Quarantänelager, Container in China, Bild: Screenshot Youtube

Geheime Onlinesprache: Wie die Chi­nesen ihre Zen­soren aus­tricksen — Guangzhou im teil­weisen Lockdown, die Angst und Wut steigt (+Videos)

Ange­sichts der immer weiter zuneh­menden Zensier- und Bestra­fungswut der Regierung und der Sozialen Medien wird der Kor­ridor der erlaubten Mei­nungs­äu­ße­rungen immer enger, die Wut aber immer größer. Ein Span­nungsfeld, was sich immer weiter ver­schärft. Das ist schon seit Men­schen­ge­denken so. Das Volk findet immer Mög­lich­keiten, die Zensur zu umgehen, die „Mäch­tigen“ immer neue Methoden, Druck und Strafen zu ver­schärfen, bis der Topf über­kocht und die Macht­elite weg­gefegt wird. Die „Mäch­tigen“ lernen nie, dass sie den Volkszorn nur anheizen und allen­falls Zeit schinden. Das kann man gerade an Chinas Sozialen Medien beobachten.

https://edition.cnn.com/2022/11/11/asia/guangzhou-cantonese-covid-dissent-intl-hnk-dst/index.html

Trotz dra­ko­ni­scher Maß­nahmen, Löschungen und Sper­rungen von sozialen Accounts wissen die Chi­nesen, wie sie ihrem Ärger dennoch Luft machen können. Manche erzählen kleine, erfundene Geschichten aus Ver­wandt­schaft und Freun­des­kreis als Gleichnis und jeder weiß, wen die angeb­lichen Prot­ago­nisten eigentlich dar­stellen. Oder sie benutzen alte Schrift­zeichen ihrer Provinz, die von den Zen­surbots nicht gelesen werden können. Oder sie benutzen west­liche Schrift­zeichen oder rus­sische, um in „Laut­sprache“ chi­ne­sisch zu schreiben. Manchmal ohne Leer­taste zwi­schen den Wörtern und mit absicht­lichen Schreib­fehlern. Man muss es sich dann selbst laut vor­lesen, um den Sinn zu ver­stehen. Und wenn es dann noch in der eigenen Pro­vinz­sprache mit ihren ganz eigenen Aus­drücken geschrieben ist, erkennt der Zensur-Bot nur noch Buchstabensalat.

Um das ein bisschen zu illus­trieren, ver­suche ich hier einmal ein Beispiel:

Demm­wer­mas­scho­zaign­dem­haa­der­lumpmdemdr­eggadn.

Nix­versteh? Erste Hilfe: Es ist Bayrisch:
Dem wer’n ma’s scho zeig’n, dem Haderlump’m dem dreggad’n:

Über­setzung:
„Dem werden wir es schon zeigen, diesem Mistkerl, diesem dreckigen!“

Jetzt stellen Sie sich noch vor, dass in dem Post noch chi­ne­sische Schrift­zeichen ent­halten wären, die bestimmte Silben ersetzen, sowie Emojis mit einer ganz andere Bedeutung als üblich, dann ver­stehen Sie viel­leicht, was die Chi­nesen da machen.

Gerade seit ein paar Tagen ist ja wieder ein totaler Lockdown über die 19-Mil­lio­nen­stadt Guangzhou ver­hängt worden. Diese Megacity ist Chinas Tex­til­her­stel­lungs-Zentrum. Am letzten Freitag wurden am dritten Tag in Folge wieder über 3.500 Covid-Infek­tionen gemeldet. Die Regierung rie­gelte Teile der Stadt ab und ver­hängte strenge Ein­däm­mungs­maß­nahmen, ein­schließlich Auslieferungsstopps.

Das führte sofort zu Ver­zö­ge­rungen und Waren­staus vor und in den Häfen Guang­zhous, Shen­zhens und Hong­kongs. Dort liegen zurzeit bereits rund 90 Fracht­schiffe mit ins­gesamt 435.000 Con­tainern vor Anker. Die benach­barten Häfen in Shenzhen (Yantian und Shekou) sind eben­falls durch hohe Export­ver­weil­zeiten von mehr als acht Tagen prak­tisch lahm­gelegt, berichtet das Han­dels­blatt.

Und CNN berichtet, dass in Guangzhou über fünf Mil­lionen Ein­wohner in ihren Häusern ein­ge­sperrt sind. Wir erinnern uns an Shanghai, wo wegen eines Covid-Aus­bruches Mil­lionen Men­schen in ihren Woh­nungen ein­ge­sperrt waren und viele ver­hungert sind. Die Leute fingen an, ihre Haus­tiere zu essen oder sprangen in ihrer Ver­zweiflung von den Bal­konen in den Tod.

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Das wie­derholt sich jetzt offen­sichtlich in Guangzhou. Das, obwohl die Erfah­rungen aus Shanghai zeigen, dass sie nicht wirklich wirksam sind, mehr Tote als die Infektion selbst ver­ur­sachen, riesige, wirt­schaft­liche Schäden erzeugen und die Men­schen wütend machen.

Der gegen­wärtige Aus­bruch in Guangzhou ist  der schlimmste seit Beginn der Pandemie:
„Die meisten Fälle in Guangzhou kon­zen­trierten sich auf den Bezirk Haizhu – ein haupt­sächlich durch Wohn­ge­biete gekenn­zeich­neter Stadt­bezirk mit 1,8 Mil­lionen Ein­wohnern am Südufer des Perl­flusses. Haizhu wurde am ver­gan­genen Samstag abge­riegelt, die Bewohner wurden ange­wiesen, das Haus nicht zu ver­lassen, es sei denn, es sei unbe­dingt nötig. Alle öffent­lichen Ver­kehrs­mittel – von Bussen bis zu U‑Bahnen – wurden ein­ge­stellt. Der Lockdown sollte zunächst drei Tage dauern, wurde inzwi­schen aber bis Freitag ver­längert. Zwei weitere Distrikte – mit einer Gesamt­be­völ­kerung von 3,8 Mil­lionen – wurden am Mittwoch gesperrt, als sich der Aus­bruch aus­weitete. Das Essen in Restau­rants wurde ver­boten und die Schließung von Geschäften ange­ordnet, mit Aus­nahme derer, die wichtige Vorräte lieferten.

Am Mitt­woch­nach­mittag kün­digte ein dritter Bezirk, das abge­legene Panyu, eine Sperrung an, die bis Sonntag dauern wird. Der Bezirk ver­bannte auch Pri­vat­fahr­zeuge und Fahr­räder von den Straßen. Ab Don­nerstag ver­legen alle Grund- und Mit­tel­schulen in den acht Stadt­teilen der Stadt den Unter­richt online, die Kin­der­gärten sind geschlossen. Nach­hil­fe­klassen, Aus­bil­dungs­ein­rich­tungen und Kin­der­ta­ges­stätten werden eben­falls ihre Dienste einstellen.“

Noch ist der Lockdown nicht so brutal wie in Shanghai, es gibt noch keine Hun­gersnot. Die Leute hatten sich nach den grau­en­haften Tra­gödien in Shanghai gleich bei den ersten Anzeichen einer Covid-Epi­demie mit Lebens­mitteln für lange Zeit ein­ge­deckt:

„In Erwartung, dass noch Schlim­meres kommt, haben sich viele Ein­wohner von Guangzhou mit Lebens­mitteln und anderen Vor­räten ein­ge­deckt. „Ich habe wie ver­rückt (Lebens­mittel und Snacks) online gekauft. Am Schluss werde ich wahr­scheinlich einen Monat lang Reste essen“, sagte ein Bewohner, dessen Gebiet im Bezirk Haizhu von den Behörden (noch) als risi­koarm ein­ge­stuft wurde.“

Natürlich fürchten sie, dass, wenn sich der Covid-Aus­bruch aus­weitet und die ganze Stadt betreffen sollte, die­selben Zustände kommen könnten, wie in Shanghai:

„Viele befürchten jedoch, dass eine pau­schale, stadt­weite Sperrung unmit­telbar bevor­stehen könnte, wenn sich der Aus­bruch weiter aus­breitet. Auf WeChat, Chinas Super-App, teilen Ein­wohner Dia­gramme, in denen sie Ende März, in den Tagen vor der zwei­mo­na­tigen Sperrung des öst­lichen Finanz­zen­trums, die stei­gende Fallzahl von Guangzhou mit der von Shanghai ver­gleichen. Beamte in Shanghai bestritten zunächst, dass eine stadt­weite Sperrung not­wendig sei, ver­hängten dann aber eine, nachdem die Stadt 3.500 täg­liche Infek­tionen gemeldet hatte.“

Die strikten Ein­däm­mungs­maß­nahmen, wie an jeder Ecke testen, das Ein­ge­sperrtsein in der Wohnung, die abge­rie­gelten Wohn­blöcke, nir­gend­wohin gehen können, ohne überall seinen QR-Code an den Sperren ein­zu­geben, ob man pas­sieren darf – rufen Angst und Wut hervor. CNN schreibt:

„Andere, die zornig wegen der Ein­däm­mungs­maß­nahmen und Test­pflichten sind, benutzen die sozialen Medien und machen ihrer Frus­tration Luft. Auf Weibo, Chinas Pendant zu Twitter, kur­sieren immer mehr Bei­träge, die Slang und Kraft­aus­drücke im lokalen kan­to­ne­si­schen Dialekt ver­wenden, um Null-Covid-Maß­nahmen zu kri­ti­sieren – und die scheinen den Augen von Online-Zen­soren, die sie nicht ver­stehen können, weit­gehend zu ent­wi­schen. „Ich lerne jeden Tag kan­to­ne­sische Schimpf­wörter in Echtzeit-Hot-Search“, sagte ein Weibo-Nutzer. Unter­dessen stehen die lokalen Behörden lan­desweit unter Druck (aus Peking), die Covid-Ein­däm­mungs­maß­nahmen zu ver­stärken – trotz wach­sender öffent­lichen Frustration.“

Die Ein­däm­mungs­maß­nahmen sind mitt­ler­weile gefürch­teter als die Infektion. Ein Video der South China Morning Post schildert, wie beim Auf­treten der ersten Covid-Infek­tionen in dem großen Werk von Foxconn in Shengszhu, in der Provinz Henan, die Beleg­schaft in wilder Flucht das Werks­ge­lände ver­lässt und nach Hause eilt. In diesem Werk wird das neue Apple Iphone zusam­men­gebaut. Die Beleg­schaft weiß eben genau, dass, wenn sie nicht recht­zeitig weg sind, sie darin auf unbe­stimmte Zeit gefangen sind. Weder wäre eine – schon nor­ma­ler­weise schlechte – Ver­pflegung mit Essen möglich, noch gäbe es die nötigen sani­tären Ein­rich­tungen in der Fabrik.

Bevor blitz­artig die Absper­rungen, die weißen Out­break-Bataillone und die Test­sta­tionen überall aus dem Boden schießen und der grüne QR-Code auf dem Handy (ohne den man keine Stra­ßen­kreuzung wei­ter­kommt) auf rot geht und man voll­kommen ver­loren ist, muss man daheim sein, bevor man ver­loren ist und in irgendein Lager trans­por­tiert wird.

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Angst, Not, Leid, Aus­sichts­lo­sigkeit und Wut im Volk zusammen mit Zensur sind die Zutaten für eine hoch­ex­plosive Mischung. Schon immer gewesen.