Der Nachweis eines men­schen­ge­machten Kli­ma­wandels ist nicht erbracht — Eine erkennt­nis­theo­re­tische Kritik

Dieser Beitrag ist erstmals im November 2017 erschienen. Die Wie­der­ver­öf­fent­li­chung erfolgt anlässlich der Kli­ma­kon­ferenz COP27 in Scharm El-Sheikh, Ägypten.

[HIER als PODCAST zum Anhören.]

(von Andreas Tiedtke)

Am ver­gan­genen Freitag [17. November 2017] ging in Bonn die 23. UN-Kli­ma­kon­ferenz (COP 23) zu Ende, mit über 20.000 Teil­nehmern aus aller Welt, begleitet von einer Schar von Jour­na­listen.[1] Mit der Kon­ferenz fand das Pariser Kli­ma­ab­kommen seine Fort­setzung, eines der größten Steu­er­pro­jekte der Staaten in der Geschichte der Menschheit: Ab 2020 sollen zunächst die Indus­trie­länder jährlich 100 Mil­li­arden US$ für den Umbau der Ener­gie­ver­sorgung, aber auch zur Besei­tigung von durch den Kli­ma­wandel ver­ur­sachten Schäden zur Ver­fügung stellen. Ein Großteil dieser Gelder soll vor­aus­sichtlich als pri­vat­wirt­schaft­liche Inves­ti­tionen in die Ent­wick­lungs­länder fließen und nur ein ver­gleichs­weise geringer Anteil aus öffent­lichen Quellen für die schon heute not­wendige Behebung von kli­ma­be­dingten Schäden.[2]

Natürlich werden die Poli­tiker der Indus­trie­länder die öffent­lichen Gelder nicht aus der eigenen Tasche zahlen, sondern werden die Steu­er­zahler zur Kasse bitten. Und was die pri­vat­wirt­schaft­lichen Inves­ti­tionen angeht, bräuchte es kein Abkommen, wenn sie sich bereits heute rechnen würden. Statt­dessen werden durch Regu­lierung und Sub­ven­tionen Anreize geschaffen, sodass private Pro­du­zenten in ihrer Ver­fü­gungs­freiheit ein­ge­schränkt und Steu­er­zahler zur Ader gelassen werden. Zudem fordert der Inter­na­tionale Wäh­rungs­fonds eine CO2-Steuer[3], obgleich die Netto-Steu­er­zahler bereits heute durch Ener­gie­steuern und ‑umlagen, Kfz-Steuern oder Regu­lie­rungs­vor­schriften beim Woh­nungsbau stark belastet werden.

Sollten die Bürger zu dem Schluss gelangen, dass die Poli­tiker keine stich­hal­tigen Beweise anführen können für diese mas­siven Ein­griffe in ihr Ver­mögen und ihre Freiheit, wäre das eine Kata­strophe für die Poli­tiker und eine Industrie, die mitt­ler­weile nicht mehr von Kunden lebt, sondern sich von Steu­er­geldern und Regu­lierung ernährt: Von Wind­rädern über Elek­tro­autos bis hin zu Leucht­mitteln und Sty­ropor-Wär­me­dämm­platten – und den Kli­ma­kon­fe­renzen selbst.

Sollten die Bürger zu dem Schluss gelangen, dass die Poli­tiker keine stich­hal­tigen Beweise anführen können für diese mas­siven Ein­griffe in ihr Ver­mögen und ihre Freiheit, wäre das eine Kata­strophe für die Politiker …

Auf die wis­sen­schaft­liche Methode kommt es an

Will man fest­stellen, ob es einen Kli­ma­wandel gibt, welche Ursachen er hat, welche Kon­se­quenzen er haben wird, und ob man ihn ver­hindern oder die Kon­se­quenzen abmildern kann, sind ver­schiedene wis­sen­schaft­liche Methoden denkbar: die der Natur­wis­sen­schaft, der Öko­nomik, der Mathe­matik, der Logik und der Geschichts­wis­sen­schaft. Jeder dieser Wis­sen­schafts­zweige hat seine eigene Methode, um Erkennt­nisse zu gewinnen.

Da der Gegen­stand dieser Unter­su­chung der Kli­ma­wandel ist, ist zunächst mit dem Begriff des Klimas zu beginnen: Das Klima[4] ist das 30-jährige Mittel diverser Wet­ter­werte wie Tem­pe­ratur, Wind­richtung und ‑geschwin­digtkeit, Luft­feuch­tigkeit, Nie­der­schlagsart und ‑menge, Wol­ken­be­de­ckung etc. Es ist kein Rechen­produkt der Anwendung von Formeln, die kon­stante Rela­tionen angeben, sondern es handelt sich um his­to­rische (Durchschnitts-)Daten, die gemessen wurden, es ist: eine Sta­tistik. Der öster­rei­chische Ökonom Ludwig von Mises (1881 – 1973) schrieb über sta­tis­tische Daten:

Erfahrung ist immer Erfahrung der Ver­gan­genheit. Erfahrung und Geschichte liegen nie in der Zukunft. Diese Bin­sen­weisheit müsste nicht wie­derholt werden, wenn es nicht das Problem der Pro­gnosen der Sta­tis­tiker gäbe …[5] Die Sta­tistik ist die Beschreibung von Phä­no­menen, die nicht durch regel­mäßige Ein­heit­lichkeit gekenn­zeichnet sind, in Zah­len­aus­drücken. Soweit es eine erkennbare Regel­mä­ßigkeit in der Abfolge von Phä­no­menen gibt, ist es nicht nötig, zur Sta­tistik zu greifen. … Sta­tistik ist daher eine spe­zi­fische Methode der Geschichts­schreibung. … Sie handelt von der Ver­gan­genheit und nicht von der Zukunft. Wie jede andere Erfahrung von der Ver­gan­genheit kann sie gele­gentlich wichtige Dienste bei der Zukunfts­planung leisten, aber sie sagt nichts aus, das direkt für die Zukunft gültig ist.

Und weiter:

Es gibt nicht so etwas wie sta­tis­tische Gesetze. Die Leute greifen zu sta­tis­ti­schen Methoden genau deshalb, weil sie nicht in der Lage sind, in der Ver­kettung und Abfolge von Gescheh­nissen eine Regel­mä­ßigkeit zu erkennen.[6]

Wenn eine Sta­tistik zum Bei­spiel zeigt, dass auf A in 95% der Fälle B folgt und in 5% der Fälle C, heißt das, dass kein voll­kom­menes Wissen über A vor­liegt. A müsste in A1 und A2 zerlegt werden, und wenn sich fest­stellen ließe, dass auf A1 immer B und auf A2 immer C folgen würde, dann läge voll­kom­menes Wissen vor.[7]

Natur­wis­sen­schaft

Ein natur­wis­sen­schaft­licher Beweis kann durch eine Sta­tistik also nicht erbracht werden. Der Grund:

Die Welt der Natur­wis­sen­schaften ist das Gebiet, in dem der mensch­liche Geist durchaus fähig ist, kon­stante Bezie­hungen zwi­schen Ele­menten zu ent­decken.[8] Im Bereich der Physik und der Chemie gibt es … kon­stante Bezie­hungen zwi­schen Größen, und der Mensch ist fähig, diese kon­stanten Bezie­hungen mit hin­rei­chender Genau­igkeit in Labor­ex­pe­ri­menten zu erkennen.[9]

Aller­dings betont Mises: Selbst die Natur­wis­sen­schaften können keine „exakten“ Ergeb­nisse liefern. Er schreibt:

Labor­ex­pe­ri­mente und Beob­achtung von äußeren Phä­no­menen erlauben den Natur­wis­sen­schaften Mes­sungen und die Quan­ti­fi­zierung des Wissens. … Heute leugnet niemand mehr, dass wegen der Unzu­läng­lichkeit unserer Sinne Mes­sungen niemals voll­kommen und genau in der umfas­senden Bedeutung des Begriffs sind. Sie liefern mehr oder weniger genaue Annä­he­rungs­werte. Übrigens zeigt die Hei­sen­bergsche Unschär­fe­re­lation, dass es Bezie­hungen gibt, die über­haupt nicht mehr gemessen werden können. Es gibt in unserer Beschreibung der Natur­phä­nomene keine quan­ti­tative Exaktheit. Doch sind die Nähe­rungs­werte, die phy­si­ka­lische und che­mische Gegen­stände liefern, für die prak­ti­schen Zwecke im Großen und Ganzen genügend. Die Welt der Tech­no­logie ist eine Welt der annä­hernden Messung und der annä­hernden quan­ti­ta­tiven Bestimmtheit.[10]

Obwohl selbst die Natur­wis­sen­schaften kein sicheres Wissen liefern können, genießen sie doch großes Ver­trauen. Zu Recht: Sie haben viele für die Praxis taug­liche Erkennt­nisse her­vor­ge­bracht. Dank der Labor­ex­pe­ri­mente: Durch sie lassen sich kon­stante Rela­tionen auf­zeigen, sie sind beliebig wiederholbar.

Spe­zi­fi­sches Verstehen

Sofern kon­stante Rela­tionen – wie bei den Natur­wis­sen­schaften – nicht fest­ge­stellt werden können, wie etwa bei der Inter­pre­tation von Geschichts­daten oder bei der Vor­aussage künf­tiger Ereig­nisse (also der Geschichte der Zukunft), wenden Men­schen die Methoden des spe­zi­fi­schen Ver­stehens an.

[Ver­stehen] ist die Methode, die alle His­to­riker und auch alle anderen Men­schen stets anwenden, wenn es um die Inter­pre­tation ver­gan­gener Ereig­nisse der Mensch­heits­ge­schichte und um die Vor­aussage künf­tiger Ereig­nisse geht. Die Ent­de­ckung und Abgrenzung des Ver­stehens war eine der wich­tigsten Bei­träge der modernen Erkennt­nis­theorie. … Der Anwen­dungs­be­reich von Ver­stehen ist das geistige Begreifen von Phä­no­menen, die nicht voll­kommen mit den Mitteln der Logik, der Mathe­matik, der Pra­xeo­logie und der Natur­wis­sen­schaften auf­ge­klärt werden können, insoweit sie von diesen Wis­sen­schaften eben nicht erklärt werden können. Es [das Ver­stehen, A. d. V.] darf den Lehren dieser anderen Bereiche der Wis­sen­schaften [Logik, Natur­wis­sen­schaft, Mathe­matik und Öko­nomie] nie wider­sprechen.[11]

Da Ver­stehen das Inter­pre­tieren his­to­ri­scher Ereig­nisse ist, kann es niemals Ergeb­nisse her­vor­bringen, die von allen Men­schen akzeptiert werden (müssten). Selbst wenn zwei Per­sonen völlig darüber über­ein­stimmen, dass die Daten korrekt sind und ihr Denken nicht den Lehren der anderen Wis­sen­schaften wider­spricht, so können sie doch in ihrem Ver­stehen der Daten zu unter­schied­lichen Ergeb­nissen gelangen. Sie mögen darin über­ein­stimmen, dass die Fak­toren a, b und c allesamt einen Ein­fluss auf das his­to­rische Ereignis E hatten; aber nichts­des­to­trotz können sie völlig uneins darüber sein, welche Relevanz diese Fak­toren im Hin­blick auf das Ereignis hatten. Soweit Ver­stehen darauf abzielt, jedem der Fak­toren eine Relevanz bei­zu­messen, steht es unter dem Ein­fluss sub­jek­tiver Bewertung. Dabei handelt es sich nicht um Wert­ur­teile, sie drücken keine Prä­fe­renzen aus, es handelt sich um Rele­vanz­ur­teile.[12] Neben den His­to­rikern ver­wenden auch die Psy­cho­logen oder die Eth­no­logen die Methode des spe­zi­fi­schen Ver­stehens, sofern sie sich mit der Inter­pre­tation his­to­ri­scher Daten mensch­lichen Ver­haltens befassen.[13]

Da Ver­stehen das Inter­pre­tieren his­to­ri­scher Ereig­nisse ist, kann es niemals Ergeb­nisse her­vor­bringen, die von allen Men­schen akzep­tiert werden (müssten).

Ver­stehen ist also die Methode, die sich mit dem Begreifen kom­plexer Phä­nomene befasst und mit der Vor­aussage der Zukunft in kom­plexen Sys­temen. Die Daten, die von kom­plexen Phä­no­menen gewonnen werden, können jedoch niemals eine Theorie beweisen oder wider­legen.[14] In den Natur­wis­sen­schaften und in der Natur­ge­schichte hat Ver­stehen an sich nichts zu suchen.[15] Die Methode der Natur­wis­sen­schaften ist die Über­prüfung von kon­stanten Rela­tionen durch Experimente.

Ist Klima-Pro­gnose eine Naturwissenschaft?

Die erste Frage, die sich stellt, lautet also: Womit haben wir es bei der Kli­ma­for­schung zu tun? Mit der Natur­wis­sen­schaft? Oder mit Pro­gnosen, die unter Zuhil­fe­nahme der Methode des Ver­stehens erstellt werden? Schauen wir uns dazu an, was in der Kli­ma­for­schung passiert.

Die direkte Wirkung von CO2 in einem geschlos­senen System in Bezug auf die Tem­pe­ratur ist wohl eta­blierte Physik, die auf Labor-Ergeb­nissen basiert und angeblich seit über einem Jahr­hundert bekannt ist.[16] Soweit es um diese Labor­er­kenntnis geht, dürfen wir also von „harter“ Natur­wis­sen­schaft sprechen. Die Erde ist aber kein geschlos­senes System. Es leben auf ihr „Ver­brenner“[17], also Men­schen und Tiere, die CO2 emit­tieren, und es gibt Pflanzen, die – um im Bild zu bleiben – sozu­sagen den Gegen­prozess der Ver­brennung betreiben: Ver­mittels Pho­to­syn­these bauen sie ihre kör­per­liche Struktur aus dem in der Luft vor­han­denen CO2 auf und nutzen hierzu die Energie des Son­nen­lichts und emit­tieren Sauerstoff.

So geht denn auch die US-Behörde NASA (National Aero­nautics and Space Admi­nis­tration) davon aus, dass eine Zunahme an CO2 in der Atmo­sphäre zu einem ver­mehrten Pflan­zen­wachstum führte.[18] Andere, die Tem­pe­ratur und das Wetter beein­flus­sende Fak­toren sind zum Bei­spiel: Son­nen­ak­ti­vität, Luft­feuchte, Wol­ken­be­de­ckung oder Nie­der­schlag. Während es also innerhalb eines Labor­ex­pe­ri­ments natur­wis­sen­schaftlich korrekt wäre, zu sagen, ein erhöhter CO2-Ausstoß führt zu einer Zunahme der Tem­pe­ratur, handelt es sich bei einer Aussage über ein kom­plexes System mit Rück­kopp­lungen (Feedback), das nicht durch kon­stante Rela­tionen beschrieben werden kann, nicht mehr um eine natur­wis­sen­schaft­liche Aussage, sondern um eine Pro­gnose, bei der die Methode des Ver­stehens ange­wendet wird.

Gäbe es beim Klima, das ja das Resultat von Durch­schnitten des Wetters ist, kon­stante Rela­tionen, so müsste ja auch das Wetter über einen län­geren Zeitraum exakt vor­aus­gesagt werden können. Aber jeder von uns weiß aus per­sön­licher Erfahrung, dass das Wetter nur über sehr kurze Zeit­räume und auch nicht immer sehr exakt vor­aus­gesagt werden kann. Was die Klima-Wis­sen­schaftler des IPCC (Inter­go­vern­mental Panel on Climate Change, soge­nannter Welt­kli­marat) tun, ist, dass sie Rele­vanz­ur­teile abgeben, wie dies His­to­riker tun oder All­tags­men­schen bei ihrer Ein­schätzung der Zukunft: Da ihnen die kon­stanten Rela­tionen nicht bekannt sind, geben sie Rele­vanz­ur­teile ab. Die Klima-Wis­sen­schaftler wissen, dass die Fak­toren Tem­pe­ratur, CO2, Wol­ken­bildung, Son­nen­ak­ti­vität, Luft­feuchte etc. zusam­men­wirken und so die Daten her­vor­bringen, die sie später in ihrer Sta­tistik Klima nennen, ihnen sind jedoch kon­stante Rela­tionen des Zusam­men­wirkens dieser Fak­toren unbe­kannt. Sie können sie nur anhand von Modellen einschätzen.

Kli­ma­for­schung kann die Methoden der Natur­wis­sen­schaften anwenden, insoweit es möglich ist, hin­sichtlich ein­zelner Phä­nomene in Labor­ex­pe­ri­menten kon­stante Rela­tionen fest­zu­stellen, aber hin­sichtlich des Gesamt-Phä­nomens Erd-Klima nicht, weil es sich um ein kom­plexes Phä­nomen mit Rück­kop­pe­lungen handelt. Ein Klima-Modell kann niemals durch ein Labor­ex­pe­riment über­prüft werden. Diese Unsi­cherheit oder dieses Abweichen von der natur­wis­sen­schaft­lichen Methode der Über­prüfung im Expe­riment und der daraus fol­genden Sicherheit wird auch mehr oder weniger unum­wunden zuge­geben: „Das Erd­system ist in seiner Kom­ple­xität am oberen Ende des Spek­trums hin­sichtlich Nicht­li­nea­rität und Frei­heits­graden ange­siedelt.“[19]

So ver­wundert es auch nicht, dass die Kli­ma­for­scher ihre Modelle ständig kor­ri­gieren. In den Modellen pro­bieren sie aus, den ver­schie­denen kli­ma­re­le­vanten Fak­toren unter­schied­liche Relevanz bei­zu­messen. Diese Modelle werden dann daran über­prüft, ob sie Klima-Phä­nomene der Ver­gan­genheit erklären können bezie­hungs­weise, wenn genug Zeit ver­gangen ist, ob sie Klima-Phä­nomene vor­aus­sagen konnten. Bislang ist dies nicht gut gelungen, wie das nach­fol­gende Bei­spiel zeigt. „Wir haben die schnelle Erwärmung nach dem Jahr 2000, die wir in den Modellen sehen, in der Rea­lität nicht beob­achten können“, zitiert die Schweizer Welt­woche in ihrer 39. Ausgabe den Kli­ma­wis­sen­schaftler Myles Allen von der Uni­versity of Oxford, einen Mit­autor einer Studie, die im Fach­ma­gazin Nature Geo­science publi­ziert wurde.

Die Com­pu­ter­mo­delle lägen falsch, weil grund­le­gende kli­ma­tische Zusam­men­hänge in der Atmo­sphäre nicht bekannt gewesen oder nicht ver­standen worden seien. Die Wis­sen­schaftler seien nunmehr zu dem Schluss gekommen, dass die Menschheit weit mehr CO2 als bisher ange­nommen aus­stoßen dürfe, bis sich die Erde mut­maßlich um 1,5 Grad erwärmt, und zwar fast viermal (!) mehr. Während die Partei der Kli­ma­skep­tiker dies als wei­teren Beleg für einen Fehler der Klima-Alar­misten sieht, inter­pre­tiert der Studien Co-Autor Pierre Fried­ling­stein das Ergebnis als eine wirklich gute Nach­richt. Denn ohne die Ver­lang­samung wäre das Vor­haben, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wohl unrea­lis­tisch gewesen, meint er.

Aber selbst wenn die Kli­ma­for­scher ihre Modelle ständig ver­bessern, wie wir bereits oben gesagt haben: Die Daten, die von kom­plexen Phä­no­menen gewonnen werden, können niemals eine Theorie beweisen oder wider­legen.[20] Selbst wenn die Modelle immer besser würden, also immer mehr durch gemessene Daten bestätigt, würde ebenso wenig Natur­wis­sen­schaft ange­wendet wie etwa Koper­nikus oder Keppler Natur­wis­sen­schaft anwen­deten, als sie die Umlaufbahn der Erde zunächst in der Kreisform und dann der Ellipse beschrieben. Die Geschichte der Astro­nomie als harte Natur­wis­sen­schaft begann erst mit den von Newton for­mu­lierten Gesetz­mä­ßig­keiten, die der Über­prüfung durch Labor­ex­pe­ri­mente stand­hielten.[21]

Aber selbst wenn die Kli­ma­for­scher ihre Modelle ständig ver­bessern, wie wir bereits oben gesagt haben: Die Daten, die von kom­plexen Phä­no­menen gewonnen werden, können niemals eine Theorie beweisen oder widerlegen.

Und so ist es nicht ver­wun­derlich, wenn die NASA auf ihrer Homepage meint, dass sich die IPCC Wis­sen­schaftler nicht sicher seien, ob die mensch­liche Akti­vität in den ver­gan­genen 50 Jahren zu einem Tem­pe­ra­tur­an­stieg des Welt­klimas geführt habe. Die Wis­sen­schaftler würden aber die Wahr­schein­lichkeit hierfür bei über 95% sehen.[22] Daraus glaubt man, schluss­folgern zu können, dass auch in Zukunft mensch­liche Akti­vität für den Tem­pe­ra­tur­an­stieg ursächlich sein wird – und der Tem­pe­ra­tur­an­stieg durch mensch­liches Ver­halten ver­än­derbar ist. Im Ein­zelnen wird die Quan­ti­fi­zierung der Wahr­schein­lichkeit durch das IPCC wie folgt beschrieben: „Die Wahr­schein­lichkeit eines Ergeb­nisses bewertet, wie wahr­scheinlich es ist, dass dieses Ergebnis ein­tritt. Sie wird in einer sprachlich kali­brierten Skala ange­geben, welche auf quan­ti­fi­zierten Wahr­schein­lich­keiten beruht. … Grundlage dieser Quan­ti­fi­zierung können Berech­nungen auf Grundlage von in-situ-Daten, Satel­li­ten­daten oder Simu­la­tionen oder Aus­wertung von Exper­ten­in­ter­views sein.“[23]

Klima-Pro­gnose ist eine Inter­pre­tation his­to­ri­scher Daten

Da wir nun wissen, dass sich die Kli­ma­for­schung der Methode des spe­zi­fi­schen Ver­stehens bedient, können wir ver­stehen, wieso keine sicheren Vor­aus­sagen möglich sind. Und wir wissen, dass das Ver­stehen nie den Lehren der anderen Wis­sens­be­reiche (Logik, Natur­wis­sen­schaft, Mathe­matik und Öko­nomie) wider­sprechen darf. Deshalb können wir nun auch über­prüfen, ob die Aussage des IPCC, dass mit einer Wahr­schein­lichkeit von über 95% der Mensch ursächlich für die Erwärmung der letzten 50 Jahre sei, den Lehren anderer Wis­sen­schafts­be­reiche widerspricht.

Was sagen Wahr­schein­lich­keits-Angaben aus?

Bei den 95% handelt es sich um die Angabe einer Wahr­schein­lichkeit, und über Wahr­schein­lich­keiten stehen uns Erkennt­nisse aus der Logik und der Mathe­matik zur Ver­fügung. Es gibt grund­sätzlich zwei Arten von Wahr­schein­lich­keiten: Klassen-Wahr­schein­lichkeit („Class Pro­ba­bility“) und Ein­zelfall-Wahr­schein­lichkeit („Case Probability“)

Klassen-Wahr­schein­lichkeit

Im Falle der Klassen-Wahr­schein­lichkeit wissen wir im Hin­blick auf den Unter­su­chungs­ge­gen­stand alles über das Ver­halten einer ganzen Klasse von Ereig­nissen, aber über ein kon­kretes, ein­zelnes Ereignis wissen wir nichts, außer dass es zu dieser Klasse gehört.[24] Wir kennen den Ereig­nisraum, also alle Ereig­nisse, die geschehen können, es ist uns aber nicht möglich, eine Vor­aussage über ein kon­kretes, ein­zelnes Ereignis zu machen. Berühmtes Bei­spiel ist der Würfel-Wurf: Wir wissen, dass nur Würfe von eins bis sechs möglich sind, können bei einem kon­kreten Wurf aber nichts vor­aus­sagen, außer dass er innerhalb dieser Klasse von eins bis sechs liegen wird.

Die Wahr­schein­lich­keits­rechnung bietet uns eine Mög­lichkeit, diese Form von unzu­rei­chendem Wissen in Sym­bolen der mathe­ma­ti­schen Ter­mi­no­logie aus­zu­drücken, jedoch ohne dass sie unser Wissen über das Phä­nomen ver­tiefen oder ergänzen würde. Es handelt sich dabei lediglich um eine Über­setzung in die Sprache der Mathe­matik. Die Wahr­schein­lich­keits­rechnung wie­derholt in alge­bra­ischer Sprache, was wir vorher schon wussten:[25] Es wird eine Zahl von eins bis sechs gewürfelt werden, wir wissen aber nicht, welche genau. Ludwig von Mises sagte deshalb, dass der große Mathe­ma­tiker Blaise Pascal (1623 – 1662) seinem Zeit­ge­nossen Che­valier de Méré (1607 – 1684) einen großen Gefallen getan hätte, wenn er ihn nach Hause geschickt hätte, als de Méré mit einem Wür­fel­spiel­problem zu Pascal kam. Pascal hätte freiweg zuge­geben sollen, dass die Mathe­matik ihm bei seinem Wür­fel­spiel­problem nicht wei­ter­helfen kann, als dass sie ihm das in mathe­ma­ti­schen Sym­bolen beschreibt, was er vorher auch schon wusste.[26]

Die Wahr­schein­lich­keits­rechnung bietet uns eine Mög­lichkeit, diese Form von unzu­rei­chendem Wissen in Sym­bolen der mathe­ma­ti­schen Ter­mi­no­logie aus­zu­drücken, jedoch ohne dass sie unser Wissen über das Phä­nomen ver­tiefen oder ergänzen würde.

Nicht zu ver­wechseln ist die Klassen-Wahr­schein­lichkeit mit der rela­tiven Häu­figkeit. Bei der rela­tiven Häu­figkeit handelt es sich nicht wie bei der Klassen-Wahr­schein­lichkeit um die mathe­ma­tische For­mu­lierung unvoll­stän­digen Wissens in Bezug auf ein Phä­nomen, bei dem wir bereits vorher theo­re­tisch und a priori das Ver­halten einer ganzen Klasse von Ereig­nissen kennen, aber nichts über ein ein­zelnes Ereignis wissen, außer dass es Teil der Klasse ist. Sondern es handelt sich bei der rela­tiven Häu­figkeit um eine Auf­zeichnung von Daten und Ins-Ver­hältnis-Setzen: Wenn Sie 100 mal einen Würfel werfen, und sie würfeln 26 mal die sechs, so würde in der Mathe­matik die Wahr­schein­lichkeit dennoch nicht mit der rela­tiven Häu­figkeit von 26% ange­geben, sondern wei­terhin mit 1/6 (ca. 16,7%).[27] Die relative Häu­figkeit ist das Ergebnis der Auf­zeichnung und Aus­wertung his­to­ri­scher Daten und hat insofern nichts zu tun mit der Klassen-Wahrscheinlichkeit.

Ein­zelfall-Wahr­schein­lichkeit

Bei der Ein­zelfall-Wahr­schein­lichkeit kennen wir im Hin­blick auf ein kon­kretes Ereignis in der Zukunft einige beein­flus­sende Fak­toren, aber es gibt andere Fak­toren, die wir nicht kennen oder über deren Aus­wir­kungen wir nicht genau Bescheid wissen.[28] Ein gutes Bei­spiel ist, wenn sie das Ergebnis eines Fußball-Spieles vor­aus­sagen wollen. Ver­stehen basiert immer auf unvoll­stän­digem Wissen. Sie, ver­ehrte Leser, kennen im Fuß­ball­sport einige Ein­fluss neh­mende Fak­toren (Leistung ein­zelner Spieler, Heim­spiel oder Aus­wärts­spiel, Ergeb­nisse ver­gan­gener Partien), aber sie können unmöglich alle Fak­toren kennen, die Ein­fluss auf das Ergebnis haben, oder welche Relevanz die Spiel­stärke eines bestimmten Spielers bei der kom­menden Partie haben wird. Sie können sich unmöglich im Vor­hinein sicher sein, dass sie sich nicht bezüglich der Relevanz eines der Ein­fluss­fak­toren geirrt haben, oder dass sie nicht einige Fak­toren, die im Nach­hinein eine Rolle gespielt haben (der Schieds­richter hatte einen schlechten Tag), über­sehen haben.

Ein­zelfall-Wahr­schein­lichkeit hat mit der Klassen-Wahr­schein­lichkeit nichts gemeinsam, außer dass es sich bei beiden um Formen des unvoll­stän­digen, lücken­haften Wissens handelt. Bei der Ein­zelfall-Wahr­schein­lichkeit ist ein nume­ri­scher Aus­druck nicht möglich. Sie können nicht sagen, die Fuß­ball­mann­schaft A wird die Partie mit einer Wahr­schein­lichkeit von 95% gewinnen, weil sie es nicht berechnen können. Wenn jemand sagt, er sei der Meinung, ein Fuß­ball­spiel gehe zu 95% für die Fuß­ball­mann­schaft A aus, dann hat er das nicht berechnet, sondern er bedient sich einer Metapher: Er ver­gleicht die Gewinn­chancen der Fuß­ball­mann­schaft A mit den Gewinn­chancen eines Teil­nehmers an einem Lot­te­rie­spiel, der 95 von 100 Losen hält und bei dem eines der 100 Lose gewinnt. Er ist der Meinung, dass in einem solchen Fall die 95% uns etwas Sub­stan­ti­elles über den Ausgang des einen Ein­zel­falles sagen könnte, den er gerade betrachtet. (Dass dies nicht der Fall ist, braucht nicht wie­derholt zu werden.)[29]

Ein­zelfall-Wahr­schein­lichkeit hat mit der Klassen-Wahr­schein­lichkeit nichts gemeinsam, außer dass es sich bei beiden um Formen des unvoll­stän­digen, lücken­haften Wissens handelt.

Auch in der Natur­wis­sen­schaft ver­bietet es sich im Übrigen, eine Wahr­schein­lichkeit über die mög­liche Rich­tigkeit einer Hypo­these anzu­geben. Natur­wis­sen­schaft­liche Hypo­thesen sind stets vor­läufige Aus­sagen.[30] Alles, was über sie gesagt werden kann, ist, ob die Hypo­thesen mit logi­schen Prin­zipien und den Ergeb­nissen von Expe­ri­menten über­ein­stimmen oder nicht. Sie erweisen sich dann ent­weder als falsch oder als nicht-falsch (nach dem heu­tigen Stand der Erfahrungen).

Die 95%-Aussage des IPCC

Bei der 95%-Aussage[31] des IPCC handelt es sich nicht um (Klassen-)Wahrscheinlichkeit. Denn die mathe­ma­tische (Klassen-)Wahrscheinlichkeit ist, wie oben gezeigt wurde, ein theo­re­ti­sches Konzept, bei dem uns von vorn­herein das Ver­halten der ganzen Klasse von Ereig­nissen bekannt ist, wir bezüglich des in-Frage-ste­henden Ereig­nisses aber nichts wissen, außer dass es Teil dieser Klasse ist. Die (Klassen-)Wahrscheinlichkeit ist auch keine Pro­gnose der rela­tiven Häu­figkeit und schon gar keine Vor­aussage eines Ein­zel­falles. Mit his­to­ri­schen Daten kann eine Wahr­schein­lichkeit nicht for­mu­liert werden, sondern höchstens eine relative Häu­figkeit ermittelt werden.

Zwar kon­ver­giert die relative Häu­figkeit (bei unendlich vielen Daten) gegen die (Klassen-)Wahrscheinlichkeit. Letztere können wir aber nur wissen, wenn wir die (Klassen-)Wahrscheinlichkeit vorher schon kennen, und das wie­derum können wir nur in dem Falle, in dem wir bereits vorher alles über das Ver­halten einer ganzen Klasse von Ereig­nissen wissen. Fehlt uns dieses Wissen, kann die relative Häu­figkeit bes­ten­falls einen Trend anzeigen, aber keine Wahr­schein­lichkeit. Die Geschichte lehrt uns aber, dass sich Trends, die sich in der Ver­gan­genheit zeigten, ändern können, oft oder fast immer änderten und sogar in unmit­tel­barer Zukunft ändern können.[32]

Bei der 95%-Aussage des IPCC handelt es sich um die Angabe einer Ein­zelfall-Wahr­schein­lichkeit auf Grund gemes­sener Daten. Dem IPCC sind im Hin­blick auf den Kli­ma­wandel einige beein­flus­sende Fak­toren bekannt, aber es gibt andere Fak­toren, die es nicht kennt, oder über deren Aus­wir­kungen es nicht genau Bescheid weiß.[33] Oben wurde bereits gezeigt, dass sich im Falle der Ein­zelfall-Wahr­schein­lichkeit die Ver­wendung von Zah­len­aus­drücken ver­bietet.[34] Bei der 95%-Aussage handelt es sich also nicht um einen mathe­ma­ti­schen Aus­druck für eine (Klassen-)Wahrscheinlichkeit, sondern um eine schwache intuitive Ana­logie, eine Metapher: Das IPCC meint, dass es sich im Hin­blick auf seine These vom men­schen­ge­machten Kli­ma­wandel so sicher ist, wie sich ein Lot­te­rie­teil­nehmer sicher sein würde, der über 95% der Lose verfügt. Aber auch hierzu haben wir bereits oben gezeigt, dass uns – selbst im Falle der Klassen-Wahr­schein­lichkeit – diese 95% nichts Sub­stan­zi­elles über einen betrach­teten Ein­zelfall sagen können, außer dass wir nicht sicher sind, ob das Gewin­nerlos dabei ist.

Im Übrigen mögen die 95% manchen an den juris­ti­schen Ter­minus erinnern, dass jemand mit „an Sicherheit gren­zender Wahr­schein­lichkeit“ von einem gewissen Sach­verhalt über­zeugt sei. Aber an Sicherheit gren­zende Wahr­schein­lichkeit bedeutet, dass es „keine ver­nünf­tigen Zweifel“ mehr geben darf. Verfügt jemand aber über 95 von 100 Losen, so sind durchaus ver­nünftige Zweifel ange­bracht, ob das Gewin­nerlos dabei ist! Um in der Metapher zu bleiben: Würden Richter sich mit 95% Sicherheit zufrie­den­geben, würde einer von 20 Ver­ur­teilten zu Unrecht im Gefängnis sitzen. Und würden Sie eine Flug­ge­sell­schaft als „sicher“ bezeichnen, bei der bei einem von 20 Flügen ein Flugzeug abstürzt?[35]

Als Ergebnis der bis­he­rigen Unter­su­chung können wir fest­halten: Die Kli­ma­for­scher wenden im Hin­blick auf Klima-His­torie, ‑Pro­gnosen und ‑Modelle nicht die Methoden der Natur­wis­sen­schaft an, sondern die Methode des Ver­stehens kom­plexer Phä­nomene.[36] Zu einer sicheren Vor­aussage können sie damit nicht gelangen. Und wir wissen weiter, dass sich die Wis­sen­schaftler mit ihrer Zu-95%-sicher-Aussage in einen ekla­tanten Wider­spruch zu Denk­ge­setzen begeben. Die Anwendung des mathe­ma­ti­schen Aus­druckes ist falsch, weil es sich hier um keinen Fall der Klassen-Wahr­schein­lichkeit handelt. Im Bereich des Ver­stehens ist die Aussage falsch, weil die Ein­zelfall-Wahr­schein­lichkeit denk­lo­gisch keine nume­ri­schen Aus­drücke zulassen kann, weil man sie nicht berechnen kann.

Als Ergebnis der bis­he­rigen Unter­su­chung können wir fest­halten: Die Kli­ma­for­scher wenden im Hin­blick auf Klima-His­torie, ‑Pro­gnosen und ‑Modelle nicht die Methoden der Natur­wis­sen­schaft an, sondern die Methode des Ver­stehens kom­plexer Phänomene.

Kli­ma­leugner und Kli­ma­sünder sind keine wis­sen­schaft­lichen Begriffe; sie dienen dem poli­ti­schen Meinungskampf

Durch die Zuordnung der Kli­ma­wis­sen­schaft zum Ver­stehen wird nun auch klar, warum ein so reger Streit herrscht um den men­schen­ge­machten Kli­ma­wandel. Es werden unwis­sen­schaft­liche Begriffe ver­wendet, die aus den Bereichen der Moral stammen – wie „Kli­ma­leugner“ oder „Kli­ma­sünder“. Oder haben Sie schon einmal davon gehört, dass im natur­wis­sen­schaft­lichen Diskurs Ein­stein als „Zeit­leugner“ oder „Schwer­kraft­sünder“ bezeichnet wurde? Von Seiten der Klima-Alar­misten möchte man sich jeder wei­teren wis­sen­schaft­lichen Dis­kussion ver­sperren, und die Seite der „Kli­ma­skep­tiker“ erprobt sich ständig darin, die Annahmen der Klima-Alar­misten zu falsifizieren.

Im Bereich des Ver­stehens kann es keine einzig richtige Aussage geben

Da wir nun aber wissen, dass die Pro­gnosen der Kli­ma­wis­sen­schaftler zum Bereich des spe­zi­fi­schen Ver­stehens gehören, können wir ganz gelassen aner­kennen, dass zwei Kli­ma­wis­sen­schaftler im Hin­blick auf die Daten völlig über­ein­stimmen können und auch im Hin­blick darauf, dass die Relevanz, die sie gewissen Ein­fluss­fak­toren bei­messen, weder natur­ge­setz­lichen noch mathe­ma­ti­schen oder logi­schen Regeln wider­sprechen, und dass sie trotzdem zu unter­schied­lichen Pro­gnosen gelangen können. Ebenso kann ein und der­selbe Kli­ma­wis­sen­schaftler zu zwei ver­schie­denen Zeit­punkten zu unter­schied­lichen Ergeb­nissen gelangen, ohne sich selbst in Wider­spruch zu begeben.

Die wirt­schaft­lichen Pro­gnosen des Weltklimarates

Soweit es um die Kli­ma­daten geht, haben wir also für Klarheit gesorgt. Aber wie sieht es mit den wirt­schaft­lichen Pro­gnosen aus? In einem auf der IPCC-Web­seite ver­öf­fent­lichten Report beschäf­tigen sich die Autoren mit den Aus­wir­kungen des Kli­ma­wandels auf das Brut­to­in­lands­produkt.[37] Berühmtheit erlangt hat der Stern-Report des bri­ti­schen Wis­sen­schaftlers Nicolas Stern, der im Kern aussagt, dass der Kli­ma­wandel jährlich rund 5% des Welt-BIPs (also der Summe aller BIPs) kosten wird, wohin­gegen er die Kosten des Gegen­steuerns mit 2% jährlich ansetzt.[38]

Der bri­tische Wis­sen­schafts-Jour­nalist Matt Ridley kri­ti­siert Sterns Bericht, weil Stern bei der Berechnung der Aus­wir­kungen des Kli­ma­wandels sehr niedrige Zins­sätze bei der Abzinsung ver­wende und so zu sehr hohen Zukunfts­werten von Schäden bezie­hungs­weise Kosten komme. Zudem kri­ti­siert Ridley, dass der Stern-Report von einem sehr hohen Lebens­standard unserer Enkel­kinder in der Zukunft ausgeht. Und auch die IPCC Sze­narien sähen vor, dass die Men­schen im Jahr 2100 auf so viel Wirt­schafts­wachstum zurück­blicken würden, dass ihr Wohl­stand im Durch­schnitt vier bis 18-mal so hoch sein würde wie heute.[39] Diese Pro­gnosen des Wirt­schafts­wachstums beein­flussen freilich auch die Pro­gnose der Kosten von Schäden und der künf­tigen CO2-Emissionen.

Wer hat nun Recht? Nicolas Stern und das IPCC oder Matt Ridley? Um die Antwort zu finden, lassen Sie uns zunächst mit der Frage beginnen: Was ist über­haupt das BIP? Das Sta­tis­tische Bun­desamt weiß:

Das Brut­to­in­lands­produkt (BIP) ist ein Maß für die wirt­schaft­liche Leistung einer Volks­wirt­schaft in einem bestimmten Zeitraum. Es misst den Wert der im Inland her­ge­stellten Waren und Dienst­leis­tungen (Wert­schöpfung), soweit diese nicht als Vor­leis­tungen für die Pro­duktion anderer Waren und Dienst­leis­tungen ver­wendet werden.

Wert kann nicht gemessen werden

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Das BIP misst also angeblich den Wert von Waren und Dienst­leis­tungen in einer Volks­wirt­schaft. Alleine: Wert kann nicht gemessen werden. Mises schreibt dazu:

Wert ist nicht intrin­sisch, Wert ist nicht in Dingen. Er ist in uns; es ist die Art und Weise wie der Mensch auf die Bedin­gungen der Umwelt reagiert.[40] … Werten heißt A gegenüber B vor­ziehen. … Ebenso wie es keinen Standard und keine Messung von sexu­eller Liebe, von Freund­schaft oder von Sym­pathie oder ästhe­ti­schem Genuss gibt, gibt es keine Messung des Wertes von Han­dels­gütern. … Es gibt keine Methode, eine Wert-Einheit zu schaffen. … In einer Markt­wirt­schaft gibt es Geld­preise. Wirt­schafts­rechnung ist Rechnung in Form von Geld­preisen. Die unter­schied­lichen Mengen der Güter und Dienst­leis­tungen gehen in diese Wirt­schafts­rechnung mit den Geld­preisen ein, für die sie am Markt gekauft und ver­kauft werden können …[41]

Wenn man Wert aber nicht messen kann, was ist dann vom BIP zu halten? Dazu sei erneut Mises zitiert:

Es ist möglich, die Summe des Ein­kommens oder Ver­mögens meh­rerer Per­sonen in Geld­preisen aus­zu­drücken. Aber es ist Unsinn, ein National-Ein­kommen oder Volks-Ver­mögen zu berechnen. Sobald wir beginnen, Erwä­gungen anzu­stellen, die einem Men­schen fremd sind, der innerhalb der Markt­wirt­schaft handelt, hilft uns Geld­rechnung nicht mehr weiter. … Wenn in einer Wirt­schafts­rechnung ein Vorrat von Kar­toffeln mit 100 US$ bewertet wird, ist die Idee, die dahin­ter­steckt, dass man diesen Vorrat für diesen Preis ver­kaufen oder ersetzen kann. … Aber was ist die Bedeutung einer Berechnung des Volks­ver­mögens? Was ist die Bedeutung des Ergeb­nisses der Berechnung? Was muss in eine solche Berechnung ein­fließen und was muss außen vor­ge­lassen werden? Wäre es falsch oder richtig, den „Wert“ des Klimas des Landes ein­fließen zu lassen oder die ange­bo­renen und erwor­benen Befä­hi­gungen der Bewohner? Der Kaufmann kann seine Güter in Geld ein­tau­schen, aber ein Volk kann das nicht.

Die Geld-Aus­drücke wie sie beim Handel und in der Wirt­schafts­rechnung Ver­wendung finden, sind Geld­preise, das heißt Umtausch­kurse zwi­schen Geld und anderen Gütern und Dienst­leis­tungen. Preise werden nicht in Geld gemessen; Preise bestehen aus Geld. Preise sind ent­weder Preise der Ver­gan­genheit oder erwartete Preise in der Zukunft. Ein Preis ist not­wen­di­ger­weise ein his­to­ri­sches Datum, ent­weder der Ver­gan­genheit oder der Zukunft. Es ist nichts an Preisen, das es erlauben würde, sie für die Messung von phy­si­ka­li­schen oder che­mi­schen Phä­no­menen her­an­zu­ziehen.[42]

Es ist also sinnlos, wenn Sie ihr Ver­mögen und das Ihres Nachbarn, das ein jeder für sich in Geld­preisen errechnet hat, addieren, wenn Sie nicht vor­haben, gemeinsam am Markt zu handeln. Sie können Wohl­stand nicht messen. Einem Ita­liener mögen sein mildes Klima und die gute Lan­des­küche sehr viel wert sein, aber wie wollen Sie dies in eine öko­no­mische Kal­ku­lation ein­fließen lassen? Natürlich werden die meisten Men­schen darin über­ein­stimmen, dass der Wohl­stand heute größer ist als noch vor 100 Jahren. Es gibt mehr Kapi­tal­güter (Fabriken, tech­nische Anlagen, Minen, Elek­tri­zi­täts­werke), und es stehen vielen Men­schen viel mehr Kon­sum­güter (Autos, Woh­nungen, Lebens­mittel, Fri­sör­be­suche etc.) zur Ver­fügung als damals. Alleine, sie können diese Wohl­stands­zu­nahme nicht nume­risch messen und unter­schied­liche Men­schen bewerten wirt­schaft­lichen Fort­schritt unter­schiedlich. So mag dem zurück­ge­zo­genen Bio-Bauern der Bau einer neuen Autobahn ein Unwert sein, während der Pendler, der die Autobahn nutzen möchte, sie durchaus als Wert ansieht. Und auch ein und der­selbe Mensch kann ein und den­selben Gegen­stand zu unter­schied­lichen Zeit­punkten unter­schiedlich bewerten.

Der nächste Begriff, den uns das sta­tis­tische Bun­desamt bei seiner Beschreibung des BIP zuwirft, ist der Begriff der Volks­wirt­schaft. Aber bei der Volks­wirt­schaft handelt es sich lediglich um eine theo­re­tische Fiktion, die im Wider­spruch zu den Lehren der Öko­nomik steht:

Die Markt­wirt­schaft als solche respek­tiert keine poli­ti­schen Grenzen. Ihr Bereich ist die Welt.[43]… Es ist nicht „Amerika“, das Cham­pagner von „Frank­reich“ kauft. Es handelt sich immer um einen indi­vi­du­ellen Ame­ri­kaner der ihn von einem indi­vi­du­ellen Fran­zosen kauft. … Solange es noch Hand­lungs­spiel­räume für Indi­viduen gibt, soweit es pri­vaten Besitz und Handel mit Gütern und Dienst­leis­tungen gibt, gibt es keine Volks­wirt­schaft. Nur wenn es eine völlige Regie­rungs­kon­trolle anstelle der Wahl­mög­lich­keiten der Indi­viduen gibt, gibt es eine Volks­wirt­schaft als reale Einheit.[44]

Von Preis­än­de­rungen kann nicht auf Kauf­kraf­t­än­de­rungen geschlossen werden

Ein wei­teres Problem besteht darin, dass sich die Wis­sen­schaftler bei BIP-Pro­gnosen mit der Kauf­kraft von Geld befassen. Ihre Berech­nungen seien infla­tions- oder kauf­kraft­be­reinigt. Alleine, das ist öko­no­misch gesehen nicht möglich.

Alle Methoden, die vor­ge­schlagen werden, um die Ände­rungen der Kauf­kraft einer Geld­einheit zu messen, basieren, mehr oder weniger unbe­ab­sichtigt, auf der illu­so­ri­schen Ein­bildung eines unsterb­lichen und unver­än­der­baren Wesens, das ver­mittels eines unab­än­der­lichen Stan­dards die Menge der Befrie­digung festlegt, die ihm eine Geld­einheit bringt. … Nur wenn Men­schen die gleichen Dinge immer gleich bewerten würden, könnten wir Preis­än­de­rungen als einen Aus­druck der Änderung der Kauf­kraft des Geldes ansehen.[45]

Wenn das IPCC oder der Stern-Report die Kosten des Kli­ma­wandels also im Hin­blick darauf errechnen, welche Werte künftige Schäden, künftige Ein­kommen oder künftige Aggregate von BIPs haben werden, können wir im Hin­blick auf diese Berech­nungen sagen, dass sie im Wider­spruch zu den Lehren der Öko­nomik stehen, dass man Wert nicht messen kann, dass es eine Volks­wirt­schaft im öko­no­mi­schen Sinne nicht gibt, und dass es daher auch wider­sinnig ist, das Aggregat der BIPs zu bilden, um eine Welt-Wirt­schafts­leistung zu berechnen. Die Berech­nungen sind also insofern als falsch zu bezeichnen, weil sie den Lehren der Öko­nomik wider­sprechen. Freilich könnte man – im Rahmen des Ver­stehens – Schäden oder die Kosten von Maß­nahmen zu deren Ver­hin­derung anhand von heu­tigen Markt­preisen schätzen, und man könnte auch schätzen, wie die Markt­preise von Schäden oder Maß­nahmen zu deren Ver­hin­derung in der Zukunft sein werden. Man kann solche Geld­preise von Schäden und Maß­nahmen zu deren Ver­hin­derung aber eben nicht öko­no­misch berechnen, Kauf­kraft nicht messen, und die Angabe von Schäden und Kosten im Ver­hältnis zu einem BIP kann keinen Sinn machen, wenn das BIP keinen Sinn macht.

Die [öko­no­mi­schen] Berech­nungen sind also insofern als falsch zu bezeichnen, weil sie den Lehren der Öko­nomik widersprechen.

Die IPCC Annahmen wider­sprechen Denk­ge­setzen und den Lehren der Ökonomie

Zusam­men­fassend können wir sagen, dass die Wis­sen­schaftler des IPCC auf Grund his­to­ri­scher Daten und bekannter natur­wis­sen­schaft­licher Rela­tionen ver­muten, dass die Men­schen durch die Emission von CO2 zu einem Kli­ma­wandel bei­getragen haben. Sicher sind sie sich nicht. Sie meinen auch, dass durch den Kli­ma­wandel Schäden ent­stehen können; die Werte, die die Men­schen diesen Schäden bei­messen und bei­messen werden, können sie aber nicht berechnen. Sie sind zudem der Ansicht, dass diese Schäden, wenn nicht ver­hindert, so doch abge­mildert werden könnten. Sicher können sie sich auch hier nicht sein, wenn sie sich schon unsicher darüber sind, ob der Mensch ursächlich zum Kli­ma­wandel bei­getragen hat. Und sofern Wis­sen­schaftler Zwangs­ab­gaben und Regu­lierung vor­schlagen, also staat­liche Ge- und Verbote, um die als möglich und abwendbar ange­se­henen Schäden zu ver­hindern oder abzu­mildern, ist dies im Übrigen eine ethische Wertung, die natürlich nicht wis­sen­schaftlich ist, sondern lediglich etwas über die Ein­stel­lungen der Wis­sen­schaftler zu Zwangs­maß­nahmen aussagt.

Und sofern Wis­sen­schaftler Zwangs­ab­gaben und Regu­lierung vor­schlagen …, ist dies im Übrigen eine ethische Wertung, die natürlich nicht wis­sen­schaftlich ist, sondern lediglich etwas über die Ein­stel­lungen der Wis­sen­schaftler zu Zwangs­maß­nahmen aussagt.

Zwangs­ab­gaben und Regu­lierung gegen Bürger sind auf Grund der Annahmen der IPCC-Wis­sen­schaftler nicht gerechtfertigt

Wie also mit dem Problem umgehen? Der Ökonom Murray Rothbard (1926 – 1995) meinte:[46]

Wenn eine Partei einer anderen durch eine Handlung [wie etwa die Emission von CO2] einen Schaden zufügt, und wenn dies vor Gericht oder in einem Schieds­ge­richts­ver­fahren mit an Sicherheit gren­zender Wahr­schein­lichkeit bewiesen werden kann, dann stünden der geschä­digten Partei Abwehr- und Scha­dens­er­satz­an­sprüche zu. Es dürften aber keine ver­nünf­tigen Zweifel mehr ver­bleiben, dass das Ver­halten des Schä­digers den Schaden bewirkt hat. Wenn nicht alle ver­nünf­tigen Zweifel aus­ge­räumt werden können, ist es jedoch bei Weitem besser, einen Schä­diger nicht zu ver­ur­teilen, anstatt unse­rer­seits jemandem absichtlich Schaden zuzu­fügen. Der Grundsatz des Hip­po­kra­ti­schen Eides: ‚tue zumindest nie­mandem ein Leid an‘, muss auch für jeden gelten, der Recht anwendet oder vollzieht.

Es ist aber gerade nicht so, dass das IPCC oder die NASA einen men­schen­ge­machten Kli­ma­wandel mit an Sicherheit gren­zender Wahr­schein­lichkeit nach­weisen können. Die Angabe einer nume­ri­schen Wahr­schein­lichkeit wider­spricht Denk­ge­setzen: Die meta­pho­risch mit 95% ange­gebene Sicherheit könnte in keinem gericht­lichen Ver­fahren als Kau­sa­litäts-Beweis dienen; man gelangte schon gar nicht zu der Frage, ob ver­nünftige Zweifel ver­blieben, weil der Beweis­be­lastete schon nach eigener Aussage vor­bringt, dass gewichtige Zweifel bestehen.

Es ist aber gerade nicht so, dass das IPCC oder die NASA einen men­schen­ge­machten Kli­ma­wandel mit an Sicherheit gren­zender Wahr­schein­lichkeit nach­weisen können.

Die Berechnung der vor­aus­sicht­lichen Scha­denshöhe und der Kosten der Gefah­ren­abwehr hätten sich die Wis­sen­schaftler des IPCC daher sparen können. Da sie aber nun einmal durch­ge­führt wurden, können wir hierzu sagen, dass die Berech­nungen im Wider­spruch zu den Gesetzen der Öko­nomik stehen und deshalb falsch sind.

Die Ergeb­nisse der Kli­ma­for­schung können eine Besteuerung von Bürgern daher nicht recht­fer­tigen. Damit den Bürgern kein wei­terer Schaden ent­steht, wären die bestehenden Steuern und Sub­ven­tionen, die mit dem men­schen­ge­machten Kli­ma­wandel begründet wurden, umgehend abzu­schaffen. Und kei­nes­falls können Steu­er­erhö­hungen, neue Steuern oder neue Sub­ven­tionen gerecht­fertigt werden.

Damit den Bürgern kein wei­terer Schaden ent­steht, wären die bestehenden Steuern und Sub­ven­tionen, die mit dem men­schen­ge­machten Kli­ma­wandel begründet wurden, umgehend abzuschaffen.

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Diesen Beitrag gibt es auch in einer eng­li­schen Über­setzung – AN EPIS­TE­MO­LO­GICAL CRI­TICISM: THE LACK OF PROOF FOR MAN-MADE CLIMATE CHANGE – ver­öf­fent­licht auf der website des Ludwig von Mises Centre (“Mises UK”) – Sie finden ihn hier.


Quelle: misesde.org