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Die große Trans­for­mation – wer soll das bezahlen?

Viel­leicht sollte ein­gangs daran erinnert werden, dass Koali­ti­ons­ver­träge eine Erfindung der Mer­kel­jahre sind. Bis zur letzten Regierung Kohl genügten lockere, meist nur münd­liche Ver­ein­ba­rungen. Als die erste GroKo „geschmiedet“ werden musste, waren sich die Partner nicht nur fremd, sondern erfüllt von tiefem Miss­trauen gegen­ein­ander. Deshalb griff man zum Instrument eines Koali­ti­ons­ver­trags. Nach vier Legis­la­tur­pe­rioden hat sich dieser Vertrag zu einer Art Über­gesetz gemausert, jeden­falls wird er von Robert Habeck so inter­pre­tiert, der die Abstands­regeln für bay­rische Wind­räder mit Hinweis auf den Koali­ti­ons­vertrag kippen will. Deshalb sind die Ampel­ver­ein­ba­rungen auch so detail­liert und voller Ankün­di­gungen von (teuren) Vorhaben.

Selbst die Hal­tungs-Medien, die kräftig dazu bei­getragen haben, dass die Öffent­lichkeit mög­lichst wenig darüber erfährt, was die Ampel­ko­ali­tionäre wirklich beschlossen haben, kamen nicht umhin, die bange Frage auf­zu­werfen, wie all die Vor­haben, die da ange­schoben werden sollen, zu finan­zieren wären. In dieser Beziehung gibt sich die Ver­ein­barung eher zuge­knöpft. Außer der Schließung von Steu­er­schlupf­lö­chern ist ihnen nicht mehr ein­ge­fallen als die Hoffnung auf eine ansprin­gende Kon­junktur, die genügend Geld in die klammen Kassen spült. Wieso ein Renn­pferd, das gefesselt wird, dennoch im Wett­bewerb sieg­reich sein soll, ist die Frage, die nicht gestellt, geschweige denn beant­wortet wird.

Um ein paar Pro­bleme kommen die Koali­tionäre nicht herum. Zum Bei­spiel, dass Deutschland bereits jetzt die höchsten Strom­preise der Welt hat und es eine wach­sende Zahl von Gering­ver­dienern gibt, die ihre Rech­nungen nicht mehr bezahlen können. Das soll künftig der Steu­er­zahler übernehmen.

Unter „Sozial gerechte Ener­gie­preise“ steht:

„Um – auch ange­sichts höherer CO2-Preis­kom­po­nenten – für sozial gerechte und für die Wirt­schaft wett­be­werbs­fähige Ener­gie­preise zu sorgen, werden wir die Finan­zierung der EEG-Umlage über den Strom­preis beenden. Wir werden sie daher zum 1. Januar 2023 in den Haushalt über­nehmen. Die Finan­zierung über­nimmt der EKF, der aus den Ein­nahmen der Emis­si­ons­han­dels­systeme (BEHG und ETS) und einem Zuschuss aus dem Bun­des­haushalt gespeist wird. Der EKF wird in der Lage sein, die Finan­zierung der nötigen Kli­ma­schutz­maß­nahmen und der EEG-Umlage zu stemmen. (S. 62)

Damit das mit dem Stemmen auch klappt, soll eine neues „Ener­gie­design“ erar­beitet werden. „Wir werden die staatlich indu­zierten Preis­be­stand­teile im Ener­gie­sektor grund­legend refor­mieren und dabei auf sys­te­ma­tische, kon­sis­tente, trans­pa­rente und mög­lichst ver­zer­rungs­freie Wett­be­werbs­be­din­gungen abzielen, Sek­to­ren­kopplung ermög­lichen und so ein Level-Playing-Field für alle Ener­gie­träger und Sek­toren schaffen“. (62)

Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, hieß ein Spruch in meiner Kindheit. Die Pla­nungen in der DDR waren durch ähn­liches Fach­chi­ne­sisch geprägt und von äußerst mäßigem Erfolg.

Mit Schwung gehen die Koali­tionäre auch die „Trans­for­mation der Wirt­schaft“ an. An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hin­weisen, dass alle, die von der von Politik und Kon­zernen beab­sich­tigten großen Trans­for­mation gesprochen haben, auch wenn sie sich auf den Buch­titel von Klaus Schwab bezogen, in den Medien als Ver­schwö­rungs­theo­re­tiker gebrand­markt wurden. Nun schicken sich ent­weder die größten Ver­schwö­rungs­theo­re­tiker an, uns zu regieren, oder die Pro­pa­ganda wollte ver­hindern, dass zu früh über diese Pläne dis­ku­tiert wird. Jetzt ist die große Trans­for­mation jeden­falls regierungsamtlich.

„Im Dialog mit Wirt­schaft, Gewerk­schaften und Ver­bänden wollen wir eine „Allianz für Trans­for­mation“ schmieden und in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 stabile und ver­läss­liche Rah­men­be­din­gungen für die Trans­for­mation besprechen. (S.64)

Dazu legen wir u. a. einen Trans­for­ma­ti­ons­fonds bei der KfW auf, nutzen Kli­ma­schutz­dif­fe­renz­ver­träge, fördern Leucht­turm­pro­jekte und schaffen Anreize für Leit­märkte und für kli­ma­neu­trale Pro­dukte.“ (S. 64) Das ist besonders pikant, dass auch die FDP neu­er­dings per Ordre de mufti „Leit­märkte“ schaffen will. Um rot-grün kom­pa­tibel zu werden, hat Chef­un­ter­händler Christian Lindner die FDP ebenso ent­kernt, wie Merkel die CDU.

Im Trans­for­ma­ti­ons­ka­pitel wird auch noch einmal geradezu putzig zur Atom­kraft und ihren Abfällen Stellung genommen:

„Wir stellen uns der Ver­ant­wortung für die radio­ak­tiven Abfälle. Die Stand­ort­suche für ein End­lager für hoch­ra­dio­aktive Abfälle soll ent­spre­chend der gesetzlich fest­ge­legten Prin­zipien wis­sen­schafts­ba­siert, par­ti­zi­pativ, trans­parent, sich selbst hin­ter­fragend und lernend fort­ge­setzt werden“. (S. 64)

Lernend? Die Bot­schaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Als Mit­glied des Umwelt­aus­schusses des Deut­schen Bun­destags habe ich die vom dama­ligen Umwelt­mi­nister Jürgen Trittin ins Leben gerufene Arbeits­gruppe End­lager, genannt „AK End“, ken­nen­ge­lernt. Im Gegensatz zu den Mer­kel­schen Kom­mis­sionen bestand diese Gruppe tat­sächlich noch aus Fach­leuten. Von denen habe ich erfahren, dass es bereits damals mehrere mög­liche End­lager gab, ihre Inbe­trieb­nahme aber poli­tisch nicht gewollt war. Inzwi­schen könnte man den Atommüll auch in spe­zi­ellen Reak­toren ver­brennen, aber auch das ist poli­tisch nicht gewollt. Mehr noch. Die Koali­tionäre ent­ziehen sich nicht nur dem inter­na­tio­nalen Trend, der zurück zur Atom­kraft geht – und zwar aus Kli­ma­schutz­gründen, sondern sie wollen andern Staaten vor­schreiben, was sie zu lassen haben.

„Wir werden uns für eine Abschaltung der grenz­nahen Risi­ko­re­ak­toren ein­setzen“. (S.64) Wie wollen sie das machen? Tsche­chien, Polen und Frank­reich mit Boykott bedrohen oder gar ein­mar­schieren? Tsche­chien ist ja dabei ein neues AKW zu bauen und hat bereits ange­kündigt, dass es Deutschland mit diesem Atom­strom mit­ver­sorgen wird. Wetten, dass Deutschland dieses Angebot nicht ablehnen kann?


Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de