Öster­reich: Strache wegen Bestech­lichkeit verurteilt

Das Wiener Land­ge­richt hat sein Urteil in den letzten August­tagen gefällt: Der ehe­malige Vize­kanzler und FPÖ-Poli­tiker Heinz-Christian Strache wurde wegen Bestechung zu 15 Monaten Haft auf Bewährung ver­ur­teilt. Der öster­rei­chische Spit­zen­po­li­tiker war wegen des berühmten „Ibiza-Videos“ in die welt­weiten Schlag­zeilen geraten. Die heim­lichen Video­auf­nahmen, absichtsvoll bös­artig zusam­men­ge­schnitten, kos­teten Herrn Strache seine Posi­tionen und Kar­riere. Erst nachher — und zu spät — stellte sich der häss­liche Betrug heraus. Nun hat er den nächsten Skandal am Hals.

Bis zuletzt beteuerte Herr Strache seine Unschuld, vergeblich.

Das Gericht befand seine Dar­stellung als unglaub­würdig. „Die Chro­no­logie der Ereig­nisse“ lasse ihrer Meinung nach keinen Zweifel auf­kommen, dass es sich hier um eine Bestechung han­delte. Es sei einfach nicht glaub­würdig, dass Herr Strache nichts von der Geld­spende gewusst haben soll.

Eine Privat-Schön­heits­klinik und seltsame Änderung eines Gesetzes

Der mit Herrn Strache befreundete Wiener Schön­heits­klinik-Besitzer Walter Grub­müller bemühte sich seit langem ver­geblich, in den staat­lichen Pri­vat­kran­ken­an­stalten-Finan­zie­rungs­fonds (PRIKRAF) auf­ge­nommen zu werden. Dieser Fonds macht die Ver­rechnung medi­zi­ni­scher Leis­tungen leichter. Nach zwei Geld­spenden an die FPÖ sei dann ein Initia­tiv­antrag der Partei gestartet worden, der die Geset­zeslage so ändern sollte, dass diese Pri­vat­klinik in die PRIKRAF auf­ge­nommen werden konnte.

Herr Grub­müller hatte im Oktober 2016 und im August 2017 Par­tei­spenden in Höhe von 2.000 und 10.000 Euro über­wiesen. Nach der ersten Spende soll Herr Strache in seiner Funktion als FPÖ-Obmann eine „fak­tische Ein­fluss­nahme“ auf FPÖ-Abge­ordnete und Funk­tionäre aus­geübt haben, um die nötigen Geset­zes­än­de­rungen auf den Weg zu bringen, die der „Pri­vat­klinik Währing“ des Herrn Grub­müller die Auf­nahme in den Kli­nik­fonds ermög­licht. In dem FPÖ-Initia­tiv­antrag wurde die Öffnung des Pri­vat­kran­ken­an­stalten-Finan­zie­rungs­fonds (Prikraf) für alle Pri­vat­kran­ken­an­stalten gefordert. Dabei wurde explizit auf Grub­müllers Pri­vat­klinik Währing ein­ge­gangen. Die Klinik hatte jah­relang erfolglos um die Auf­nahme in den Fonds, der eine direkte Ver­rechnung der Leis­tungen von Pri­vat­kli­niken mit der Sozi­al­ver­si­cherung ermög­licht, gekämpft.

Der Richter des Wiener Straf­lan­des­ge­richtes, Frau Claudia Moravec-Loidolt, sah durch die Abfolge der Gescheh­nisse „einen fak­ti­schen Zusam­menhang“ gegeben. Nachdem der Initia­tiv­antrag nach der ersten Zahlung von 2.000 von der FPÖ gestellt worden war, folgte die zweite 10.000 €-Spende auf das Konto der FPÖ. Überdies sei der Initia­tiv­antrag ganz spe­ziell und aus­schließlich nur zum Vorteil der Pri­vat­klinik Währing erfolgt und nicht „dem Interesse aller Pri­vat­kli­niken in Öster­reich“, was der Ver­tei­diger von Herrn Strache aber bestreitet. Es sei ersichtlich eben nicht aus­schließlich um die Pri­vat­klinik Währing gegangen.

„Ohne Strache und Grub­müller hätte es die Behandlung im Par­lament nicht gegeben“, hält Richter  Moravec-Loidolt dagegen. Herr Strache habe sich für andere Kli­niken nicht inter­es­siert und auch keinen Kontakt zu ihnen gesucht. Den Herren Grub­müller und Strache sei voll­kommen klar gewesen, dass hier eine Geset­zes­än­derung für ein ganz per­sön­liches Interesse gegen Bezahlung vor­liege. Solche Geset­zes­än­de­rungen oblägen nur einem Natio­nalrat. „Die Tätigkeit eines Abge­ord­neten darf nicht käuflich sein“, sagte der Richter, Frau Claudia Moravec-Loidolt.

Die Wiener Staats­an­walt­schaft führte überdies als Beweis die Han­dy­kom­mu­ni­kation er beiden Herren an. Hier sei „unge­schminkt offen“ dar­gelegt worden, was wirklich bezweckt worden war, sagte Ober­staats­anwalt Bernhard Weratschnig.

Ist die Sachlage viel­leicht doch nicht ganz so klar?

Rechts­anwalt Helmut Grub­müller, der Bruder des Ange­klagten Walter Grub­müller, sieht die Sachlage ganz anders. Die Beweise seien „alles andere als dicht“. Es sei vielmehr so, dass der Pri­vat­klinik Währing der Zugang zu den Finanz­mitteln der PRIKRAF in rechts­wid­riger Weise nicht gewährt worden sei. Sein Mandant, Kli­nik­be­sitzer Walter Grub­müller, habe sich kein Gesetz gekauft, das sei gar nicht nötig gewesen. Es sei vielmehr ein Zustand der Rechts­wid­rigkeit zu beheben gewesen.

Was die Spenden betreffe, so sei diese hoch­of­fi­ziell erfolgt und daher auch auf dem ganz nor­malen Weg (und nicht als Bargeld auf die Hand). Herr Grub­müller habe das absichtlich so gemacht, weil er damit seine „massive Ent­täu­schung“ über die SPÖ (Sozi­al­de­mo­kra­tische Partei Öster­reichs) aus­drücken wollte. Er war jah­relang Par­tei­mit­glied der SPÖ gewesen.

Der Straf­ver­tei­diger Herrn Straches, Rechts­anwalt Johann Pauer, sieht seinen Man­danten eben­falls zu Unrecht ver­ur­teilt. Er unter­stellt der Staats­an­walt­schaft zahl­reiche “Fehl­an­nahmen“. Herr Strache habe sich – unab­hängig von den Spenden — dafür ein­ge­setzt, dass ein „juris­ti­scher Miss­stand“ zu Lasten der Pri­vat­klinik des Herrn Grub­müller und anderer Pri­vat­kli­niken beseitigt wurde.

Rechts­anwalt Pauer stellte den Ablauf der Gescheh­nisse in ein völlig anderes Licht: „Der Initia­tiv­antrag war nicht einmal im Ansatz geeignet, einen Gesetz­wer­dungs­prozess aus­zu­lösen. Dieser wäre aus­sichtslos gewesen, vor der Natio­nal­ratswahl 2017 habe die FPÖ allein 24 Initia­tiv­an­träge ein­ge­bracht“, sagte Pauer. Es hätte zeitlich gar nicht funk­tio­niert, dass dieser Initia­tiv­antrag recht­zeitig im Gesund­heits­aus­schuss behandelt worden wäre: „Niemand, der bei Trost ist, zahlt 12.000 Euro, das ihm nichts bringt.“  Darüber hinaus habe auch keiner der ver­nom­menen Zeugen von einer Ein­fluss­nahme seines Man­danten berichtet. Von einem straf­baren Ver­halten könne daher keine Rede sein.

Zwei weitere Ankla­ge­punkte der Staats­an­walt­schaft wurden von Gericht jedoch mit Frei­spruch zu den Akten gelegt. Die Ein­ladung des Kli­nik­be­sitzers Grub­müller an Herrn Strache nach Korfu könne schon deshalb nicht als Bestechung geahndet werden, weil Herr Strache dieser Ein­ladung nie gefolgt ist. Die Staats­an­walt­schaft hatte wei­terhin behauptet, der Kli­nik­be­sitzer Grub­müller habe Herrn Strache und damit der FPÖ Ende April 2019 eine weitere Par­tei­spende für Wahl­kampf zur Euro­pawahl ange­boten. Die Beweislage war jedoch so dünn, dass das Gericht sie als nicht aus­rei­chend befand.

Das Gericht ver­ur­teilte beide Ange­klagten wegen Bestechung. Ex-FPÖ-Vize­kanzler Strache erhielt 15 Monate auf Bewährung. Kli­nik­be­sitzer Walter Grub­müller erhielt 12 Monate „bedingter Haft“, was ein öster­rei­chi­scher Aus­druck für „auf Bewährung“ ist. Richter Claudia Moravec-Loidolt setzte die Pro­bezeit auf drei Jahre fest.

Herr Heinz-Christian Strache zeigte sich „zutiefst über­rascht, aber auch scho­ckiert“ über den Schuld­spruch und sprach von einem „Fehl­urteil“. Das Urteil ist noch nicht rechts­kräftig. Beide Ange­klagte werden in die Berufung gehen. Nun muss sich das Wiener Ober­lan­des­ge­richt damit auseinandersetzen.