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Deutschland als Ver­suchs­ka­ninchen eines sozial-öko­lo­gi­schen Experiments

von Eduard Braun

Die aktuelle deutsche Bun­des­re­gierung arbeitet an der sozial-öko­lo­gi­schen Trans­for­mation Deutsch­lands. Ihr wesent­liches Ziel ist gemäß Kli­ma­schutz­gesetz das Erreichen der Kli­ma­neu­tra­lität in Deutschland bis 2045. Spä­testens dann soll in Deutschland Treib­haus­gas­neu­tra­lität herr­schen, was heißt, dass ein Gleich­ge­wicht zwi­schen Treib­haus­gas­emis­sionen einer­seits und deren Abbau ande­rer­seits erreicht sein soll. Nach dem Jahr 2050 strebt die Bun­des­re­gierung sogar negative Emis­sionen an. Ab dann soll Deutschland also mehr Treib­hausgase in natür­lichen Senken ein­binden, als es ausstößt.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Bun­des­re­gierung kei­neswegs der Auf­fassung ist, den Kli­ma­wandel durch die Trans­for­mation Deutsch­lands auf­halten zu können. In ihrem Jah­res­wirt­schafts­be­richt 2022 (JWB 22) schreibt sie auf S. 16 ausdrücklich:

Deutschland hat auf­grund seines über­schau­baren Anteils an den welt­weiten Treib­hausgas-Emis­sionen einen relativ geringen direkten Ein­fluss auf die weitere Ent­wicklung des Klimawandels.

Der Grund für die Trans­for­mation der deut­schen Industrie liegt also nicht darin, dass die Bun­des­re­gierung glaubt, damit „das Klima retten“ zu können. Vielmehr geht es ihr darum, eine Vor­rei­ter­rolle ein­zu­nehmen und als Vorbild für den Rest der Welt zu dienen. Denn nur dann, wenn alle oder zumindest die großen Staaten davon über­zeugt werden können, ihre Industrie zu trans­for­mieren, kann über­haupt Ein­fluss auf das Klima genommen werden.

Der Bun­des­re­gierung ist dabei durchaus bewusst, dass das Vor­haben, die Rolle des Vor­bildes für den Rest der Welt ein­zu­nehmen, nur gelingen kann, wenn Deutschland den Trans­for­ma­ti­ons­prozess ohne wirt­schaft­liche Schäden über­steht, wenn also auch eine kli­ma­neu­trale Volks­wirt­schaft Arbeits­plätze und Wohl­stand erzeugen kann. Der welt­weite Erfolg des Auf­bruchs in eine kli­ma­neu­trale und ins­gesamt nach­haltige Wirt­schaft hängt laut Jah­res­wirt­schafts­be­richt 2022 (S. 17)

… davon ab, ob Deutschland im Zuge dieses Weges Wohl­stand und Wett­be­werbs­fä­higkeit bewahren kann. Nur wenn das gelingt, können der ehr­geizige Weg auf allen Ebenen bis zum Ende beschritten und andere Staaten ermutigt werden, in die gleiche Richtung aufzubrechen.

Die Aufgabe der deut­schen Wirt­schaft ist es also aus­drücklich nicht, den Kli­ma­wandel zu bremsen. Vielmehr soll sie beweisen, dass es möglich ist, kli­ma­neutral zu pro­du­zieren und trotzdem ren­tabel zu bleiben. Wörtlich heißt es im Jah­res­wirt­schafts­be­richt 2022 (S. 16) dazu:

Deutschland ist als starke Export­nation nun gefordert zu zeigen, dass eine auf öko­lo­gische Nach­hal­tigkeit ange­legte Wirt­schaft gleich­zeitig eine global wett­be­werbs­fähige Wirt­schaft sein kann.

Es ist natürlich wenig über­ra­schend, dass die Bun­des­re­gierung in diesem Punkt sehr zuver­sichtlich ist. Sie sieht laut Jah­res­wirt­schafts­be­richt 2022 (S. 17)

… in der kli­ma­po­li­ti­schen Trans­for­mation wesent­liche mittel- und lang­fristige Chancen für eine neue Wirt­schafts- und Wett­be­werbs­dy­namik und damit für die Wett­be­werbs­fä­higkeit der deut­schen Wirtschaft.

Wenn man das auf den Punkt bringen wollte, könnte man sagen, dass die Bun­des­re­gierung derzeit kein im eigent­lichen Sinne kli­ma­po­li­ti­sches, sondern vielmehr ein wirt­schafts­po­li­ti­sches Expe­riment durch­führt. Sie baut die deutsche Wirt­schaft radikal um und trimmt sie auf Kli­ma­neu­tra­lität. Sie hofft, dass sich am Ende des Expe­ri­ments her­aus­stellen wird, dass die deutsche Wirt­schaft lang­fristig von diesem Umbau pro­fi­tiert und eine füh­rende Rolle in der sich dann eben­falls nach dem Vorbild Deutsch­lands trans­for­mie­renden Welt­wirt­schaft ein­nehmen kann.

Wenn man das auf den Punkt bringen wollte, könnte man sagen, dass die Bun­des­re­gierung derzeit kein im eigent­lichen Sinne kli­ma­po­li­ti­sches, sondern vielmehr ein wirt­schafts­po­li­ti­sches Expe­riment durchführt.

Wenn man die zahl­reichen, in der Bevöl­kerung wenig beliebten Maß­nahmen der Bun­des­re­gierung ver­stehen will, dann darf man diesen Aspekt nicht aus den Augen ver­lieren. Exem­pla­risch kann man die mit der sozial-öko­lo­gi­schen Trans­for­mation Deutsch­lands ver­bundene Hoffnung sehr gut anhand des geplanten, heftig umstrit­tenen Hei­zungs­ge­setzes erklären. Natürlich sieht auch die Bun­des­re­gierung, dass durch dieses Gesetz Kosten in Mil­li­ar­denhöhe auf die deut­schen Bürger zukommen werden. Dem steht aber aus Sicht der Bun­des­re­gierung gegenüber, dass Deutschland auf diese Weise lang­fristig eine füh­rende Position auf den Märkten für Wär­me­pumpen, Was­ser­stoff- oder Hybrid­hei­zungen und ver­gleichbare „grüne“ Tech­no­logien ein­nehmen dürfte. Es handelt sich demnach also um eine Inves­tition in die Zukunft, von der der­einst mut­maßlich auch die­je­nigen Bürger pro­fi­tieren werden, die jetzt dar­unter leiden und dagegen protestieren.

Wie sind nun die Pläne der Bun­des­re­gierung all­gemein ein­zu­ordnen und zu bewerten? Wer sich in der Geschichte der der Öster­rei­chi­schen Schule der Natio­nal­öko­nomie aus­kennt, der wird die Pläne schnell mit der Parabel vom zer­bro­chenen Fenster in Ver­bindung bringen, die auf Fré­déric Bastiat (1801–1850) zurückgeht und im 20. Jahr­hundert von Henry Hazlitt (1894–1993) auf­ge­griffen wurde.

Wenn ein Lau­se­junge eine Fens­ter­scheibe ein­wirft, dann sieht man als offen­sicht­liche Folge zunächst einmal, dass der Glaser Arbeit hat und die Glas­in­dustrie davon pro­fi­tiert. Man könnte dem Jungen also dankbar sein für seine anscheinend arbeits­schaf­fende und somit wohl­fahrts­för­dernde Zer­störung der Scheibe. Diese Betrachtung ist laut Bastiat und Hazlitt jedoch sehr ein­seitig und kurz­sichtig. Die Zer­störung eines Gutes könne kein Gewinn für die Volks­wirt­schaft sein. Ein guter Ökonom sehe daher nicht nur, dass die Glas­in­dustrie von dem zer­störten Fenster pro­fi­tiert. Er sehe auch, dass das Geld, das in die Glas­in­dustrie fließt, nun nicht mehr woanders hin­fließen kann. Viel­leicht hätte der Besitzer des zer­störten Fensters ja Schuhe davon gekauft. In dem Maße, wie die Glas­in­dustrie pro­fi­tiert, ist in diesem Bei­spiel die Schuh­in­dustrie geschädigt. Es wird durch die zer­störte Fens­ter­scheibe also keine zusätz­liche Arbeit geschaffen; sie wird nur von der Schuh- in die Glas­in­dustrie ver­lagert. Der einzige Effekt ist somit, dass statt neuer Schuhe eine zuvor zer­störte Scheibe her­ge­stellt wird. Der Lau­se­junge hat die Volks­wirt­schaft nicht reicher, sondern um ein Paar Schuhe ärmer gemacht.

Der Lau­se­junge hat die Volks­wirt­schaft nicht reicher, sondern um ein Paar Schuhe ärmer gemacht.

Die Pläne der Bun­des­re­gierung erinnern sehr stark an die Geschichte von diesem Lau­se­jungen. Mit dem Hei­zungs­gesetz will sie Haus­be­sitzer zwingen, ihre Hei­zungen zu ersetzen – man könnte auch sagen, vor­zeitig zu zer­stören –, um damit die Wär­me­pumpen- und ver­gleichbare Indus­trien anzu­kurbeln. Das kann durchaus funk­tio­nieren. Nur über­sieht sie, dass es sich hierbei nicht um die Erzeugung von Arbeit und Wohl­stand handelt. Vielmehr wird die Arbeit nur in andere Indus­trien geleitet, als es der Fall wäre, wenn die Ver­braucher frei ent­scheiden dürften. Es wird auch nicht mehr pro­du­ziert als vorher, sondern nur etwas anderes. Als Netto-Effekt bleibt am Ende, dass Deutschland um die Hei­zungen ärmer wird, die auf­grund des Hei­zungs­ge­setzes vor­zeitig ver­schrottet werden. Es handelt sich also um eine Zer­störung von Wohlstand.

Als Netto-Effekt bleibt am Ende, dass Deutschland um die Hei­zungen ärmer wird, die auf­grund des Hei­zungs­ge­setzes vor­zeitig ver­schrottet werden. Es handelt sich also um eine Zer­störung von Wohlstand.

Das Expe­riment der sozial-öko­lo­gi­schen Trans­for­mation läuft große Gefahr zu scheitern. Es beruht gleichsam (zumindest teil­weise) auf der Hoffnung, dass Wohl­stand und Arbeit geschaffen werden, wenn man Fens­ter­scheiben ein­schlägt, um damit die Glaser in Lohn und Brot zu setzen. Fré­déric Bastiat und Henry Hazlitt haben schon vor langer Zeit gezeigt, dass das öko­no­mi­scher Unsinn ist. Das deutsche Expe­riment wird deshalb nicht als Vorbild für eine gelungene kli­ma­neu­trale Volks­wirt­schaft in die Geschichte ein­gehen, sondern als wei­teres Lehr­buch­bei­spiel für die Parabel vom zer­bro­chenen Fenster.

Das Expe­riment der sozial-öko­lo­gi­schen Trans­for­mation läuft große Gefahr zu scheitern. Es beruht gleichsam (zumindest teil­weise) auf der Hoffnung, dass Wohl­stand und Arbeit geschaffen werden, wenn man Fens­ter­scheiben ein­schlägt, um damit die Glaser in Lohn und Brot zu setzen.

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Dr. Eduard Braun hat im Jahr 2011 bei Pro­fessor Dr. Jörg Guido Hülsmann an der Uni­ver­sität Angers (Frank­reich) pro­mo­viert und ist Pri­vat­dozent an der Tech­ni­schen Uni­ver­sität Clausthal-Zel­lerfeld, (https://www.wiwi.tu-clausthal.de/ueber-uns/abteilungen/volkswirtschaftslehre/ueber-uns/team/dr-rer-pol-eduard-braun).

 

Dieser Artikel erschien zuerst hier: misesde.org