100 Euro für den Liter Sprit — Moderne Mis­sionare auf dem Holzweg

Es drängt sich der Ein­druck auf, dass die Anzahl rot-grüner Mis­sionare zunimmt und deren For­de­rungen aus­ufernder werden. Ein Artikel mit dem Titel „Ber­liner Pro­fessor fordert 100 Euro für den Liter Sprit“ passt gut ins Bild und ist zugleich doch nur die Spitze eines Eisbergs.

(von Rainer Fassnacht)

Ludwig von Mises (1881–1973) hat schon in seiner Zeit Par­al­lelen zwi­schen Sozia­lismus und Religion auf­ge­zeigt. Das aktuelle Geschehen liefert zahl­reiches Anschau­ungs­ma­terial für diese Ver­bindung und unter­streicht die Treff­si­cherheit seiner dama­ligen Ausführungen.

In der rot-grünen Gegenwart sind zahl­reiche reli­giöse Ele­mente wie bei­spiels­weise Ungläubige (Leugner), Heils­er­wartung, Gei­ßelung, Beichte, (Steuer-)Sünder, Ablass, Inqui­sition, Ketzer, Arma­geddon (Wel­ten­brand), Jünger, Priester und Mis­sionare wiederzufinden.

Es passt dazu, dass sich die Kirchen selbst rot-grün „trans­for­mieren“ und dabei auch Wider­sprüche zur christ­lichen Lehre igno­rieren. Law­rence Reed hat dies mit der Über­schrift eines Artikels gut zum Aus­druck gebracht: „No, Jesus Wasn’t a Socialist” (Nein, Jesus war kein Sozialist).

Autoren von Bei­trägen mit Titeln wie „Speisen natür­liche Quellen den CO2-Anstieg in der Atmo­sphäre?“ oder „Der Nachweis eines men­schen­ge­machten Kli­ma­wandels ist nicht erbracht. Eine erkennt­nis­theo­re­tische Kritik“ setzen sich heute der Gefahr aus, als Ketzer (Kli­ma­leugner) eti­ket­tiert zu werden. Dies geschieht auch – ins­be­sondere gerade dann –, wenn über­zeu­gende Argu­mente vorliegen.

Früher wurden Ketzer exkom­mu­ni­ziert oder von der Inqui­sition ermordet. Heute geschieht dies bei­spiels­weise durch Rufmord, Job­verlust und Dia­log­ver­wei­gerung in den sozialen Medien oder an Hoch­schulen. Wie Umfragen zeigen, ver­an­lasst das viele Men­schen zu schweigen. Einige gehen so weit, ihre Glau­bens­un­ter­werfung – selbst im Wider­spruch zu ihren per­sön­lichen Über­zeu­gungen – öffentlich zu vollziehen.

Auch dafür gibt es his­to­rische Vor­läufer. Früher gab es Men­schen, die sich auf der Straße – als für andere sichtbare reli­giöse Buße – gei­ßelten. Eine Par­allele könnte bei­spiels­weise jemand sein, der Pho­to­vol­ta­ik­zellen instal­liert, obwohl er weiß, dass sich dies erst rechnen wird, wenn er bereits im Jen­seits weilt, also aus­schließlich um „ein Zeichen zu setzten“.

Die Ana­logie zum Ablass ist: „Siehe, ich zahle für meine Öko-Sünden!“ Einige PV-Module auf dem Dach würden so bildlich gesprochen vom Ener­gie­er­zeuger zum reli­giösen Symbol – für alle gut sichtbar.

Auch die Beichte lässt sich finden. Im ein­gangs genannten Artikel wird erwähnt, dass besagter Pro­fessor eine „Öko-Sünde“ (Snow­board fahren im Hoch­sommer) auf Twitter gebeichtet hat. Ande­rer­seits bleibt nicht uner­wähnt, dass er mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Ob und gege­be­nen­falls welche Ver­rechnung hier möglich wäre, dürfte eine Frage für die Priester der rot-grünen Religion sein.

Das aktuell tat­sächlich ver­sucht wird, selbst Logik und Mathe­matik zurück­zu­drängen, indem sie mit dem mitt­ler­weile sprich­wört­lichen „alten weißen Mann“, Ras­sismus und Kolo­nia­lismus in Ver­bindung gebracht werden, zeigt, dass die rot-grünen Mis­sionare offen­sichtlich erkannt haben, welche Gefahr vom Gebrauch des Ver­standes für sie und ihre reli­giöse Ideo­logie ausgeht.

Angst wird als eine mög­liche Quelle der Reli­gio­sität gehandelt. Und so ver­wundert der Einsatz von Angst als Mittel rot-grüner Mis­sio­nierung nicht. Je besser es gelingt, das „Pani­k­level“ hoch­zu­halten, umso ein­facher ist es, auch unlo­gi­sches Tun unbe­merkt durch­zu­drücken. Angst hemmt den Verstand.

Da Angst den Ver­stand hemmt, kommt es noch nicht einmal darauf an, dass die Angst (vor der Hölle) direkt mit dem jewei­ligen rot-grünen Thema zu tun hat. Model­lierte Hit­zetote lassen sich kämp­fe­risch ver­wenden, um weitere plan- und kom­man­do­wirt­schaft­liche Vor­haben zu realisieren.

Obwohl bereits vor über 100 Jahren wis­sen­schaftlich gezeigt wurde und immer wieder in der Praxis belegt wurde, dass die vor­geblich ange­strebten Ziele mit dem Sozia­lismus nicht erreicht werden können, gelingt es, mit neuen Höl­len­ängsten einen wei­teren Versuch zu starten.

Wahr­schein­licht liegt der größte „Erfolg“ der Ver­hüllung des Sozia­lismus in ein neues grün-reli­giöses Män­telchen darin, dass es gelungen ist, nicht wenige Men­schen von einem absolut unlo­gi­schen und wider­sprüch­lichen Gedanken zu über­zeugen: Wer den Umgang mit dem Kli­ma­wandel für eine ernst­zu­nehmend Her­aus­for­derung hält, müsse auto­ma­tisch auch für grüne Plan- und Kom­man­do­wirt­schaft sein.

Tat­sächlich ist das Gegenteil richtig: Wer den Umgang mit dem Kli­ma­wandel für ein große Her­aus­for­derung hält, sollte erwie­se­ner­maßen nicht-funk­tio­nie­rende Mittel wie die Plan- und Kom­man­do­wirt­schaft ablehnen. Mit Plan- und Kom­man­do­wirt­schaft ist man nicht in der Lage, die (vor­geblich) ange­strebten Ziele zu erreichen, auch nicht beim Kli­ma­wandel. Doch während die Ziele damit nicht erreicht werden können, sind die Wohl­stands- und Frei­heits­ver­luste gewiss.

Wer auf die falsche rot-grüne Heils­ge­schichte her­ein­fällt, gleicht jemandem, der Maß­nahmen durch­setzt, die zu Armut bis hin zum früh­zei­tigen Tod zahl­reicher Men­schen führen können, und behauptet, es seien Maß­nahmen im Interesse der Menschheit. Auch im reli­giösen Umfeld kamen analoge Opfer­ri­tuale vor.

Es fällt auf, dass die rot-grünen Mis­sionare ihre For­de­rungen häufig an den Staat richten. Dies ist auch bei der For­derung nach einem Ben­zin­preis von 100 Euro der Fall (da kaum zu erwarten ist, dass viele Men­schen an der Tank­stelle frei­willig diesen Preis bezahlen möchten).

Auch die soge­nannten Kli­makleber rufen nach staat­lichem Zwang, statt sich zu bemühen, andere Men­schen mit per­sön­lichem Bei­spiel oder guten Argu­menten zu über­zeugen. Da das Fest­kleben der Gesundheit nicht zuträglich sein dürfte und die Los­lösung ver­mutlich schmerzhaft ist, liegt auch hier eine Ana­logie zum reli­giösen Element der Selbst­gei­ßelung vor – und zum öffent­lichen Glau­bens­be­kenntnis sowieso.

Um von der Welle der neuen rot-grünen Religion nicht hinfort gespült zu werden, genügt es nicht, den eigenen Ver­stand zu gebrauchen. Das ist zwar eine not­wendige aber keine hin­rei­chende Bedingung. Zusätzlich braucht es den Mut zum Widerspruch.

Ob ein Argument falsch oder richtig ist, hängt nicht davon ab, wie viele Men­schen daran zu glauben scheinen. Nicht selten zeigt ein mutiges Wort der Kritik, laut aus­ge­sprochen, dass die Zahl der Gläu­bigen kleiner ist, als es ursprünglich den Anschein hatte. Immer mehr Men­schen erkennen, dass sich die modernen Mis­sionare auf dem Holzweg befinden.

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Rainer Fass­nacht ist aus­ge­bil­deter Kaufmann und stu­dierter Diplom-Ökonom. Er lebt in Berlin und ist Autor des Buchs „Unglaub­liche Welt: Eta­tismus und indi­vi­duelle Freiheit im Dialog“. Auch in seinen sons­tigen, unter anderem vom Aus­trian Eco­nomics Center in Wien ver­öf­fent­lichten Texten, setzt er sich für die Bewahrung der indi­vi­du­ellen Freiheit ein.


Quelle: misesde.org