„Krieg der Sterne aus Ram­stein“ – Kritik am neuen Nato Space Center (+Video)

Die Ver­tei­di­gungs­mi­nister des nord­at­lan­ti­schen Bünd­nisses haben sich laut Nato-Gene­ral­se­kretär Stol­tenberg auf die Errichtung des neuen Nato Space Centers in Ram­stein geeinigt. Dieses soll die Streit­kräfte bei ihren Ope­ra­tionen aus dem Weltraum unter­stützen. Kri­tiker warnen vor einer neuen Kriegs­front und einem gefähr­lichen Wettrüsten.

Die Nato sei ent­schlossen, in allen Bereichen auf dem neu­esten Stand zu bleiben: Land, Meer, Luft, Cyber- ​​und Weltraum. Das teilte Nato-Gene­ral­se­kretär Jens Stol­tenberg am Don­nerstag nach einer Video­kon­ferenz mit den Ver­tei­di­gungs­mi­nistern des Bünd­nisses mit. „Letztes Jahr haben wir den Weltraum zum ope­ra­tiven Bereich der Nato erklärt. Und heute haben wir einen wei­teren wich­tigen Schritt getan. Die Minister einigten sich darauf, ein neues Nato-Welt­raum­zentrum beim ‚Allied Air Command‘ in Ram­stein einzurichten.“

Fol­gende Auf­gaben sollen dort Stol­tenberg zufolge über­nommen werden:

-        Hil­fe­stellung bei der Koor­di­nierung von Weltraumaktivitäten;

-        Unter­stützung von Nato-Mis­sionen und ‑Ope­ra­tionen aus dem Weltraum, ein­schließlich Kom­mu­ni­kation und Satellitenbildern;

-        Schutz alli­ierter Raum­fahrt­systeme durch Aus­tausch von Infor­ma­tionen über poten­zielle Bedrohungen.

Gleich im nächsten Punkt erklärte er, dass das wach­sende rus­sische Arsenal nukle­ar­fä­higer Raketen eine ernste Her­aus­for­derung dar­stelle. Die Alli­ierten hätten bereits ein umfas­sendes Reak­ti­ons­paket poli­ti­scher und mili­tä­ri­scher Maß­nahmen ver­einbart, so Stoltenberg.

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Wie sich die Bun­deswehr in das Projekt für das Space Center ein­bringen wird, ist noch unklar. Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin Annegret Kramp-Kar­ren­bauer bekräf­tigte am Rande der Bera­tungen lediglich, dass Deutschland trotz den Her­aus­for­de­rungen durch die Corona-Pan­demie dazu stehe, künftig zehn Prozent der Fähig­keiten innerhalb der Nato zu stellen.

Nachdem US-Prä­sident Donald Trump 2019 die US-Welt­raum­streit­kräfte „Space Force“ gründete und von einer „ame­ri­ka­ni­schen Über­le­genheit im Weltraum“ sprach, sehen nun auch Deutschland sowie die Nato immer mehr ein „neues Ope­ra­ti­ons­gebiet“ im All.

Erst kürzlich (am 21. Sep­tember 2020) hatte Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin Annegret Kramp-Kar­ren­bauer ein neues Welt­raum­ope­ra­ti­ons­zentrum eröffnet. Damit wolle sie die Fähig­keiten Deutsch­lands zum Schutz eigener Satel­liten ver­stärken. Die Indienst­stellung des „Air and Space Ope­ra­tions Center“ (ASOC) in Uedem (Nord­rhein-West­falen) sei ein erster Schritt für das Planen und Führen von Welt­raum­ope­ra­tionen, sagte die CDU-Chefin dort.

Wett­rüsten im All

Nun kommt mit dem Nato Space Center offenbar der nächste Schritt. Vor einer neuen Front im All warnen Ver­tei­di­gungs­experten der Links­fraktion. Die Linke lehne die Gründung des „Weltraum-Zen­trums“ der Nato in Ram­stein sowie die Betei­ligung der Bun­deswehr an „diesem neuen Krieg der Sterne“ ent­schieden ab. „Der Nato geht es nicht um Ver­tei­digung im Weltraum, sondern um mili­tä­rische Dominanz vor allem gegen Russland und China, nun auch aus dem All. Dadurch wird der Frieden auf der Erde nicht sicherer, schon gar nicht in Europa“, erklärt Alex­ander S. Neu, Obmann im Ver­tei­di­gungs­aus­schuss. Er fordert die Bun­des­re­gierung auf, die Ein­bindung von Ram­stein in die Welt­raum­pläne der USA und der Nato zu ver­hindern und statt­dessen die Schließung der US-Luft­waf­fen­basis Ram­stein sowie den voll­stän­digen Abzug der US-Truppen aus Deutschland zu erwirken.

„Die Nato bereitet sich auf einen Krieg im All vor“, bestätigt Tobias Pflüger, Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­scher Sprecher der Links­fraktion im Sputnik-Interview.

„Das Weltall wird heute schon für Kriege mit­be­nutzt. Es ist eine Ent­wicklung, die diese Dimension viel deut­licher in Zukunft für die wei­teren Kriege, die folgen werden, mit­be­nutzen wird. Und da wird das Space Center der Nato eine ganz zen­trale Rolle spielen“, glaubt der Bun­des­tags­ab­ge­ordnete.Zwar beteuern die Nato und das Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium immer wieder, dass es sich dabei nicht um Auf­rüstung handele, so Pflüger. „Natürlich geht es um eine Auf­rüstung, weil wir natürlich wissen, dass von den Satel­liten, die genutzt werden, eine ganze Reihe direkt mili­tä­rische Funk­tionen haben.“

Neben dem Nato-Land USA haben zuletzt vor allem Staaten wie Russland, China und Indien ihre Fähig­keiten im Weltraum aus­gebaut. So hat Indien bereits im ver­gan­genen Jahr durch das Abschießen eines eigenen Satel­liten erfolg­reich eine Anti-Satel­liten-Rakete getestet.

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„Die Idee ins­be­sondere der US-Ame­ri­kaner ist, da eine füh­rende Rolle zu bekommen und da ein spe­zi­fi­sches Kom­mando auf­zu­bauen. Trump sagt ja ganz offen, dass es um eine Vor­herr­schaft im Weltraum geht. Was wir de facto erleben, ist, dass es in diesem Bereich zusätzlich zu den anderen Bereichen ein Wett­rüsten geben wird, und die USA wollen da führend sein – offen­sichtlich gemeinsam mit den anderen Nato-Staaten“, betont der Linke-Poli­tiker.Über kurz oder lang werde es außerdem nicht nur um Satel­liten gehen, ist der Poli­tiker über­zeugt. Offi­ziell demen­tiere die Nato zwar, dass es um eine Sta­tio­nierung von Waffen gehe. „Aber allein diese Mili­tär­sa­tel­liten sind natürlich Waffen, weil über die Satel­liten weitere Mili­tär­systeme gesteuert werden. Die Drohnen-Kriegs­führung ist ja nur ein Teil davon.“ Auf dem Schlachtfeld der Zukunft spielt das Weltall laut Pflüger somit eine ganz wesent­liche Rolle.

Der Standort Deutschland

Ram­stein spiele dabei in mehr­facher Hin­sicht eine pro­ble­ma­tische Rolle, beklagt Pflüger. „Ram­stein ist ein Hub für sehr viele Flug­be­we­gungen innerhalb der US-ame­ri­ka­ni­schen oder Nato-Truppen. (…)  Wir haben dort auch die Relais­sta­tionen für die Drohnen-Kriegs­führung der USA – ein Teil der Drohnen-Kriegs­führung, die natürlich über Satel­liten gesteuert wird. Das ist ein Teil dieser Welt­raum­auf­rüstung. Und insofern hat es leider seine imma­nente Logik, dort dieses Space Center zu machen. Das ist ein wei­terer ganz zen­traler Schritt hin zu einer wei­teren Auf­rüstung, und deshalb sollte dieses Space Center nicht sein. Wir werden deutlich machen, dass da eine Auf­rüstung statt­findet, die sehr, sehr gefährlich ist.“

Neben Ram­stein spielt für die Mis­sionen im Weltraum auch der Standort Kalkar / Uedem in Nord­rhein-West­fallen eine ent­schei­dende Rolle. Dort befindet sich neben dem im Sep­tember eröff­neten Welt­raum­la­ge­zentrum auch das „Joint Air Power Com­pe­tence Centre“ (JAPCC) der Nato, dessen Direktor US-General Jeffrey L. Har­rigian gleichsam der Kom­mandeur des „Allied Air Com­mands“ in Ram­stein ist. Dieses Zentrum betreibt Koope­ra­tionen unter anderem mit den Stand­orten Ram­stein und Büchel, wo sich US-Kern­waffen befinden. Das JAPCC wird als wesent­licher Teil der Nato-Kom­man­do­struktur immer wich­tiger und war nach Aus­sagen einiger Experten auch als Standort für das neue Space Center mit im Gespräch. Dort befindet sich zudem das Nationale Lage- und Füh­rungs­zentrum für Sicherheit im Luftraum, an dessen Errichtung das Bun­des­innen- und das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­terium beteiligt waren.

Neue nukleare Kriegs­front im All?

Der Autor und Publizist Bernhard Traut­vetter enga­giert sich seit mehr als 30 Jahren in der Frie­dens­be­wegung. Den Aufbau der Militär-Standorte am Nie­der­rhein und in Ram­stein ver­folgt er kri­tisch. Auch er sieht bal­lis­tische Systeme, Kampf­drohnen, Rake­ten­abwehr, aber auch den Cyberwar als Teil der „Welt­raum­kriegs­führung“. „Es wird eine neue Kriegs­front im All geschaffen“, äußert der Abrüs­tungs­experte. Das beob­achte er sys­te­ma­tisch seit den 1980er Jahren.

Dabei ver­weist er auf die Pen­tagon-Pläne unter Prä­sident Ronald Reagan aus dem Jahr 1980. Schon damals sprach sich Caspar Wein­berger, Ver­tei­di­gungs­mi­nister der USA, dafür aus, einen ato­maren „Gegen­schlag“ mit dem Ziel der „Ent­hauptung“ der poli­ti­schen und mili­tä­ri­schen Führung der Sowjet­union durch­zu­führen und Waf­fen­systeme im Weltraum zu sta­tio­nieren. Heute, 40 Jahre später, können Militär-Satel­liten als Hilfs­mittel ein­ge­setzt werden, um in einen „chir­ur­gisch geplanten Krieg auch Nukle­ar­systeme ein­zu­be­ziehen“ und den Atom­krieg „mit einem Erst­schlag tech­no­lo­gisch – unter Ein­be­ziehung der Militär-Satel­liten – möglich zu machen“, befürchtet der Rüs­tungs­gegner. Hinzu kämen die sich bereits in der Pro­duktion befind­lichen B61-12 Atom­bomben, von denen auch min­destens circa 20 in Büchel erwartet würden, sagt Traut­vetter. Diese hätten eine „Ziel­fin­dungs­tech­no­logie“ und seien „besser dosierbar als die bis­he­rigen Systeme“, sagt der Rüs­tungs­kri­tiker. Das Weltall werde der Erde hin­sichtlich der krie­ge­ri­schen Systeme immer ähnlicher.

„Die Militärs betrügen die Öffent­lichkeit, indem sie es Sicherheit nennen, wobei es das glatte Gegenteil ist. Und mit dieser Pro­pa­ganda kriegen sie es auch hin, dass die poli­ti­schen Beschluss­fas­sungen in den Nato-Staaten statt­finden“, bemängelt der Aktivist.Moskau hin­gegen spricht sich für einen juris­tisch bin­denden Vertrag für alle Raum­fahrt­na­tionen aus, welcher eine Mili­ta­ri­sierung des Weltalls ver­hindern würde.

„Russland setzt sich für eine Initiative zur Schließung eines juris­tisch bin­denden Ver­trags unter Teil­nahme aller füh­render Raum­fahrt­na­tionen ein, welcher ein Verbot von Waf­fen­sta­tio­nierung und Gewalt­an­wendung im Weltall sowie ein Verbot von Dro­hungen gegen Weltraum-Objekte beinhaltet“, sagte Prä­sident Wla­dimir Putin in seiner Rede für die 75. UN-Gene­ral­ver­sammlung im Sep­tember.Einer Sta­tio­nierung von Waffen im All sowie einem Angriff gegen Satel­liten steht jedoch wei­terhin, wenn auch nur zum Teil, der Welt­raum­vertrag aus dem Jahr 1967 im Wege. Darin ver­pflichten sich die Ver­trags­staaten, „keine Gegen­stände, die Kern­waffen oder andere Mas­sen­ver­nich­tungs­waffen tragen, in eine Erd­um­laufbahn zu bringen und weder Him­mels­körper mit der­ar­tigen Waffen zu bestücken noch solche Waffen im Weltraum zu sta­tio­nieren“. Zudem haften die Ver­trags­par­teien für Schäden, die im Zusam­menhang mit ihren Welt­raum­ak­ti­vi­täten stehen. Umstritten ist dabei die feh­lende Abgrenzung zwi­schen Weltraum und Luftraum.


Quelle: sputniknews.com