Nachlese zum Tod von Dr. Thomas Schäfer – es tauchen Zweifel am Selbstmord auf

Ein Selbstmord berührt jeden füh­lenden Men­schen. Wie ver­zweifelt muss diese Seele gewesen sein, wie gott­ver­lassen, dass nur noch die Flucht aus dem uner­träg­lichen Leben als einzige Lösung erscheint?  Ein schluch­zender Minis­ter­prä­sident Volker Bouffier demons­trierte Mensch­lichkeit. Man ver­stummt und es gilt als pie­tätlos, diese per­sön­liche Tra­gödie zu hin­ter­fragen. Doch man findet immer mehr Hin­weise, dass es Gründe gibt, die eher auf einen Mord, denn auf einen Selbstmord deuten.

Das Internet ver­gisst nichts. Man findet die alten Spuren schnell. Und die allzu eil­fertige Löschung der Meldung des Spiegels, Dr. Schäfer habe einen Abschieds­brief hin­ter­lassen, in dem er von „Aus­sichts­lo­sigkeit“ in Bezug auf Wirt­schaft und Gesell­schaft geschrieben haben soll, machte stutzig. Seit wann werden denn Abschieds­briefe zen­siert? Und inwiefern wäre darin eine „Ver­schwö­rungs­theorie“ des Spiegels zu sehen?

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Auch die Per­sön­lichkeit Dr. Schäfers passt so gar nicht in das Muster eines Selbst­mordes aus Aus­weg­lo­sigkeit. Die Erklärung des hes­si­schen Minis­ter­prä­si­denten Bouffier, Dr. Schäfer habe es so schwer zu schaffen gemacht, dass er viel­leicht die Erwar­tungen der Men­schen, für ihre Ver­luste durch die Corona-Qua­rantäne ent­schädigt zu werden, nicht werde erfüllen können, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah, ist bei näherer Betrachtung wenig glaubwürdig.

Denn noch eine Woche vorher hatte Dr. Schäfer im hes­si­schen Landtag wie ein Leuchtturm an Zuver­sicht und Taten­drang gewirkt. Er sah die Bewäl­tigung der Corona-Krise als eine Jahr­hundert-Aufgabe und den „Anfang einer unbe­kannten Dimension“ und meinte froh­gemut: „Ich bin zuver­sichtlich, dass wir gute Chancen haben, das zu bewäl­tigen.“

Von Depression, Mut­lo­sigkeit und Ver­zweiflung spricht das nicht. Außerdem war der ver­storbene hes­sische Finanz­mi­nister durchaus schneidig im Umgang mit hohen Geld­summen und scheute auch nicht ris­kante Manöver mit Steu­er­geldern. Die „Welt“ schrieb im Oktober 2018: 

„Finanz­mi­nister Thomas Schäfer hatte mit Finanz­de­ri­vaten auf stei­gende Zinsen gewettet – und sich ver­zockt. Neue Ver­öf­fent­li­chungen zeigen das Ausmaß der Steu­er­ver­schwendung. (…) Recherchen von WELT und WELT AM SONNTAG hatten im Sommer auf­ge­deckt, wie Hessens Finanz­mi­nister Thomas Schäfer (CDU) und seine Mit­ar­beiter durch unge­schickte Zins­wetten Hun­derte Mil­lionen von Steu­er­geldern ver­schwendet hatten. Bislang ließ sich der Schaden nur grob schätzen. Neue Berech­nungen von WELT zeigen nun, dass sich die bislang rea­li­sierten Mehr­aus­gaben auf über drei Mil­li­arden Euro belaufen. (…) Es handelt sich dabei um Steu­er­gelder, die ansonsten viel­leicht für Kitas, Schulen, Straßen oder Inte­gra­ti­ons­kurse aus­ge­geben worden wären.“ 

Diese Sache ist noch längst nicht aus­ge­standen. Insider sind der Meinung, dass da mög­li­cher­weise noch einige Leichen im Keller liegen könnten. Die drei Mil­li­arden Euro sind mög­li­cher­weise nicht alles. Und das ist schon mehr als genug. Nimmt Dr. Schäfer viel­leicht sehr belas­tende und wichtige Infor­ma­tionen mit ins Grab? Lässt der Crash an der Börse viel­leicht noch ein paar desas­tröse Hoch­risiko-Derivate des hes­si­schen Finanz­mi­nis­te­riums platzen und ans Licht kommen?

Ande­rer­seits: Wir haben schon so viele Finanz-Fehl­leis­tungen unserer Poli­tiker gesehen, Pleiten von ganzen Lan­des­banken, den ESM und den Ruin der Wirt­schaft aus grüner Ideo­logie … die Liste wäre lang. Ein Mann wie Dr. Schäfer hätte das auch noch weg­ge­steckt. Viel­leicht nicht einmal allzu großen Schaden genommen.

Es gibt aller­dings noch einen anderen, mög­lichen Zusam­menhang, den der Jour­nalist Yavuz Özoguz in einem Beitrag auf Muslim Markt beleuchtet: Den NSU-Komplex. Was niemand mehr so richtig auf dem Schirm hat, ist, dass Dr. Schäfer auch hierin ver­wi­ckelt war. Er bekleidete zu dieser Zeit den Posten des hes­si­schen Jus­tiz­staats­se­kretärs. Er ist damals, 2016, vor dem NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss ver­nommen worden.

Die Frank­furter Rund­schau schrieb sei­nerzeit:

„Der damalige Staats­se­kretär Schäfer hatte im Sommer 2006 das Minis­terium weit­gehend geführt, da Minister Jürgen Banzer (CDU) erkrankt war. In dieser Zeit tele­fo­nierte Schäfer nach eigenen Angaben mit dem dama­ligen Innen­mi­nister und heu­tigen Minis­ter­prä­si­denten Volker Bouffier (CDU), um zu klären, wie schwer die Bedenken des Ver­fas­sungs­schutzes gegen eine direkte Ver­nehmung von Temmes V‑Leuten wogen.

Bouffier habe gesagt, dass es ‚durchaus gewichtige Argu­mente geben könnte, eine solche Sper­rer­klärung abzu­geben‘, erin­nerte sich Schäfer. Dar­aufhin habe er seine Mit­ar­beiter gebeten, dafür zu sorgen, dass der Schutz der Ver­fas­sungs­schutz­quellen nicht durch die Ermitt­lungen gefährdet werde – etwa durch besondere Vernehmungsverfahren.“

Wie viel Minis­ter­prä­sident Volker Bouffier damals Dr. Schäfer an Hin­ter­gründen zu dem Geheim­dienstmann Andreas Temme und dem NSU-Komplex mit­ge­teilt hat, ist nicht bekannt. Davon, dass Dr. Schäfer aber voll­kommen unbe­teiligt und ahnungslos war, ist nicht auszugehen.

Yavuz Özuguz fasst noch einmal die Gescheh­nisse um die mys­te­riöse Gestalt Temme und rund um die NSU-Affäre zusammen, ein­schließlich der Ver­bindung zum Mord am Kas­seler Regie­rungs­prä­si­denten Walter Lübcke:

„Bereits im Jahr 2017 berichtete Tele­polis über die unge­wöhnlich lange Liste der Zeugen im NSU-Prozess, die umge­kommen sind. Und der Mord an dem hes­si­schen Poli­tiker Walter Lübcke liegt auch nicht lange zurück und soll noch einmal auch im Zusam­menhang mit NSU unter­sucht werden. Gleich zwei ermordete hes­sische Poli­tiker in so kurzer Zeit wäre wirklich zu viel.

Dabei dreht sich vieles um einen Ex-Ver­fas­sungs­schützer. Im Fokus der NSU-Ermitt­lungen steht der Name Andreas Temme. Er gilt als Schlüs­sel­figur bei der Auf­klärung des Mordes an Halit Yozgat. Temme war zur Tatzeit der Ermordung Halit Yozgats in dessen Inter­netcafé. Er hatte das Inter­netcafé nur wenige Sekunden nach dem Mord ver­lassen und sich später nicht bei der Polizei gemeldet. Er sagte später aus, er habe beim Ver­lassen des Inter­net­cafés den ver­blu­tenden Halit Yozgat hinter dem Tresen nicht gesehen. Bei einer Woh­nungs­durch­su­chung fand man bei Temme eine Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ und sei­ten­lange hand­schrift­liche Abschriften daraus.

Das Pikante dabei ist: Der damalige Jus­tiz­staats­se­kretär und spätere Finanz­mi­nister Thomas Schäfer habe damals die neue Beschäf­tigung für Temme vor­ge­schlagen, sagte der Linken-Abge­ordnete Hermann Schaus im Gespräch mit der Zeitung Hes­sische Nie­der­säch­sische All­ge­meine. Es gab offen­sichtlich auch Ver­bin­dungen zwi­schen Andreas Temme und dem mut­maß­lichen Lübcke-Mörder Stephan Ernst. Erstaunlich dabei ist, dass jener Temme mitt­ler­weile im Kas­seler Regie­rungs­prä­sidium arbeitet. 

Yavuz Özoguz bemerkt zu Recht, wie auf­fällig ruhig es in den Qua­li­täts­medien um diese Ver­bin­dungen in die NSU-Affäre bleibt. Ein ein­stim­miges, tiefes Schweigen: „Kein ein­ziger der Nachrufe von Pres­sti­tu­ierten der Sys­tem­presse geht auf diesen Umstand ein. Das könnte die richtige Such­richtung sein.“