Fall Assange: Whist­le­b­lo­werin Manning begeht in Haft Selbstmordversuch

Die Whist­le­b­lo­werin Manning hat in Haft einen Selbst­mord­versuch unter­nommen. Das zeigt, welches Schicksal auch Julian Assange blühen könnte.

Manning hat 2010 Wiki­Leaks Hun­dert­tau­sende geheime Mili­tär­do­ku­mente zukommen lassen, die US-Kriegs­ver­brechen bewiesen haben. Anstatt jedoch die Kriegs­ver­brecher in den Reihen der US-Armee zu bestrafen, wurde Manning zu 35 Haft ver­ur­teilt, 2017 aber von Prä­sident Obama begnadigt.

Aber die Begna­digung war wenig wert, denn seit Mai 2019 sitzt sie wieder in Haft. Sie sollte gegen Assange aus­sagen und hat die Aussage ver­weigert. Dar­aufhin wurden hohe Strafen gegen sie ver­hängt und sie sitzt seitdem de facto in Ein­zelhaft. Ein­zelhaft ist jedoch über einen langen Zeitraum eine Form der psy­chi­schen Folter, die auch gegen Assange selbst ange­wendet wird.

Die Folgen sind sowohl bei Assange, als auch bei Manning sichtbar. Assange ist bei Gerichts­ver­hand­lungen nur noch ein Schatten seiner selbst und Manning leidet unter Depres­sionen und Panik­at­tacken. Diese Fol­ter­vor­würfe stören jedoch nie­manden im Westen. Für Kri­tiker des Systems gelten die Men­schen­rechte im Westen offen­sichtlich nicht.

Manning hat den Selbst­mord­versuch überlebt und soll am Freitag plan­mäßig zu einer gericht­lichen Anhörung erscheinen.

Zu Assange selbst gab es vor einigen Tagen ein bemer­kens­wertes Interview im Spiegel. Der Spiegel hatte Sevim Dagdelen inter­viewt. Die Abge­ordnete der Linken hat den Pro­zess­auftakt gegen Assange in London beob­achtet. Sie sprach von einem Schauprozess.

Bemer­kenswert war das Interview deshalb, weil Dagdelen alles das sagen durfte, was die Kri­tiker des Ver­fahrens gegen Assange vor­bringen. Mir ist generell auf­ge­fallen, dass der Spiegel zu Assange nie ein eigenes Wort der Kritik schreibt, aber doch immer wieder Inter­view­partner die Dinge sagen lässt, die gesagt werden müssen.

Da der Spiegel sonst nicht so schüchtern ist, wenn es zum Bei­spiel darum geht, Ver­stöße gegen Men­schen­rechte in Russland oder anderen „Feind­staaten“ anzu­prangern, wirft das den Ver­dacht auf, dass man in der Spiegel-Redaktion eigentlich gerne Partei für Assange ergreifen möchte, sich aber nicht traut. Würde der Spiegel sich zu Assange genauso deutlich äußern, wie er es zum Bei­spiel im Sommer 2019 bei dem Fall des rus­si­schen Jour­na­listen Golunow getan hat, dürfte die Redaktion wohl ein paar Pro­bleme bekommen. Aber die Situation von Assange ist ungleich schlimmer, als es die von Golunow zu irgend­einem Zeit­punkt war.

Daher lässt der Spiegel im Fall Assange Inter­view­partner die Wahr­heiten aus­sprechen, die sich die Spiegel-Redaktion selbst sich nicht zu schreiben traut.

Das ist natürlich nur meine Ver­mutung und ich kann falsch liegen, denn belegen kann ich sie nicht. Aber das deut­liche Muster, das sich bei diesem Fall in Spiegel-Artikeln beob­achten lässt, deutet klar in diese Richtung.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“