Was Zahn­fleisch­ent­zündung mit Darm­krebs zu tun hat (+Video)

 

Jeder von uns ist eigentlich eine Wohn­ge­mein­schaft. Ungefähr 100 Bil­lionen Bak­terien und Keime leben mit uns, auf uns, in uns. Alle zusammen wiegen zwi­schen ein und zwei Kilo. Wen das jetzt schockt oder anekelt: Ohne unser Mikrobiom würden wir schnell sterben. Genauer gesagt, wir sind ein Gesamt­wesen, ein Biotop, so etwa, wie ein Riff, das eine tote Fels­land­schaft wäre ohne all die Korallen, Fische, Polypen, Krebse, Schnecken, Algen, See­ane­monen usw. usf. Diese Mit­be­wohner unseres Körpers sind sowas von „Diversity“, sie bringen das Ein­hun­dert­fache an Genen in den mensch­lichen Körper, als der selbst besitzt. Dadurch haben wir Heer­scharen von klitz­kleinen Spe­zia­listen, die Auf­gaben bewerk­stel­ligen, die unser Körper nicht erfüllen kann.

Nicht alle Mikro­or­ga­nismen und Bak­terien, die in unseren mensch­lichen Körper kommen sind gut, das wussten wir schon, aber wir hatten bisher keine Ahnung, welche kom­pli­zierten Abläufe in und auf uns mit­ein­ander, neben­ein­ander und gegen­ein­ander geschehen. Auch, wenn wir umziehen, nehmen wir – oder unsere ganze Familie — das Mikrobiom mit uns. Das haben Wis­sen­schaftler in einer Studie her­aus­ge­funden. Und das, was die alten Bewohner einer Wohnung an Bak­terien und Keime hin­ter­lassen, agiert mit der neuen Bak­terien-Com­munity und mit den neu dazu gekom­menen Men­schen. Die Unter­su­chung über das “Home Micro­biome Project” ein­schließlich Hunde und Katzen ist interessant.

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Im Darm leben etwa 1400 ver­schiedene Arten von Bak­terien als Gemein­schaft. Dass wir die kleinen Dinger für die Ver­dauung brauchen, weiß mitt­ler­weile jeder. Doch die Wis­sen­schaft kommt erst Stück für Stück dahinter, dass diese Mikro­or­ga­nismen noch viel weit­rei­chen­deren Ein­fluss und sehr kom­pli­zierte Kom­mu­ni­kation mit unserem Körper haben. Sie senden Boten­stoffe in ganz andere Ecken des Körpers aus, unter­stützen das Immun­system und „sprechen“ über das riesige, dichte Ner­ven­system unseres Darms anscheinend direkt mit unserem Gehirn.

Brechen aber fremde, feind­liche Keime in das kör­per­eigene Öko­system ein, kann das unge­ahnte Folgen haben. So fanden die Wis­sen­schaftler jetzt heraus, dass die­selben Keime, die wir im Mund beher­bergen und die — wenn wir nicht gesund sind oder unsere Zähne nicht pflegen — zu Zahn­fleisch­ent­zündung und Zahn­fleisch-Schwund führen, sich auch im Körper an anderen Stellen ansiedeln. Das Par­odontose Bak­terium „Fuso­bac­terium nucleatum“ nutzt eine geschwächte Kör­per­abwehr und macht sich im Darm breit. Sehr oft findet man dieses Bak­terium in Dick­darm­tu­moren von Krebs­pa­ti­enten. Bisher dachten Wis­sen­schaftler, dass sich Fuso­bac­terium nur in bestehenden Tumoren ein­niste, weil da bessere Lebens­be­din­gungen herr­schen und die Immun­abwehr ihm nicht so leicht den Garaus machen kann. Neu­er­dings befürchten die Wis­sen­schaftler aber, dass es umge­kehrt sein könnte, und Fuso­bac­terium den Krebs fördert oder sogar auslöst.

Eine Studie der Harvard Medical School unter Leitung von Susan Bullman fand heraus, dass das Bak­terium sich auch in gestreuten Toch­ter­tu­moren finden lässt, die bei wei­terer Ent­wicklung des Krebses in der Leber ent­stehen. Dabei handelt es sich um die­selben Stämme dieses Bak­te­riums. Das spricht dafür, dass sie nicht unab­hängig von ihrer Kolonie im Darm­tumor in die Leber ein­ge­wandert sind, sondern gleich­zeitig mit dem metasta­sie­renden Krebs aus dem Darm­tumor in der Leber auftreten.

Es könnte sogar sein, ver­muten die Wis­sen­schaftler, dass das Bak­terium nicht einfach nur mit dem Tumor zusammen sich wei­ter­ver­breitet, sondern mög­li­cher­weise eine sehr aktive Rolle spielt bei Ent­stehung, Wachstum und Ver­breitung der Tumore. So behan­delte man Mäuse, die das Fuso­bac­terium in ihren Tumoren beher­bergten, mit einem Anti­bio­tikum, das diesen Keim abtötete. Tat­sächlich ver­lang­samte sich das Tumor­wachstum dar­aufhin beachtlich.

Die For­scher ver­muten nun, dass das Zusam­men­spiel von Bak­terien und Tumor­ge­schehen die Gefahr von Meta­sta­sen­bildung deutlich erhöht. Die Bak­terien erobern zusammen mit den Krebs­zellen schneller und leichter andere Organe, wo sie neue Tumore ausbilden.

Diese Annahme wird auch dadurch unter­stützt, dass Pati­enten, die eine solche Krebs-Bak­terium-Kom­bi­nation hatten, die Tumore erst einmal erfolg­reich bekämpfen konnten, wie andere Pati­enten auch. Im Gegensatz zu Krebs­pa­ti­enten, die keinen Bak­te­ri­enherd in ihrem Krebs­tumor hatten, erlitten sie aber wesentlich öfter einen neuen Aus­bruch der Krebs­krankheit. Mög­li­cher­weise liegt in der rich­tigen Anti­biotika-Behandlung dieser Keime ein Schlüssel, das Rezidiv des Krebses zu ver­hindern.