Die Schlacht um Curry und der Woke-Wahnsinn — wie bekloppt sind wir eigentlich?

Aus der VW-Kantine ist die gute, alte Cur­ry­wurst ver­schwunden. Erstens, weil man jetzt „vegan“ werden will, denn Fleisch zu essen ist sowas von über­haupt nicht „woke“. Und zweitens ist jetzt auch „Curry“ ras­sis­tisch. Dafür machen jetzt die pri­vaten „Kan­tinen“ außerhalb der Werks­kantine einen fan­tas­ti­schen Umsatz mit der ras­sis­ti­schen, bösen Fleisch­fresser-Cur­ry­wurst. So langsam geraten alle mög­lichen Bezeich­nungen für irgend­welche Gerichte unter die streng-bes­ser­wis­se­rische Beklug­schei­ßerung der „Woken“.

Der Aus­druck „woke“ ist nicht leicht zu über­setzen. Er heißt auch im Eng­li­schen nicht einfach nur „wach“, das wäre nämlich „awake“. Würde man jemanden fragen, ob er schläft, wäre die Antwort „nein, ich bin wach“ nicht lauten: „No, I am woke“.

„Woke“ ist eher mit „erwacht“ im über­tra­genen Sinne zu über­setzen. Es ist eine Bewegung der Links-Intel­lek­tu­ellen und Bes­ser­ge­stellten in den USA, Groß­bri­tannien und Kanada und spielt sich haupt­sächlich in den geho­be­neren Schulen, in Unis und Medien ab. Diese Bewegung findet überall einen ras­sis­ti­schen Hin­ter­grund, wobei sich der Vorwurf fast immer gegen „weiße“ Men­schen richtet. Aber auch das darf man nicht sagen, weil man damit implizit unter­stellt, dass das ja Ras­sismus wäre und das kann nicht sein, weil man als „woker“ Mensch ja Anti­rassist ist.

Wer sich als Woke bezeichnet, sieht sich selbst als Kämpfer gegen Miss­stände und Unge­rech­tig­keiten ins­be­sondere weißen, ras­sis­ti­schen Ursprungs. Über­flüssig anzu­merken, dass man natürlich überall danach suchen muss, um eine Recht­fer­tigung für den eigenen Wokismus zu haben. Diese Bewegung befriedigt haupt­sächlich das Wie­der­gut­ma­chungs­be­dürfnis weißer Ober­schichtler, die ihr schlechtes Gewissen, irgendwie Nach­kommen von Kolo­ni­al­herren zu sein, darin aus­leben und alle anderen von ganz oben her­unter belehren und erziehen zu wollen. Für die woken Nicht-Weißen, die zu den soge­nannten „People of Colour“ (farbige Men­schen) gehören, ist das für einige geradezu eine Ein­ladung, sich mediale Auf­merk­samkeit zu ver­schaffen und Son­der­rechte einzufordern.

Und hier zeigt sich die ganze anti­ras­sis­tisch-über­zogene Inkon­se­quenz am Bei­spiel „Curry“.

Eine indische Blog­gerin namens Chaheti Bansal postete auf ihrem Instagram-Account Rezepte und dazu­ge­hörige Videos zu süd­asia­ti­schen Gerichten unter der Über­schrift: „Rootet in Spice“ (in Gewürzen ver­wurzelt), womit wohl gemeint ist, dass die Namen der Gerichte meist ihren Ursprung in den dafür ver­wen­deten, man­nig­fal­tigen Gewürzen dieser Region haben. Sie kri­ti­siert in diesem Zusam­menhang, dass sich das „Essen in Indien alle 100 Kilo­meter ändere“. Dass man aber im Westen immer noch den Begriff „Curry“ für alles ver­wende. Das sei ras­sis­tisch, der „Westen“ müsse sich da mehr Mühe geben.

Ahja.

Das muss natürlich jeder Grund­schüler im Rest der Welt, bis hinein in die grön­län­di­schen Grund­schulen unbe­dingt wissen, wie die Hun­derte von asia­ti­schen Gerichten genau heißen, inklusive der kor­rekten Aus­sprache und der Kenntnis der ein­zelnen Gewürze und deren Regio­na­lität. Sonst ist das Ras­sismus, weil man den feinen Vari­anten und regio­nalen Unter­schieden – allein in Indien! — in kolo­ni­al­herr­schaft­licher Arroganz nicht die gebüh­rende Beachtung schenkt.

Aber die „People of Colour“, die sich ja selbst so nennen und von den woken Gut­men­schen auch so genannt werden, die benutzen diese Ein­heits­be­zeichnung, alle gleichweg „farbige Men­schen“ zu sein. Egal, ob es Schwarz­afri­kaner, Inder, Inuits, Abori­ginees, Tibeter, Araber oder süd­ame­ri­ka­nische Indios sind. Die indi­schen Cur­ry­ge­richte haben mehr mit­ein­ander gemeinsam als all die Völker, die unter „People of Colour“ zusam­men­ge­fasst werden.

Das ist aber wurscht, denn Haupt­sache, sie sind nicht „weiß“. Genau das ist auch die Kon­no­tation, das, was dabei unter­schwellig mit­schwingt: Alle guten „People of Colour“ gemeinsam gegen die bösen „Weißen“. Man stelle sich einmal vor, diesen Aus­druck hätten umge­kehrt die weißen Kolo­ni­al­herren geprägt mit der unter­schwel­ligen Bot­schaft „Wir sind die edlen Weißen und der Rest der Menschheit sind einfach Farbige“. Das wäre (tat­sächlich!) übelster Ras­sismus und die Bezeichnung stünde heute unter Strafe.

Das Wort „Curry“ soll von dem tami­li­schen Begriff „Kari“ für Soße stammen, den die bri­ti­schen Kolo­lo­ni­al­herren falsch aus­ge­sprochen und dann für alle süd­ost­asia­ti­schen, wür­zigen Soßen­ge­richte ein­ge­führt haben. Er wird übrigens heute auch in Indien und Sri Lanka und angren­zenden Ländern ein­schließlich Thailand von den dor­tigen Ein­wohnern selbst als Ober­be­griff für diese Groß­fa­milie der schärfer gewürzten Soßen­ge­richte benutzt. Was ist das? Auto-Rassismus?

Anmerkung: Tamilen sind übrigens ein dra­vi­di­sches Volk auf dem indi­schen Sub­kon­tinent. Sie leben als eigene, kul­tu­relle Gruppe in Süd-Indien, Nord-Sri Lanka, Sin­gapur und Malaysia. Heut­zutage auch in Süd­afrika, Mau­ritius, Kanada Groß­bri­tannien, Frank­reich, Deutschland, Nor­wegen und der Schweiz. Sie haben eine eigene Sprache und Schrift, diese ist sogar eine der ältesten Schrift­sprachen Indiens. Auf Sri Lanka gibt es andau­ernde Span­nungen zwi­schen den Volks­gruppen der Tamilen und der Sin­ga­lesen. In den Sieb­ziger Jahren tobte deshalb sogar ein Bür­ger­krieg bewaff­neter Tamilen (Tamil Tigers) in Sri-Lanka, damals noch Ceylon. Das weiß ich von meinem Bekannten Wija­ratnam und möchte das nur einmal anmerken, um dem Vorwurf zu ent­gehen, kolo­ni­al­herr­schaftlich-weiß-arrogant-pau­schal zu sein.

Ich würde auch gern die woke Curry-Blog­gerin ein­laden zu einem Gespräch, wie gut sie sich bei­spiels­weise mit den Vari­anten der euro­päi­schen „Schmarrn“-, „Schmarren-“ oder Kratzete-Gerichte aus­kennt: Sem­mel­schmarrn, Kai­ser­schmarrn, Grieß­kratzete, oder dem def­tigen Kar­tof­fel­schmarrn. Wir könnten das unter der Über­schrift „rootet in Poverty“ erörtern – in der Armut ver­wurzelt. Denn die Schmarrn-Gerichte sind Armuts­ge­richte der bösen, weißen Kolo­ni­al­herren daheim in Europa. Um die hung­rigen Mäuler am Tisch irgendwie halbwegs satt zu bekommen, wurden oft einfach harte Brot­reste, etwas Mehl und diverse andere Über­reste in einer Pfanne grob in Stücke zer­teilt, mit Milch oder Wasser, manchmal auch ein Ei etwas ein­ge­weicht, zusam­men­ge­rührt und in etwas Fett gebraten. Man „kratzte“ halt alles Essbare zusammen (daher auch die Bezeichnung „Kratzete“ – Gekratzte). Das war früher sehr min­der­wer­tiges Zeug, und daher ist in diesen Regionen auch heute noch „Schmarrn“ ein Synonym für etwas Wert­loses, Unsin­niges: „A soi­chener Schmarrn“ heißt „So ein Unsinn“ oder „das taugt gar nichts“.

À propos: