Wie heißt das alte Sprichwort? Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr. In dieser Lage befindet sich zurzeit die Regierung und der Betreiber des Hafens Sassnitz auf Rügen. Die Zankerei um die Gaspipeline Nordstream 2 artet nun von Seiten der USA in reine Drohung und Erpressung aus. Drei Senatoren der Republikaner drohen, vollkommen ungeniert, dem kleinen Fährhafen Sassnitz auf Rügen mit „vernichtenden rechtlichen und wirtschaftlichen Sanktionen“, wenn das Management des Hafens sich weiter am Pipelinebau beteiligt.
Grundlage ist ein amerikanisches Sanktionsgesetz aus dem Jahr 2017, das „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit“, das Präsident Trump schon im Jahr 2019 um Strafmaßnahmen gegen Unternehmen ausgeweitet hatte. Dass zu Europas Energiesicherheit vielleicht auch gehören könnte, nicht vollständig von den USA in Sachen Gaslieferung abzuhängen, leuchtet eigentlich jedem ein. Doch die USA liefern sich mit den Russen ein erbarmungsloses Duell. Die nicht unbegründete Annahme, dass Russland den USA den europäischen Energiemarkt abspenstig machen wird, sobald es erst einmal den Fuß in der Tür hat, lässt die bereits ökonomisch angeschlagene USA wütend um sich beißen. Die drei beißenden „Wachhunde“ sind Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson, alle drei Republikaner und im Gefolge Präsident Trumps.
Es geht dabei nicht nur um die Gaspipeline, sondern langfristig um das große „One Belt one Road“- Projekt, auch die „Neue Seidenstraße“ genannt. Die USA hat dem nichts entgegenzusetzen und fürchtet sich vor dem Superblock „Eurasien“, in dem von China ausgehend, die wirtschaftlichen Schwergewichte China-Russland-Deutschland(Europa) und die militärisch den USA überlegenen Armeen Chinas und Russlands die Amerikaner weit abgeschlagen zurücklassen wird. Die USA werden alles dagegen aufbieten müssen.
Seit August läuft das High Noon im Gasgeschäft und noch stehen sich die Kontrahenten auf dem Sandplatz gegenüber, die Hand über dem Revolver schwebend, wer zuerst zieht.
Zwei russische Pipeline-Verlegeschiffe, die „Fortuna“ und „Akademik Tschersky“, liegen bereits im Rügener Hafen Mukran (Sassnitz). Dort liegen auch die Stahlrohre für die letzte Strecke der Pipeline im Ostseeteil. Auch ein Schiff mit Unterkünften für 140 Arbeiter, die vermutlich zum Weiterbau der Trasse dort sind, liegt im Hafen. Bisher konnten die US-Interventionen die Nordstream2-Pipelines zwar verzögern, Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel blieb jedoch diskret zäh und sorgte unbeeindruckt für den Weiterbau. Nun ist es nur noch ein kleines Stück, das fehlt und auf den letzten Metern lassen die USA jetzt sämtliche Skrupel fallen, um das Projekt zum Scheitern zu bringen. Gelingen wird das wahrscheinlich nicht, denn der russische Präsident Wladimir Putin hat bereits wissen lassen, dass er im Zweifelsfalle die letzte Strecke der Pipeline von nur noch 160 Kilometern Länge (von 2.460 Kilometern gesamt) auch ganz allein zu Ende baut.
Doch erst einmal dürfte dem Sassnitzer Hafenmanagement das Hemd flattern. Die Drohungen der drei Senatoren besagen, man werde im Falle des Nicht-Einlenkens, das Hafenmanagement und beteiligte Personen „kommerziell und finanziell“ von den USA abschneiden. „Den Vorstandsmitgliedern, leitenden Angestellten und Aktionären der Fährhafen Sassnitz GmbH wird die Einreise in die Vereinigten Staaten untersagt und jegliches Eigentum oder Interesse an Eigentum, das sie in unserem Zuständigkeitsbereich haben, wird eingefroren“, steht in dem Drohbrief. Überdies werde allen US-Amerikanischen Staatsbürgern und Unternehmen verboten, auf irgendeine Weise mit dem Hafen Mukran zusammenzuarbeiten.
Der Bundestagswirtschaftsausschuss ließ durch seinen Vorsitzenden, Herrn Klaus Ernst das amerikanische Schreiben als „an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten“ klassifizieren und forderte zukünftig Gegenmaßnahmen, wie beispielsweise Strafzölle gegen amerikanische LNG-Gaslieferungen (Flüssiges Erdgas). Die deutsche Regierung lehnt solche exterritorialen Sanktionen ab, weil sie völkerrechtswidrig seien.
In Sassnitz selbst, so berichtet die Neue Züricher Zeitung, befeuert das ganze Spiel einen Antiamerikanismus, wie seit Vietnam nicht mehr. Waren es damals die Intellektuellen und Studenten, sind es hier die bodenständigen Sassnitzer, die plötzlich auf die „Sch*** Amis“ schimpfen. Die NZZ zitiert zwei Fischer auf ihrem Weg zum Kutter, die – auf die Drohung der Senatoren angesprochen, mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg halten: „… wenn Präsident Trump vorbeikäme, dann würden sie umgehend «die Kalaschnikow rausholen». Die Amerikaner sollten doch nicht nur 10.000 Soldaten nach Polen verlegen, sondern gleich alle in Deutschland stationierten Truppen. Und ihre Atombomben sollten sie auch noch mitnehmen.“
Zurzeit bekräftigen sowohl die deutschen und russischen Politiker unisono, dass der Pipelinebau weitergehen werde. Außenminister Heiko Maas und sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow stellten gemeinsam klar, dass kein Staat das Recht habe, „Europas Energiepolitik mit Drohungen zu diktieren, und das wird auch nicht gelingen“.
Der Auswärtige Dienst der EU verlas im US-Außenministerium eine Protestnote, die von 24 EU-Mitgliedstaaten unterstützt wird. Darin wird formell festgestellt, dass das Gebaren der USA völkerrechtswidrig sei.
Nur Polen und zwei weitere, ungenannte EU-Staaten unterstützten diese Protestnote nicht.
Sollte die Nordstream 2‑Pipeline weitergebaut werden, muss man sehr wahrscheinlich extrem hohe Sicherheitsvorkehrungen treffen. Es ist von Seiten der USA vieles an Sabotageakten denkbar. Sei es von Terroristengruppen, die zu Land ganze Abschnitte oder Stationen in die Luft jagen bis zum Volksaufstand in Durchgangsgebieten oder vielleicht gar offenen Kampfjet-Angriffen. Auch U‑Boote könnten eingesetzt werden und die Rohre auf dem Meeresgrund zerstören.
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