Mitt­ler­weile 300 Unter­zeichner des Aufrufs gegen Gen­der­praxis im öffentlich-recht­lichen Rundfunk: Sprach-Wis­sen­schaftler gegen Genderpraxis

Der Streit über einen Aufruf von fast 300 Sprach­for­schern zur Gen­der­praxis der Zwangs­sender geht in die nächste Runde.

Zunächst hatten 70 Sprach­wis­sen­schaftler ihn unter­zeichnet: Den Aufruf zur Kritik an der Gen­der­praxis im Öffentlich-Recht­lichen Rundfunk. Mitt­ler­weile ist die Zahl der Unter­zeichner auf 283 gestiegen. Die Lin­gu­isten kri­ti­sieren die »Miss­achtung der amt­lichen Recht­schreib­regeln« und eine »ortho­gra­fische Frei­zü­gigkeit« durch Gen­der­sterne und eine Reihe anderer soge­nannter Binnenzeichen.

Zu den Unter­zeichnern gehört Gisela Zifonun, Autorin des soeben erschienene Buches ›Das Deutsche als euro­päische Sprache‹; sie prangert seit langem die sprach­lichen Schäden des Gen­derns. So verwies sie darauf, dass, wer eine Autorin »eine der wich­tigsten Schrift­stel­le­rinnen« nennt, das Lob tat­sächlich ver­kleinert. Richtig muss es heißen: Sie ist »einer der wich­tigsten Schrift­steller«, denn mit Schrift­steller sind eben alle gemeint und nicht nur die weiblichen.

Eben­falls unter­schrieben hat Manfred Bier­wisch, der »Meister der deut­schen Lin­gu­istik« und ehe­ma­liger Leiter der Arbeits­gruppe struk­tu­relle Gram­matik der Max-Planck-Gesell­schaft an der Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin. Bier­wisch, Jahrgang 1930, hat bereits in der DDR mit staat­lichen Ver­boten seine Erfahrung gemacht, als seine Autoren­schaft einer Neu­über­setzung des Nibe­lun­gen­liedes, die er zusammen mit Uwe Johnson besorgte, auf Anordnung der DDR-Behörden ver­schwiegen wurde.

Weitere Unter­zeichner sind Peter Eisenberg, Ver­fasser gleich meh­rerer Stan­dard­werke zur Gram­matik des Deut­schen und Manfred Krifka, Direktor des Leibniz-Instituts für all­ge­meine Sprach­wis­sen­schaft in Berlin.

Geradezu amüsant ist die Reaktion der Kri­tiker des Aufrufs. So ver­suchte die Mainzer Lin­gu­istin Damaris Nübling die Unter­zeichner als alt und aktuell wis­sen­schaftlich unbe­deutend zu dif­fa­mieren – ein Vorwurf, der sich ange­sichts ihres 60. Geburtstags im nächsten Frühjahr schnell als Bumerang erwies. In einem direkten wis­sen­schaft­lichen Ver­gleich etwa mit Manfred Bier­wisch sieht die Dame schlecht aus, wie ein kurzer Blick auf die Liste der Ver­öf­fent­li­chungen auf den ent­spre­chenden Seite zeigt.

End­gültig dis­qua­li­fi­zierte sich Nübling mit dem Vorwurf, bei den Unter­zeichnern handele es sich um ›Arm-Chair Lin­gu­isten‹ – also ›Ohren­sessel-Lin­gu­isten‹, die von der Praxis keine Ahnung haben. In einer Replik heißt es über die Erst­un­ter­zeichner: »Das theo­re­tische Spektrum reicht von gene­ra­tiver Gram­matik über die Natür­lich­keits­theorie bis hin zur Gram­ma­ti­ka­li­sie­rungs­theorie. Bernd Heine, weltweit füh­render Afri­kanist und maß­geblich an der Ent­wicklung der Gram­ma­ti­ka­li­sie­rungs­theorie beteiligt, als ›armchair‹-Linguisten zu bezeichnen, verrät ein erstaun­liches Ausmaß an Ignoranz.«

Dann werden die Sprach­wis­sen­schaftler wis­sen­schaftlich: Nüb­lings Aussage, »Gram­matik ist ent­standen aus Sprach­ge­brauch, sie ist sedi­men­tiertes Sprechen und kon­ser­viert his­to­rische Gesell­schafts- und Geschlecht­er­ord­nungen« sei durch nichts zu belegt. »Die Gen­der­lin­gu­istik ist nämlich auf weiter Flur die einzige Dis­ziplin, die sich mit Sprach­vor­schriften durch­zu­setzen ver­sucht, anstatt wie alle wis­sen­schaft­lichen Dis­zi­plinen des Fachs deskriptiv und theo­re­tisch erklärend zu arbeiten.« Kurz gesagt: Nübling arbeitet ideo­lo­gisch und nicht wissenschaftlich.


Quelle: freiewelt.net