Mein täglicher Fahrradweg führt mich vorbei an einem riesigen Erdbeerfeld. Im Hochsommer schwitzten die zarten Pflänzchen bei Rekord-Temperaturen unter schwarzer Plastikfolie. Und jetzt, im Herbst, wachsen auf dem Folienfeld immer noch Erdbeeren. Wobei … von Erdbeeren ist bisher wenig zu sehen. Die Pflänzchen wurden im Juli gesetzt. Vielleicht fühlen sie sich im Plastikfeld nicht wohl und wollen nicht so recht wachsen. Oder sie sollen – später dann überdacht – erst zu Weihnachten reif werden.
Früher dauerte die Erdbeersaison hierzulande vier Wochen, inzwischen dehnen die Obstbauern sie auf mehrere Monate aus. Da freut sich doch der Verbraucher, wenn er frische Erdbeeren aus heimischem Anbau kaufen kann, oder? Mit den Folien können die Landwirte wie beim Spargel den Saisonstart nach vorne verlegen, so umgehen sie das Risiko, dass kalte Temperaturen und Bodenfrost den Pflanzen zusetzen. Der Anbau unter Folie kostet zwar mehr, es rechnet sich offenbar aber trotzdem. „Der Folienanbau bewahrt die Pflanzen vor extremen Wetterbedingungen, liefert höhere Erträge, bessere Qualität und sogar bessere Arbeitsbedingungen für die Erntehelfer“, sagte Simon Schumacher, Sprecher des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE). Ökonomie statt Ökologie.
Umweltschützern sind die Folien-Felder ein Dorn im Auge. „Die Fläche unter den Tunneln geht für die Tier- und Pflanzenwelt als Lebensraum verloren“, sagt Bernd Petri vom Naturschutz (Nabu) in Hessen. Und wenn Sie Folien-Erdbeeren kaufen, müssen Sie davon ausgehen, dass sie voller Chemikalien wie Fungizide, Herbizide und Pestizide stecken. Denn im feuchtwarmen Klima unter der Folie fühlen sich Schimmelpilze, Bakterien und Insekten pudelwohl, um ihnen den Garaus zu machen, schwingt der Bauer die Chemokeule. Und die kriegen Sie auch mit gründlichem Abwaschen nicht ganz weg. Das macht die gesunde Erdbeere zu einem gesundheitsschädlichen Nahrungsmittel. Die SWR-Sendung Marktcheck hat im Juni Erdbeeren im Labor testen lassen. In allen konventionell erzeugten Produkten aus der Stichprobe wurden Mehrfachrückstände nachgewiesen. Verkauft werden durften sie trotzdem, weil die Grenzwerte unterschritten wurden.
Wenn ich die riesigen Folien-Felder sehe, bekommt die Bezeichnung „aus regionalem Anbau“ einen faden Beigeschmack. Und ich frage mich: Was passiert eigentlich, wenn im Sommer die sengende Sonne die schwarzen Folien so stark erhitzt, dass man ein Spiegelei darauf braten könnte? Bei den PET-Flaschen haben wir ja gelernt, dass die enthaltenen Weichmacher durch Wärme und UV-Strahlung ins Wasser gelangen. Angeblich wird bei den Agrarfolien Polyethylen verarbeitet, das keine Weichmacher enthält. Dennoch: Eine Studie der Universität Bayreuth belegt, dass die Umweltverschmutzung durch Kunststoff längst auch die Landwirtschaft erreicht hat. Die Wissenschaftler haben erstmals einen durch konventionelle Landwirtschaft genutzten Acker auf Kunststoff hin untersucht und alle gefundenen Partikel chemisch analysiert. Und obwohl auf diesem Acker weder mit Kunststoff verunreinigter Dünger, noch Techniken eingesetzt wurden, die zu einer Verschmutzung mit Plastik hätten beitragen können, waren die Proben deutlich mit Makroplastik (Kunststoffteile, die größer als 5 mm sind) und mit Mikroplastik (kleiner als 5 mm) kontaminiert.
Mikroplastik zieht Umweltgifte an, wird von Meeresorganismen gefressen und ist nicht wieder aus der Umwelt zu entfernen. In einem Hektar wurden 206 Plastikteile und mindestens 150.000 Mikroplastikteilchen gefunden. Das muss man sich mal vorstellen! Ackerland, das über längere Zeit mit Kompost aus bestimmten Kompostieranlagen oder Klärschlamm bearbeitet wird, enthält nach Einschätzung der Forscher noch wesentlich mehr Plastik! Planet Plastik!
Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob jedes Obst zu jeder Zeit und zu jedem Preis verfügbar sein muss. Und ob man ganze Äcker unter Plastikfolien begraben muss, um die Spargel- und die Erdbeersaison künstlich in die Länge zu ziehen. Erdbeeren sind wundervolle Früchte. Sie stecken voller Vitamine, sie enthalten sogar mehr Vitamin C als Zitronen und Orangen. Sie enthalten Folsäure, wichtige Mineralien und viele Polyphenole, die helfen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs vorzubeugen. Doch sie sind eben auch Sensibelchen und ziehen Schadstoffe an.
Konventionell angebaute Erdbeeren stehen Jahr für Jahr ganz oben auf der Liste der sogenannten Dirty Dozen, des schmutzigen Dutzends. Das sind die nicht-biologischen Obst- und Gemüsesorten mit dem höchsten Gehalt an Pestizidrückständen. Im Jahr 2018 stellte die EWG (Environmental Working Group), eine Umweltarbeitsgruppe aus den USA, die diese Liste jedes Jahr veröffentlicht, fest, dass ein Drittel aller Erdbeerproben zehn oder mehr Pestizide enthielten. Da vergeht einem der Appetit. Erdbeeren aus Bio-Anbau sind die gesündere Alternative, kosten allerdings auch das Zwei- bis Dreifache.
Ich jedenfalls möchte weder im Sommer, noch im Herbst Plastik-Erdbeeren essen. Jetzt sind übrigens Äpfel und Birnen aus der Region reif. Die wachsen am Baum, und bisher ist noch niemand auf die Idee gekommen, Bäume in Folie einzuwickeln. Zum Glück!
https://www.swrfernsehen.de/marktcheck/erdbeeren-pestizide-test-100.html
https://www.medialegesundheit.de/2019/02/02/dirty-dozen-clean-fifteen/
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.