Die Innen­städte sterben und mit ihnen das Stadt­leben – aber die Politik redet von mehr Mas­ken­zwang und neuem Lockdown

Bottrop, Düs­seldorf, München, Hamburg, Osna­brück – wo man auch hin­schaut, in den Geschäften ist nicht viel los. Einsam laufen ein paar Leute darin herum, aber nicht lange. Shoppen macht keinen Spaß mit Maske und in fast leeren Geschäften. Und geht man durch die Ein­kaufs­straßen, sinkt die Bummel- und-Ein­kaufs­laune noch weiter gegen Null. Im Durch­schnitt ist jedes achte Geschäft schon geschlossen, manche davon mit Brettern ver­bar­ri­ka­diert. Da kommt statt Kauf­laune End­zeit­stimmung auf. Und die richtige Insol­venz­welle kommt erst noch.

Das Han­dels­blatt macht seinen Artikel hierzu mit einem Blick in die Fuß­gän­gerzone einer Stadt in Hessen. Es ist mitten an einem Werktag und niemand ist zu sehen. Kein Fuß­gänger, keine Schau­fens­ter­bummler. „The Day after“ Corona, es wirkt wie ausgestorben.

Das Han­dels­blatt lässt den geschäfts­füh­renden Gesell­schafter eines bekannten Sport­hauses in der Osna­brücker Innen­stadt zu Wort kommen. Er hat 30 Mil­lionen in dieses Haus inves­tiert, zum Bei­spiel in ein rie­sen­großes Was­ser­becken, in dem die Kunden im Sporthaus surfen können, um die Surf­bretter aus­zu­pro­bieren. Allein solche Attrak­tionen zogen Inter­es­senten und Kunden aus der wei­teren Umgebung an, sogar aus ganz Deutschland und Nach­bar­ländern. Pro Jahr zählte das riesige Mode- und Sporthaus so viele Besucher wie der Eifelturm: Sechs Millionen.

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Das war einmal. Das Sporthaus ist geschlossen. Geschäfts­führer Mark Rau­schen trifft die Stimmung: „Es ist zur Zeit gespens­tisch in der Innen­stadt“ beschreibt er die Situation. Und es wird noch viel schlimmer kommen, wissen Geschäfts­leute und Gas­tro­nomen. Ab Herbst wird eine zer­stö­re­rische Insol­venz­welle durch die Ein­kaufs­straßen der Städte branden.

Die Tris­tesse wird infek­tiöser sein als „Corona“ es je sein könnte. Wegen der geschlos­senen Ein­zel­han­dels­ge­schäfte werden noch weniger Leute in die Innen­städte kommen, da keine Kauf­laune auf­kommt. Man braucht sich nur die Kunden im Super­markt anzu­schauen, die ein­kaufen müssen, damit sie etwas zu essen daheim haben. Sie hängen sich ent­weder wider­strebend beim Betreten die Stoff­maul­körbe um und reißen sie sofort her­unter, sobald sie draußen sind – oder sie gehören zu den Schafen, die sich täglich den RKI-Corona-Angst­porno rein­ziehen und schon mit Maske im Auto ange­fahren kommen. Eines ist beiden Gruppen gemeinsam: Sie laufen zügig durch die Regal­reihen, an den Kühl­re­galen entlang und nix wie raus. Selten sieht man mehrere zusammen ein­kaufen, schon gar nicht Ver­gnügen beratend, was man denn kochen will, ob denn die Son­der­po­si­tionen inter­essant sind … Ein neuer Sekt­kühler für‘s Wochenende? Oder einen neuen Gar­ten­schlauch? Nein. Fast jeder rennt allein so schnell wie möglich durch.

Genau das wird der Tod der Innen­städte sein. Wer will da bummeln gehen zwi­schen geschlos­senen  und ver­ram­melten Läden oder halb­leeren Geschäften, in denen Ver­käufer und Laden­be­sitzer ver­zweifelt die Kunden beob­achten, ob sie denn was kaufen. Und wer will dann noch „gemütlich was essen gehen“ am Ende eines „schönen Ein­kaufs­bummels“? Man kann nicht gemütlich essen gehen, wenn das Restaurant halbleer ist, die Kellner in ihren Masken wie Ter­ro­risten und Bank­räuber aus­sehen und man sich fragt, was das denn eigentlich bringen soll, unbe­dingt mit Maske bis zum Tisch und da darf man sie dann aus­ziehen, weil essen nun mal nicht mit Maske geht. Zur Toi­lette wieder den „Goschn­fetzen“ – wie der Öster­reicher lie­bevoll sagt – auf­ziehen, denn dann ist „Corona“ plötzlich wieder anste­ckend, am Tisch nicht.

Zwei Drittel der Gast­stätten und Hotels könnte dicht machen, fürchtet die Stan­des­or­ga­ni­sation Dehoga und dürfte damit kaum falsch liegen. Und auch das wird die Innen­städte noch unat­trak­tiver machen. Eine sich selbst ver­stär­kende Spirale der „gespens­ti­schen Ver­las­senheit der Innen­städte“. Der Mensch ist ein gesel­liges Wesen. Er tummelt sich gern dort, wo viele sind. Er möchte nicht einsam durch die Gassen gehen und die Blicke der Laden­be­sitzer im Rücken spüren.

Und es gibt noch einen zweiten Grund: Die Politik mit ihrem Coronoia-Wahn winkt immer noch mit einem zweiten Lockdown. Es ist nicht so, als dass die Leute nicht darüber nach­dächten, was ihnen dann pas­sieren könnte. Ca. 10 Mil­lionen sind in Kurz­arbeit und viele davon werden Arbeitslose werden, Aber auch die, die nicht in Kurz­arbeit sind fürchten, es könnte auch sie treffen. Fazit: Das Geld sitzt nicht mehr so locker. Die Leute ver­suchen, sich auf Schlim­meres vorzubereiten.

Die Münchner Tages­zeitung titelt daher: „Münchner Innen­stadt stirbt durch Corona immer schneller“. Titelbild ist ein Anblick, den man jetzt überall in den Städten sieht: Ein geschlos­senes Laden­ge­schäft mit Papier­ab­de­ckung in den Fenstern, auf denen zu lesen steht, dass diese Laden­fläche zu mieten ist und die Tele­fon­nummer. Geschlossene Waren­häuser, ver­ram­melte Schau­fenster, der Ein­zel­handel in München stirbt, sorgt sich die Münchner „tz“. Die Geschäftswelt stehe offenbar vor einer dau­er­haften Veränderung.

Viele Ein­zel­han­dels­ge­schäfte haben den Kampf um ihre Existenz schon ver­loren. Die Mode­zeile in der Neu­hauser Straße wird immer leerer. Selbst­läufer unter den Mode­marken, bis dato eine sichere Bank für den Erfolg, geben auf. S.Oliver und Esprit, Desigual, H&M usw. schließen ihre Läden. Auch der Kaufhof-Galeria am Stachus wird dicht­machen. Wer will da noch in die Innen­stadt? Und die wenigen, die es noch unter­nehmen, schauen, dass sie schon nach­mittags wieder schnell den Heimweg antreten, denn dann sind doch wieder Grüppchen „junger Männer“ unterwegs, deren Unmut man besser nicht auf sich zieht.

Die Struktur der Innen­städte wird sich radikal ändern. Durch die Leer­stände sinken die Laden­mieten bald enorm. Die Immo­bi­li­en­be­sitzer werden kaum eine Wahl haben und ent­weder wesentlich bil­liger ver­mieten oder ver­kaufen. Das wie­derum wird neue Inter­es­senten gene­rieren. IKEA überlegt, in der Münchner Innen­stadt zu starten. Noch ist nicht klar, ob es ein kleiner „Flagship-Store“ sein wird oder ein Sechzehntausend-Quadratmeter-Laden.

Die Flagship-Store-Methode könnte ein Ausweg für große Han­dels­ketten werden, wie es scheint. Bei nied­ri­geren Laden­mieten kommt es nicht darauf an, dass der Laden sich trägt. Er soll nur eine kleine Auswahl zeigen, um Lauf­kund­schaft zu ani­mieren, das Online-Angebot genauer zu stu­dieren. Denn Online boomt und viele Kunden würden nur gern mal einen Blick auf ein paar Artikel in natura werfen, um sich ein Bild davon zu machen, wie die Pro­dukte tat­sächlich aussehen.

Was eine Innen­stadt mit haupt­sächlich nur „Schau­fens­ter­läden“ für eine Zukunft haben könnte, das weiß noch niemand.

Die För­der­pro­gramme der Regierung laufen jetzt im Sep­tember aus. Sehr bald werden wir wissen, wie viele Gefallene der Ein­zel­handel zu beklagen hat. Jetzt schon sind weit über 1000 Filialen von Ein­zel­han­dels­un­ter­nehmen geschlossen, es drohen noch mehrere Tausend dazu zu kommen. Aber die Insol­venzen der Ein­zel­händler schlagen in der Folge noch eine weitere, tiefe Kerbe in die Wirt­schaft: Kann der Handel seine Waren nicht ver­kaufen, gehen auch die Her­steller dieser Waren in die Knie. Sie können ihre Pro­dukte nicht mehr an die Händler absetzen und schlittern eben­falls in die Insolvenz.

Daher haben sich schon im April dieses Jahres in der Mode­branche viele Firmen, die immer Kon­kur­renten waren und der Bun­des­verband des deut­schen tex­tilen Ein­zel­handels zusam­men­ge­schlossen. Sie sind in Sorge um ihre Händler. Sie haben ein The­sen­papier zusammen ver­fasst und fordern nun von der Politik Taten. Das über­ge­ordnete Ziel sei, so das Papier, die Erhaltung vitaler Innen­städte mit ihrer Mischung „aus Ein­zel­handel, Gas­tro­nomie und kul­tu­rellen Ein­rich­tungen“. Kredite würden nicht mehr aus­reichen, wenn man eine Insol­venz­welle „noch nie dage­we­senen Aus­maßes“ ver­hindern wolle. Es gehe um die Erhaltung von 440.000 Arbeits­plätzen allein im Ein­zel­handel auf dem Gebiet von Kleidung, Sport­ar­tikeln, Schuhen und anderen Lederwaren.

Seitdem ist die Lage nicht besser geworden. Man geht von Umsatz­ein­bußen von bis zu 50 Prozent aus. Während die Mieten im Woh­nungs­markt kei­nerlei Anzeichen zeigen, zu sinken, fängt der Geschäfts­im­mo­bi­li­en­markt bereits jetzt an, spürbar nach­zu­geben. Um die Laden­lokale über­haupt noch ver­mieten zu können, werden deutlich geringere Summen immer öfter akzep­tiert. Große Laden­ketten haben mit Verweis auf die Coro­na­krise ihre Miet­zah­lungen erheblich gesenkt, und es sieht nicht danach aus, als würden sie in abseh­barer Zeit auf alte Niveaus zurück­kehren. Was das wie­derum für die Innen­städte bedeutet, wird sich zeigen.

Deutlich geringere Laden­mieten könnten dem Ein­zel­handel zwar helfen. Aber es könnte auch zu dem Phä­nomen führen, das man schon in Klein­städten beob­achten konnte, als die Mieten wegen der Laden­leer­stände sanken. Überall schießen Spie­lo­theken aus dem Boden, Han­dy­ge­schäfte, An- und Verkauf von pri­vaten Gegen­ständen aller Art, sowie Ein-Euro-Krims­krams-aus-China-Läden. Ein deut­licher Nie­dergang, was die Ein­zel­han­dels­kultur betrifft und in Anbe­tracht der Wirt­schaftslage fol­ge­rich­ti­ger­weise auf Kund­schaft aus unteren sozialen Schichten aus­ge­richtet. Die, wozu wir nach und nach alle gehören werden.

Auf diesem Hin­ter­grund ist es hoch­in­ter­essant, dass die Politik ange­sichts der jetzt schon enormen Schäden schon wieder von einem mög­lichen zweiten Lockdown und Ver­schärfung der Maß­nahmen spricht. Es sind nicht nur Spinner, die ver­muten, dass die Politik den Crash des Mit­tel­standes geradezu her­bei­führt – denn der ist hier in erster Linie betroffen.