Wir schreiben das Jahr 2010. Ein Mann namens Michael Kent macht einen Zeichentrickfilm über den Goldschmied Fabian, der eine Geheimgesellschaft gründet und ein Finanzsystem aufbaut, das sich auf den Glauben der Menschen stützt, dass ein „erschaffenes“ Geld echten Wert hat und dass Zinsen für die „Zurverfügungstellung“ dieses Geldes zu zahlen sind. Und der dem Zuschauer eingängig erklärt, warum wir alle zu Zinssklaven werden, sobald wir Schulden machen – und warum es deswegen überall an Geld fehlt. Der Film wurde viel gesehen und verbreitet und fand Anklang in allen politischen Lagern. Jetzt, über zehn Jahre später, ist er ein Skandal, weil … antisemitisch!
In etwa 50 Minuten wird in dem Animationsfilm „Goldschmied Fabian – Warum überall Geld fehlt“ anhand von Zeichnungen und leicht verständlichen Geschichten erzählt, welche systematischen Fehler schon in der Grundkonstruktion unseres Geldsystems liegen und wie das Geldwesen und das Bankensystem funktionieren. Produziert wurde der Film damals von Jan van Helsings TV-Sender secret.TV, unterstützt vom Kopp-Verlag. Es wird darin anschaulich gezeigt, wie die Zinsen, die derjenige zu erwirtschaften hat, der sich Geld leiht, in alle Produkte, in alle Dienstleistungen, in jedes Ding einfließen, weil auch der, der die Produkte herstellt, die Zinsen seiner Kredite einrechnen muss. Auch der Staat muss sich Geld leihen, per Staatsanleihen oder früher die „Bundesschatzbriefe“. Doch diese Zinsen muss am Schluss der Bürger als letztes Glied in der Kette erarbeiten und bezahlen, drum heißt er „Bürger“, weil er bürgt.
Zinsen wachsen exponentiell durch den Zinseszinseffekt, dazu gibt es das Beispiel des „Josephspfennigs“. Hier eine Markus Lanz-Sendung mit Dirk Müller und Markus Lanz, der auch verdächtig oft von Judäa spricht. Eine kurze, aber sehr erhellende Passage:
Auch Comedians, wie Volker Pispers, haben das Schuldgeldsystem genauso zum Thema gemacht:
Diese funkelnden, sarkastischen acht Minuten geben eigentlich in bissigster Form das wieder, was auch der Film „Goldschmied Fabian – Warum überall Geld fehlt “ vermittelt. Herr Pispers, ich habe ihn mal persönlich kennengelernt, ist ein absolut Linker. Sehr sympathisch und auf den Punkt. Und sicherlich kein Rassist oder Antisemit.
Nicht ohne Grund war der Zins früher in allen Religionen streng verboten.
Nirgendwo in dem Film wird erwähnt oder angedeutet, dass die Erfinder und Erbauer dieses „Fabianischen“ Finanzsystems irgendetwas mit Juden zu tun haben. Es wird lediglich gezeigt, wie es funktioniert. So, wie das in bestimmten Aspekten auch Volker Pispers oder Dirk Müller und viele andere tun. Dennoch wird der Film als antisemitisch gegeißelt. Vielleicht einfach deswegen, weil diejenigen, die sich empören über die angeblichen, „antisemitischen“ Assoziationen, diese in ihrem Kopf selbst herstellen?
Wie kommt es nun, dass das alte Filmchen einen solchen Sturm lostritt? Eine Nachrichtensendung des mdr widmet dem Antisemitismus-Skandal einen Vier-Minuten Beitrag: Eine Lehrerin in Löbau hat den Fabian-Film in einer Schulklasse als Anschauungsmaterial zur Entstehung eines Zinsgeldsystems vorgeführt – und damit einen Empörungssturm losgetreten. Der Bericht darüber beginnt bei Minute 18:58 bis Minute 23:00.
Aus nicht zu erkennenden Gründen ist ein junger Mann, Zimmermannslehrling, der Kronzeuge der Anklage. Möglicherweise war Peter Günther in der Schulklasse, in der der Film vorgeführt wurde. Im ersten Moment wirkt er optisch zwar eher wie ein verbiesterter Rechtsextremer, aber es wird schnell klar, er steht auf der ganz entgegengesetzten Seite. Es werden in dem Bericht zwar einige kurze Szenen aus dem Film unter die Texte gelegt, eine Stelle, an der man den Antisemitismus wirklich festmachen könnte, gibt es allerdings nicht. Nicht einmal ein aus dem Zusammenhang gerissener Ausschnitt gibt das her. Das „Corpus delicti“ sei der ganze Film, heißt es, die Gesamterzählung, die nicht anders zu verstehen sei, als antisemitisch.
Dazu wird eine Dame, die es wissen muss, vom mdr dazu befragt. Es ist Nora Goldenbogen, Vorsitzende des sächsischen Landesverbandes jüdischer Gemeinden. Sie sieht in dem Film nichts Neues, außer den Versuch, das gesamte Wirtschaftssystem mit der „antisemitischen Verschwörungserzählung“ zu verknüpfen. Was sie genau darunter versteht, wird nicht erläutert. Was ist mit „Verschwörungserzählung“ gemeint? Ein Märchen von einer Verschwörung? Ist die Verschwörung antisemitisch oder die Erzählung? Wer verschwört sich? Die Antisemiten? Gegen wen? Oder umgekehrt? Wird hier absichtlich mit unscharfen und unheimlich klingenden Begriffen gearbeitet?
Es folgt der nicht belegbare Generalvorwurf „Hier wird es ja so dargestellt, dass am Ende das kapitalistische System und einfach alles, wirklich alles von Juden beherrscht wird.“
Nein, das wird es de facto nicht. Man kann das hineinlesen, wenn man will. Frau Goldenbogen gibt es ganz en passant auch zu: „Man sieht das vielleicht nicht auf den ersten Blick, dass Fabian und seine Goldschmiedkollegen Juden sind. Aber es gibt eine ganze Menge Codes, vom Strippenzieher über die Gesamtverschwörung bis zu dem Umstand, dass es Geldverleiher waren, die das Problem in die Welt gebracht haben.“
Das ist genau das, was man „Verschwörungstheoretikern“ ständig vorwirft: Sie würden aus allen möglichen Symbolen, Hinweisen, Verdächten, Zufällen und Schlüsselbegriffen ganze Erklärungskonstrukte zusammenzimmern, die in ihr Weltbild passen — die aber eben doch nur „krude“ Unterstellungen aus einem bestimmten Blickwinkel sind.
Seit zehn Jahren ist der Film oder „Goldschmied Fabian – Warum überall Geld fehlt“ in der Öffentlichkeit. Er wurde weit über eine halbe Million mal gesehen, genau 574.734 mal. Niemand erblickte darin Antisemitismus. Da stößt eine arglose Lehrerin auf das Video und denkt sich, das ist mal anschaulich dargestellt, das lockert den Unterricht auf, das nehme ich als Anschauungsmaterial. Sie konnte nicht ahnen, dass deswegen ihr privater Weltuntergang bevorstand. Die arme Lehrerin ist sicher kein bisschen antisemitisch eingestellt. Nun ist sie eine verachtete Paria geworden, ohne irgendetwas Böses beabsichtigt zu haben. Wer auch immer diesen Skandal losgetreten hat, kann stolz auf sich sein. Er hat das Leben einer harmlosen Lehrerin ruiniert. Denunziation ist doch eine tolle Sache.
Hier ist der inkriminierte Film, weswegen auf eine ahnungslose Lehrerin eine Hexenjagd veranstaltet wird:
Ein acht Jahre alter Kommentar darunter lautet:
„Das sollte in jeder Schule gezeigt werden.“
Ebenso ein acht Jahre alter Kommentar:
Haben diesen Video in der Schule (9. Klasse Gymnasium) im Fach “Wirtschaft und Politik“angeschaut und es war echt lehrreich.
Irgendwie kommt keiner der vielen Kommentatoren auf den Gedanken, es könnten „die Juden“ damit gemeint sein …
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