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Vera Lengsfeld: Wider die Dif­fa­mierung durch den „Spiegel“ – eine kri­tische Durch­sicht des „besorgten Journalisten“-Stücks „Wir müssen weiter kämpfen“

Was hätten Sie Anfang 2010 gesagt, wenn Ihnen in einer Kneipe jemand die fol­gende Geschichte erzählt hätte: Die jet­zigen Regie­rungen haben eine solche Angst vor poli­ti­scher Kon­kurrenz, ins­be­sondere vor einer wei­teren poli­ti­schen Kraft, dass sie jede Hemmung ver­lieren, um alle mög­lichen Akteure zu ver­schrecken und ein­zu­schüchtern? Wenn diese Person dann hin­zu­fügen würde, dass private und öffent­liche Medien bei einer solchen Kam­pagne nicht nur bereit­willig, sondern eifrig mitmachen?

Was wäre die Erzählung? Man ver­sucht es zunächst mit einem Rufmord – man stellt alle Hand­lungen der Ziel­person in das schlechtest mög­liche Licht – im Teil Zwei werden Sie sehen, wie das geht. Hier werden „nur“ Regeln und jour­na­lis­tische Stan­dards gebeugt, bzw. ver­letzt – es gibt noch keine juris­tische Grenzüberschreitung.

Die würde erst in einer zweiten Welle ver­sucht werden, wenn die erste Attacke nicht den gewünschten Erfolg hat.

Wie könnte eine solche zweite Attacke aussehen?

Ein Anlass ist z.B. ein medi­en­wirk­samer Schlag gegen einen Zirkel von Leuten, die wirre Sachen sagen und angeblich wirre Dinge tun (alles übrigens noch nicht gerichtsfest nach­ge­wiesen). Es werden dann Ver­bin­dungen zum Kopf dieser Ver­wirrten kon­struiert, ob geschäftlich oder privat. Dafür werden nicht etwa Ver­dächtige, sondern unbe­scholtene Bürger als Zeugen über­prüft und die „Erkennt­nisse“ illegal an die Presse durch­ge­stochen. Die atta­ckiert dann nicht die Ver­däch­tigen, sondern im Laufe der Kam­pagne die Person, die einmal geschäft­lichen Kontakt mit dem Ver­däch­tigen gehabt hat und dann die Person, mit der der Kon­takt­schuldige befreundet ist – und damit das eigent­liche Ziel der Kam­pagne. Eine Gru­sel­story aus der Diktatur?

Was hätten Sie zu der Person in der Kneipe gesagt, wenn die behauptet hätte, dass genau so gegen den Alt-Ver­fas­sungs­schutz­prä­si­denten Hans-Georg Maaßen vor­ge­gangen wird, damit er nicht in Thü­ringen bei der Land­tagswahl im nächsten Jahr als Spit­zen­kan­didat einer neuen, unab­hän­gigen Kraft antritt und den Bür­ge­rinnen und Bürgern in Thü­ringen ermög­licht Mehr­heiten zu wählen, die es ermög­lichen die unge­liebte Regie­rungs­ko­alition abzuwählen?

In einem Rechts­staat unmöglich?

Lesen Sie die beiden fol­genden Ana­lysen und Ihnen wird klar, dass die Knei­pen­ge­schichte keine Ver­schwö­rungs­theorie, sondern bittere Rea­lität ist.

Fall A – Die Dif­fa­mie­rungs­kam­pagne des „Spiegel“

Am Freitag, dem 18. August, erschien gegen Mittag bei Spiegel online der Text „Wir müssen weiter kämpfen“ – Ermittler werten Maaßens Chat aus“

Dieser Text ist eine Attacke, ich bezeichne sie als Dif­fa­ma­tions-Attacke gegen Hans-Georg Maaßen, wie sie in unserer fik­tiven Ver­schwö­rungs-Kneipen-Szene skiz­ziert wurde.

Im Zuge der umfang­reichen bun­des­weiten Ermitt­lungen gegen Heinrich XIII. Prinz Reuß (Beschul­digter A) geriet auch Dr. Markus Krall (Kon­takt­person B) als Zeuge in die Ermitt­lungen. Schon vor einiger Zeit hatte Zeit online aus ver­trau­lichen Akten zitiert und ver­sucht Kon­takt­person B per jour­na­lis­ti­schen Ruf­mords irgendwie an Beschul­digten A und seine Akti­vi­täten zu ketten.

Wer sich für die Details inter­es­siert, sollte Markus Krall auf Twitter folgen, er kämpft (als erfolg­reicher Manager und Analyst hat er sicherlich die ent­spre­chenden Mittel) juris­tisch auf breiter Front gegen Zeit online und die ver­mu­teten Urheber der Daten­lecks in den Behörden oder den Gerichten.

Bei dem, was auf Zeit online zu lesen war, kann ich bei den frü­heren geschäft­lichen und even­tu­ellen pri­vaten Kon­takten zwi­schen Krall und dem Beschul­digtem Reuß nichts erkennen, was auch nur im Ent­fern­testen jus­ti­ziabel sein könnte.

Aber Kam­pa­gnenziel ist ja nicht Markus Krall, sondern Hans-Georg Maaßen (Kon­takt­person C).

Und an den traut sich tat­sächlich nur der Spiegel ran – in seinem Stück ver­suchen die, ich nenne sie mal „besorgten Jour­na­listen“, tat­sächlich mit Hilfe von durch­ge­sto­chenem, ver­trau­lichem, den Daten- und Per­sön­lich­keits­schutz unter­lie­genden Material etwas gegen den Alt-Ver­fas­sungs­schutz­prä­si­denten und Kri­tiker der momen­tanen Regie­rungen, ins­be­sondere den mög­lichen Kan­di­daten bei der nächsten Land­tagswahl in Thü­ringen vorzugehen.

Was breitet der Spiegel aus?

Nochmal: es geht um per­sön­liche Nach­richten zwi­schen Krall und Maaßen, aus­ge­lesen durch ein deut­sches Sicher­heits­organ (BKA) auf Mobil­te­lefon von Krall (Zeuge im Ver­fahren gegen Reuß), illegal gelandet beim Spiegel.

Lesen Sie selber den Ori­gi­naltext (unten), aber die bedeut­samste Nach­richt von Maaßen, der kei­nerlei Ver­bindung zu Reuß hat, sondern mit Krall in poli­ti­schem Aus­tausch steht, ist die Fol­gende: Maaßen gra­tu­liert Krall zu dessen 60. Geburtstag und ver­bindet dies mit einer poli­ti­schen Bot­schaft: „Wir müssen weiter kämpfen“.

Was will uns das selbst­er­nannte Sturm­ge­schütz der deut­schen Demo­kratie mit dieser „Ent­hüllung“ sagen?

Ist „kämpfen“ in einem demo­kra­tisch-poli­ti­schen Kontext jetzt schon ver­dächtig?“ Ist das Wort, wenn es sich nicht um den Kampf gegen rechts handelt, auch schon auf dem Spiegel-Index? Was ist dann mit „Wahl­kampf”?

Oder geht es um die Kritik an der deut­schen Regierung? Immerhin hat Krall es gewagt, in seiner Antwort seine per­sön­liche Furcht vor einer ato­maren Eska­lation des Ukrai­ne­kriegs aus­zu­drücken, die er mit der großen Mehrheit der Bevöl­kerung teilt, und seine Kritik daran durch die Cha­rak­te­ri­sierung „diese Irren“ zu schmücken (Noch einmal: Das ist ein per­sönlich-pri­vater 1:1‑Chat, aus­ge­lesen vom BKA, durch­ge­stochen an und ver­öf­fent­licht durch den Spiegel).

Hätte nach Meinung des Spiegel Maaßen umgehend eine Anzeige gegen Krall machen müssen? Plus Selbst­an­zeige, weil ja offenbar Krall sich gegenüber Maaßen ermuntert gefühlt hat, den deut­schen Regie­rungskurs mit dem Wort „Irre“ in Ver­bindung zu bringen?

Ist das die neue deutsche Denk‑, Diskurs- und Mei­nungs­freiheit? Wo sind beim Spiegel (und dem BKA) die pro­fes­sio­nellen demo­kra­ti­schen guard rails geblieben?

Der Spiegel schreibt über per­sönlich-private Aus­tausche zweier Per­sonen mit illegal über­mit­teltem Material des BKA mit der offen­kun­digen Intention, Maaßen zu schaden.

Man kann es sich eigentlich gar nicht aus­denken, aber es ist bun­des­re­pu­bli­ka­nische Realität.

Hans-Georg Maaßen hat übrigens auf Twitter reagiert.

Dem Spiegel signa­li­siert er, dass wenn er ihn wieder zum all­jähr­lichen Empfang ein­ge­laden würde, dass dann der Spiegel auch einen Weih­nachtsgruß von Maaßen mit „wir müssen weiter kämpfen“ erhalten würde – dann müssten sie nicht das BKA mit durch­ge­sto­chenen Chat­nach­richten in Bedrängnis bringen, sondern könnten pro­blemlos, juris­tisch sauber erklären: „Ori­ginal liegt dem Spiegel vor“.

Ich ziehe aus dieser Affäre mehrere Schlussfolgerungen:

A:

Auch wer in anscheinend geschlos­senen Gruppen chattet, ist nicht sicher. Eine unpräzise oder miss­ver­ständ­liche X‑Botschaft via „Twitter“, eine Aus­fäl­ligkeit in einer „geschlos­senen“ Chat­gruppe, spielt den „besorgten Jour­na­listen“ in die Hände. Deine Rede sei „ja, ja; nein, nein, alles andere ist von Übel“ – schon Jesus wusste, was in einer auf­ge­heizten poli­tisch-reli­giösen Atmo­sphäre der geschicktere Weg ist.

B:

Da man sich in der heu­tigen poli­ti­schen Aus­ein­an­der­setzung nicht mehr wirklich auf die demo­kra­ti­schen Stan­dards der Presse oder der Behörden ver­lassen kann, muss an der juris­ti­schen Ver­tei­di­gungs­front etwas geschehen – für juris­tische Aus­ein­an­der­set­zungen braucht man viel Zeit, aber auch und vor allem viel Geld, das weiß ich aus eigener leid­voller Erfahrung. Ich bin mir sicher, dass es hierfür Spen­den­be­reit­schaft in der Bevöl­kerung gibt und gute Anwälte haben wir auch. Was fehlt ist eine gemein­nützige Plattform, die beide ver­bindet. Wie wäre es mal, wenn in den liberal-kon­ser­va­tiven Kreisen weniger geredet und mehr gehandelt werden würde? Die linke Seite hat längst solche Strukturen.

C:

Die deutsche Demo­kratie braucht wählbare Gegen­kon­zepte und Per­sön­lich­keiten auf allen Ebenen. Und zwar für jede Wahl nach Bayern und Hessen. Das heißt zum Bei­spiel ganz konkret:

Wir brauchen eine wählbare Option, die fachlich und poli­tisch in der Lage ist, umzu­steuern – davor hat ja der selbst­er­nannte „demo­kra­tische Block“ solche Angst: Die Mehrheit für einen anderen Kurs in der Politik ist doch längst da, nicht nur, was die innere Sicherheit, inklusive Schutz der Pri­vat­sphäre und klare Trennung zwi­schen Politik und staat­lichen Organen, wie sie das Grund­gesetz ver­langt, anbelangt.

Wir müssen weiter kämpfen.

Das Spiegel-Stück im Original:

Hans-Georg Maaßen: Ermittler wer­teten Chat­verkehr mit Ex-Ver­fas­sungs­schutz-Chef aus – DER SPIEGEL


Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de