US-rus­si­scher Autor: „So wird der Zusam­men­bruch der USA ablaufen“

Seine Ana­lysen stimmen – kein Wunder, der US-rus­sische Autor Dmitry Orlov kennt sich mit staat­lichen Zusam­men­brüchen und „dem sowje­ti­schen Kollaps“ aus. Orlov erlebt hautnah den Zusam­men­bruch der UdSSR Anfang der 1990er Jahre. Im zweiten Teil des Sputnik-Inter­views erklärt er, wie der Kollaps der USA ablaufen wird – und mehr über sein neues Buch.

In seinem neuen Buch „Die Lehre vom Kollaps: Die fünf Stufen des Zusam­men­bruchs und wie wir sie über­leben“ (im „Westend Verlag“ sowie im „Fifty Fifty Verlag“ erschienen) hat der rus­sisch-US-ame­ri­ka­nische Autor Dmitry Orlov nicht nur den nied­rigen Erdöl-Preis im Frühjahr diesen Jahres sowie das dro­hende Ende der US-Fracking-Industrie vor­her­gesagt – sondern auch den bal­digen staat­lichen, finan­zi­ellen, kom­mer­zi­ellen, poli­ti­schen, sozialen sowie kul­tu­rellen Kollaps der Ver­ei­nigten Staaten von Amerika prophezeit.

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Der Ölpreis stürzte im April 2020 massiv ab, erreichte damals erst­malig einen nega­tiven Wert und leitete somit den Absturz der US-ame­ri­ka­nisch domi­nierten Fracking-Industrie ein, die nun einmal auf hohe Ölpreise ange­wiesen ist, um wirt­schaftlich ren­tabel zu sein.

Die Sowjet­union und seine Geburts­stadt Leningrad verließ Orlov bereits im Alter von 12 Jahren mit seiner Familie, um in die Ver­ei­nigten Staaten zu ziehen. Später konnte er in der UdSSR den dor­tigen Zusam­men­bruch um 1990 aus erster Hand beob­achten. Der Kollaps von Staaten und der Zusam­men­bruch von Ord­nungen wurde dar­aufhin zu einem seiner Spezialthemen.

Die USA seien anfällig für den Rückgang des Rohöls, hätten ein mise­rables Außen­han­dels­de­fizit vor­zu­weisen, mit Über­deh­nungen des US-Mili­tär­ap­parats zu kämpfen und finan­zielle Defizite aus­zu­gleichen. Läh­mende Aus­lands­schulden kämen hinzu. So einige der Kern­aus­sagen im neuen Buch von Orlov.

Im 2. Teil des Sputnik-Inter­views spricht der US-rus­sische Autor über das Ende des „Impe­riums Sowjet­union“. Im Ver­gleich dazu erklärt er, warum und wie genau seiner Meinung nach die USA in naher Zukunft zusam­men­brechen und kol­la­bieren werden.

Außerdem schildert er, welche Rolle die US-Zen­tralbank FED, die Ölwirt­schaft sowie die nord­ame­ri­ka­nische Fracking-Industrie dabei spielen – oder auch nicht spielen – werden.

– Mr. Orlov, Russland und den Kollaps der Sowjet­union haben Sie schon erwähnt. In Ihrem Buch schreiben Sie etwas sehr Inter­es­santes: „Jede Stufe des Zusam­men­bruchs führt zur nächsten, viel­leicht sogar zu einer Über­lappung. In Russland wurde der Prozess nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­union auf Stufe 3 gestoppt und all­mählich umge­kehrt.“ Heut­zutage mit Prä­sident Wla­dimir Putin scheint Russland wirt­schaftlich recht stabil dazu­stehen, und aktuell ist Russland prak­tisch schuldenfrei.

Das sowje­tische Imperium war nie ein tat­säch­liches Imperium, es besaß keine Kolonien, hatte dafür aber Abhän­gig­keiten für umlie­gende Länder geschaffen. So wurden dort aber auch Fabriken und Unter­nehmen geschaffen, das medi­zi­nische System wurde aus­gebaut und moder­ni­siert, Schulen, Uni­ver­si­täten und Kran­ken­häuser und so weiter wurden gebaut. Auch Straßen und Zug­strecken. Mit sowje­ti­schem Geld. Das beraubte Russland einer großen Chance und ließ die rus­sische Bevöl­kerung verarmen.

Seltsam genug: Nach der kol­la­bierten UdSSR sollten jetzt all diese zuvor abhän­gigen Staaten (gemeint sind u. a. die GUS-Staaten, Anm. d. Red.) ihren eigenen Weg gehen – und ver­loren so die eben dar­ge­stellte Unter­stützung. Wenn Sie sich heute diese Staaten ansehen, dann geht es ihnen doch schon schlechter als zu sowje­ti­schen Zeiten. Einigen geht es sogar dra­ma­tisch schlecht.

Zum Bei­spiel: Das sowje­tische Georgien war damals reich. Und heute ist Georgien eines der ärmsten Länder der Welt. Die Ukraine war einst die Korn­kammer und das indus­trielle „Power­house“ für die Sowjet­union. Heute besitzt das Land kaum noch eigene Indus­trien, die Bevöl­kerung kollabiert.

Auf der anderen Seite haben die rus­si­schen Men­schen davon pro­fi­tiert, sich nicht mehr um diese abhän­gigen Staaten kümmern zu müssen. Als Resultat davon ist die rus­sische Bevöl­kerung im Schnitt gesehen reicher und wohl­ha­bender geworden.

– Lassen Sie uns auf ihr zweites Hei­matland schauen, die USA. Sie schreiben in Ihrem Buch: „In bestimmten Teilen der USA wie Flint (Michigan) oder Bal­timore (Maryland) bei­spiels­weise ist der kul­tu­relle Kollaps bereits weit­gehend abge­schlossen.“ Könnten Sie dazu etwas sagen?

Ja. Beide genannten Städte sind bereits zu großen Teilen im Kern ver­wüstet. Sie haben hohe Obdach­losen-Zahlen, massive Pro­bleme mit Dro­gen­ab­hän­gigen, die Analpha­beten-Raten sind desaströs hoch. Die Lebens­be­din­gungen für viele sind absolut bedau­erlich. Es gibt große Schwie­rig­keiten, die Woh­nungen im Winter mit Heiz­wärme zu ver­sorgen. Manche, vor allem ältere Leute, sterben dort auch manchmal den Käl­tetod. Die dort ange­bo­tenen Dienst­leis­tungen sind teil­weise unter dem Niveau, was man aus Dritte-Welt-Ländern kennt.

Zusam­men­ge­fasst: Die USA haben noch immer viele „Inseln“, Säulen und Regionen, wo Wohl­stand herrscht. Die Staaten haben auf der anderen Seite jedoch auch sehr viele Regionen, wo hohe Armut, schwache Insti­tu­tionen und Hoff­nungs­lo­sigkeit herrschen.

– Mr. Orlov, die US-Notenbank FED haben Sie schon ange­sprochen. In Ihrem Buch schreiben Sie über die Kredite der FED, über Negativ- und Null-Zinsen. Dazu haben wir in den USA ein marodes Finanz­system, hinzu kamen in den letzten Monaten noch die sozialen Unruhen und Aus­schrei­tungen. Sehen Sie einen Kollaps für die USA in naher Zukunft kommen?

Ich denke nicht, dass die USA aktuell auf irgend­einem Pfad der Erneuerung und Erholung sind. All die genannten Pro­bleme an der Ober­fläche werden mit der Zeit nur noch schlimmer werden. Ich denke, die „Flug­kurve“ der USA wird so aus­sehen: Man fliegt auf einen poli­ti­schen Auf­lö­sungs­prozess zu. Weil das Land poli­tisch so feindlich ist, das ist vor allem in der Gesell­schaft zu beobachten.

Die Men­schen wissen einfach nicht mehr, wie man mit­ein­ander redet, ver­handelt, wie man sich gegen­seitig ver­steht. Diese poli­tische Auf­lösung der USA wird unab­wendbar kommen. Ich weiß nicht, wann dieser Prozess genau kommen wird. Aber der fra­gilste, insta­bilste Teil dieser Ent­wicklung ist der gesamte Finanz­be­reich. Dieser wird ja nur noch über das gedruckte Fiat-Geld der Zen­tralbank am Leben gehalten. In dem man Bil­lionen von Dollar druckt. Das Niveau, auf dem die USA heute Geld erschaffen, ist mit der Wei­marer Republik und dem heu­tigen Sim­babwe zu vergleichen.

Kürzlich kam heraus, dass viele gewerb­liche Miet­ver­träge in den USA nicht mehr bezahlt werden können. Die Unter­nehmen und Firmen können das Geld nicht mehr auf­bringen. Die Lösung ist eben, neues Geld zu schaffen. Das scheint aktuell die Antwort auf alle Fragen der USA zu sein. Arbeits­lo­sigkeit? Wir drucken Bil­lionen Dollar. Obdach­lo­sigkeit? Wir drucken Bil­lionen Dollar.

Es ist bekannt, dass die Menge des Geldes in der Wirt­schaft die Menge der Pro­dukte und Güter bei weitem über­steigt, die man mit diesem Geld kaufen kann. Par­allel dazu gehen Staaten und Regie­rungen im inter­na­tio­nalen Handel aus dem US-Dollar heraus. Zum Bei­spiel hat China seine Dollar-Reserven in den letzten Jahren massiv redu­ziert, über 50 Prozent. Heute umfasst der Dollar nur noch die Hälfte des chi­ne­si­schen glo­balen Han­dels­auf­kommens. Aber der Dollar „trendet“ weiter nach unten – und das ziemlich schnell. So lange, bis der Wert gen Null strebt in den nächsten zwei Jahren.

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Was bedeutet das nun? China ist aktuell das „Power­house“, das indus­trielle Zentrum der gesamten Welt. Wenn Peking den Dollar nicht mehr gebraucht, dann ist das eine ziemlich große Wende in der Weltwirtschaft.

– Mr. Orlov, Sie haben in Ihrem Buch eine Vor­hersage gemacht, die erst kürzlich wahr wurde. Sie schrieben, dass das Jahr 2020 ein Wen­de­punkt sein wird und durch sehr niedrige Erdöl-Preise die US-Fracking-Industrie und kana­dische Fracking-Unter­nehmen lahm­legen würde. Nun war erst kürzlich der Ölpreis sehr weit unten. Und die Fracking-Industrie kann tat­sächlich nicht über­leben, wie es scheint. Welche Rolle spielen Öl und die Fracking-Industrie in dieser Gemengelage?

Die gesamte Fracking-Industrie in den USA war von Anfang an nicht mehr als ein gigan­ti­scher finan­zi­eller Schwindel. Es ging dabei nie wirklich um Energie-Fragen. Die Qua­lität dieses so gewonnen Öls dient vor­nehmlich dazu, Benzin daraus her­zu­stellen, das bereits reich­haltig am Markt vor­handen ist. Fracking-Öl ist dagegen kaum zu gebrauchen, um Diesel her­zu­stellen, Treib­stoff für die Luft­fahrt oder Bun­ker­treib­stoff daraus zu machen. Dieser Umstand wird durch den Fakt unter­mauert, dass die USA sich dazu ent­schieden haben, sich sehr feindlich und kri­tisch gegenüber Schweröl zu posi­tio­nieren. Daher müssen die USA immer mehr Öl aus Russland impor­tieren. Trotz des Fracking-Booms, der stattfand.

Nun sind die USA also wieder kom­plett Öl-Import-abhängig geworden. Dieser Prozess wird in einigen Jahren enden, wenn man sich die Raten dazu anschaut. Generell gesprochen: Dieser kurze Vorteil, den die USA sich in Zeiten von Peak Oil gesi­chert hatten, war letzt­endlich nur eine Ver­zö­ge­rungs-Taktik und sie hat am Ende auch nicht funktioniert.

– In Ihrem Buch besprechen Sie auch das poli­tische System der Anarchie und berichten dabei über den bekannten Anar­chisten Pjotr Kro­potkin. Was können Sie dazu sagen?

Ich bin kein großer Fan von poli­ti­schen Anar­chisten. Ich stimme damit überein, was Pjotr Kro­potkin geschrieben und recher­chiert hat: Hier­ar­chische Orga­ni­sa­tionen haben ihre Grenzen. Das können wir in der Natur bei lebenden Sys­temen, bei Gesell­schaften mit Tieren, beob­achten. Diese sind tat­sächlich beides: hier­ar­chisch und anar­chisch organisiert.

Ich habe selbst gesehen – in vielen Start-Up-Firmen, wo ich gear­beitet habe, und auch in anderen Orga­ni­sa­tionen –, dass eine Hier­archie manchmal über­haupt nicht effi­zient ist. Sie ist viel­leicht noch gut für das Militär. Selbst in der indus­tri­ellen Pro­duktion ist sie manchmal inef­fi­zient. Die Orga­ni­sation von Top nach Down, also von oben nach unten, ist nicht immer der beste Ansatz. Anarchie wird ja dadurch defi­niert, dass eine hier­ar­chische Ordnung fehlt.

Doch Anarchie ist tat­sächlich sehr nützlich, besonders in unsi­cheren, plötzlich auf­tre­tenden Krisen oder Situa­tionen. Wo niemand wirklich weiß, was los ist. Her­aus­zu­finden, was dann funk­tio­niert, klappt besser über gesell­schaftlich gemeinsame Lösungs­fin­dungen – und nicht über eine zen­trale Autorität.

– Abschlie­ßende Frage, Mr. Orlov: In Ihrem Buch schreiben Sie über ein „Leben nach dem Natio­nal­staat“ und über das „Ende des Wohl­fahrts­staats“. Was und wie sehen Sie in der Zukunft der Menschheit? Wie wird die welt­po­li­tische Ordnung aussehen?

Die ein­fachste Antwort darauf lautet: Es gibt keine „Eine Welt“. Und es wird auch keine geben. Es gibt keine Menschheit. Sondern es wird mehrere Zivi­li­sa­tionen geben. Die Welt wird in mehrere Gruppen zer­fallen. Manche von ihnen werden funk­tional bleiben, was indus­trielle Pro­duktion, Wohl­fahrt und Lebens­standard angeht. Andere Staaten und Regionen werden so zer­fallen, dass sie wohl das Schicksal der Ent­wick­lungs­länder teilen werden. Das, was man früher die Dritte Welt nannte.

Die USA werden jene Zukunft sehen, die US-Städte wie Flint oder Bal­timore bereits jetzt schon zu erleiden haben. Andere Länder, vor allem die mit reich­hal­tigen Roh­stoff-Vor­kommen und modernen Pro­duk­tions-Kapa­zi­täten, werden wohl Inseln des Wohl­stands auf der Erde bleiben.

Aber es wird keine Ver­hand­lungen mehr darüber geben, wie man globale Ange­le­gen­heiten als eine Menschheit löst. Die funk­tio­nie­renden Staaten werden zwar immer noch bila­teral mit­machen, aber nur bis zu dem Punkt, wo sie selbst davon pro­fi­tieren. Inter­na­tionale Orga­ni­sa­tionen werden höchst­wahr­scheinlich erleben, wie ihre Budgets massiv gekürzt werden. Und zwar so lange, bis sie keine Rolle mehr in der Welt­po­litik spielen werden.

Dmitry Orlov: „Die Lehre vom Kollaps: Die fünf Stufen des Zusam­men­bruchs und wie wir sie über­leben (Bren­nende Bärte)“, Westend Verlag/Fifty Fifty Verlag, 1. Auflage (Juni 2020), 128 Seiten, 15 Euro. Das Buch ist überall im Handel erhältlich.


Quelle: pravda-tv.com