kusch tun?

Deutschland lebt mit seinen euro­päi­schen Nachbarn in Frieden – dank seiner kul­tu­rellen Wesens­ver­wandt­schaft. Auch die großen Kon­fes­sionen pflegen die Ökumene. Nur innerhalb des Landes beginnt ein anderer Kon­flikt – zwi­schen den unter­schied­lichen isla­mi­schen Aus­prä­gungen, zwi­schen Schiiten, Sun­niten, Ale­viten, welche die Polizei aber noch im Griff hat.

Israel dagegen wird immer wieder vom Gaza­streifen aus mit (kleinen) Raketen beschossen, die aber nicht nur großen Schaden anrichten, sondern auch Men­schen­leben fordern. Große Raketen drohen aus dem Iran, dem unser (?) Bun­des­prä­sident zur Isla­mi­schen Revo­lution gra­tu­lierte. Doch Israel reagiert mit Luft­schlägen gegen die Angriffs­ziele, es kann keine NATO anrufen.

Würde Deutschland mit solchen Raketen beschossen, würde viel­leicht überlegt, was wir wieder falsch machten und die Parole aus­ge­geben, „die werden sich schon was dabei gedacht haben“. Aber selbst, wenn ein solcher Rake­ten­be­schuss als feind­licher Angriff ver­standen würde, wäre unsere Bundes(ab)wehr (?) kaum in der Lage oder willens, solchen Angreifern das Handwerk zu legen. 

Weil es aber zwi­schen Israel und Deutschland mehr poli­tische und kul­tu­relle Über­ein­stimmung gibt als Gegen­sätze, stellt sich die Frage, was finden die Gegner der DIA-Vor­sit­zenden Schermann an ihr und an Israel so ver­werflich? Kann es sein, dass diese nicht nur mit der ein­hei­mi­schen Jüdin und Israel, sondern auch mit unserem Land und dieser Kultur auf Kriegsfuß stehen? „Fragen über Fragen“, hätte Bertold Brecht geschrieben. 

Ein Trost bleibt: Die Schermann-Gegner in Lahr schießen nicht mit Raketen, sondern nur mit „Gift­pfeilen“. Bleibt abzu­warten, welche Geschütze sie in der nächsten Eska­la­ti­ons­stufe auf­fahren. Und ob die Lokal­presse wei­terhin die Munition liefert.