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Die Schlammflut-Hypo­these: Defi­nition von Tar­taria und die gefälschte Chronologie

Der erste bekannte west­liche Bericht über Tar­taria wurde von Gio­vanni da Pian del Carpine (um 1182 – 1252) zusam­men­ge­stellt, der der erste bemer-kens­werte euro­päische Rei­sende war, der das mon­go­lische Reich besuchte.

Del Carpine, ein Zeit­ge­nosse und Ver­ehrer des hei­ligen Fran­ziskus, wurde von Papst Innozenz IV. auf eine for­melle Mission geschickt, um die Stärken der mon­go­li­schen Kultur zu begut­achten und ihre mili­tä­ri­schen Fähig­keiten zu bewerten, noch Jahr­zehnte vor Marco Polos Reise durch die Region, dessen Rei­se­be­richt die Europäer fas­zi­niert hat.

Der Mönch schrieb 1247–1250 das erste wichtige Werk über Zen­tral­asien. Seine Mission führte ihn zunächst in die mon­go­lische Provinz Kaniv in der Ukraine. Anschließend über­querte er die Flüsse Dnjepr, Don und Wolga.

An der Wolga stand das „Ordu“ (Lager) von Batu, dem Ober­be­fehls­haber der West­grenzen. Von dort wurde ihm befohlen, zum Hof des Großen Khans zu reisen und in 106 Tagen 3.000 Meilen (4.800 Kilo­meter) zu reisen.

Abb. 4: Leider ist nur eine unscharfe Karte von Europa und Tar­taria von Carpine auffindbar

Während sich del Carpine im Herzen des mon­go­li­schen Reiches auf­hielt, zeichnete er seine Beob­ach­tungen auf und fasste sie später zu einem großen Werk zusammen mit dem Titel „His­toria Mon­ga­lorum Quos Nos Tar­taros Appel­lamus“ („Geschichte der Mon­golen, die wir Tar­taren nennen“).

Die Schrift war in acht Kapitel unter­teilt: Klima, Bräuche, Religion, Ethik, Geschichte, Politik, Taktik und die effek­tivste Art, ihnen im Kampf ent­ge­gen­zu­wirken. Im neunten Kapitel beschreibt er die Länder, die er durch­quert hat. Das Werk wurde erst im Jahr 1839 voll­ständig ver­öf­fent­licht, ungefähr zur Zeit der angeb­lichen Zer­störung von Tar­taria, auf der die moderne tar­ta­rische Theorie basiert. (Die Schlammflut-Hypo­these: Die Geschichte der Theorie über das große Reich von Tar­taria)

In dem Buch „The Mud Flood Hypo­thesis: The History of the Con­spiracy Theory about the Global Empire of Tar­taria“ wird behauptet:

„Die Schlammflut-Theorie hat ihren Ursprung in den pseu­do­in­tel­lek­tu­ellen revi­sio­nis­ti­schen Theorien von Alex­ander Hinevich aus Sibirien, einem Sek­ten­führer für die Wie­der­be­lebung des Neu­hei­dentums, und von Anatoly Fomenko. Da Russland im Mit­tel­punkt vieler tar­ta­ri­scher Geschichten steht, war es nur eine Frage der Zeit, dass rus­sische Pseu­do­wis­sen­schaftler sie zum Vorteil ihres Landes nutzten.“

Diese Aussage ist nicht ganz korrekt, ja Hinevich hat Lek­tionen über Tar­taria und andere eso­te­rische Themen gegeben. Er gründete in Omsk 1990 den „Yng­lismus“, insti­tu­tionell bekannt als die Alte-Rus­sische Yng­lis­tische Kirche der Ortho­doxen Alt-Gläubigen–Ynglinger. Er wurde vom Main­stream als Freak und Schar­latan abge­stempelt. Es gibt keinen Hinweis, er hätte eine Schlammflut erwähnt.

Anatoli Fomenko (1945-) ist ein rus­si­scher Mathe­ma­tiker und Pro­fessor an der Lomo­nossow-Uni­ver­sität in Moskau, der mit seinen chro­no­lo­gie­kri­ti­schen Projekt „Neue Chro­no­logie“ bekannt wurde, aber des­wegen auch als Ver­schwö­rungs­theo­re­tiker abge­stempelt wird. Er hat nie von einer Schlammflut geschrieben, sondern lediglich über die Tar­taren in Asien berichtet, jedoch nicht über das im Internet bekannte Tar­taria, als gelöschtes Reich, referiert.

In Anatoli Fomenkos „Neue Chro­no­logie“ wird die rus­sische Tata­ri­sierung durch die okkulte Geschichte von Nikolai Levashov populär gemacht. In der rus­si­schen alter­na­tiven Wis­sen­schaft wird Tar­taria als rich­tiger Name für Russland dargestellt.

Die Ein­be­ziehung des „r“ stammt angeblich von der nega­tiven euro­päi­schen Ein­stellung gegenüber der Region auf­grund der Inva­sionen aus der Mongolei.

Ursprünglich Tataria, wurde das zweite „r“ hin­zu­gefügt, um es mit einer höl­li­schen Figur aus der grie­chi­schen Mytho­logie zu ver­gleichen. Einige glauben, dass das zusätz­liche „r“ das Ergebnis eines ras­sis­ti­schen Wort­spiels von König Ludwig XVI. war, der sie mit Bewohnern von Tar­tarus, dem latei­ni­schen Namen für Hades, verglich.

Fomenko ist als sowje­ti­scher Mathe­ma­tiker bekannt, der zu dem Schluss kam, dass der Ruhm Roms, Grie­chen­lands und Ägyptens viel später stattfand als die his­to­ri­schen Berichte über das gesamte Mit­tel­alter. Er berechnete, dass der über­wie­gende Teil der stan­dar­di­sierten Geschichte Betrug sei.

Die Großen Pyra­miden zum Bei­spiel wurden von den mon­go­li­schen Horden gebaut, die Fomenko in rus­sische Horde umfor­mu­lierte, denen er die Kolo­ni­sierung Ame­rikas zuschrieb und er die gegen­wärtige Fas­zi­nation für das Römische Reich demas­kierte, da er die ver­fälschte Geschichts­schreibung aufdeckt.

Weil zwei his­to­rische Zeit­linien eng zusam­men­passten, kam Fomenko zu dem Schluss, dass eine von ihnen falsch sein muss. Die Syn­these seiner Arbeit lief auf eine einzige Prä­misse hinaus: Die gesamte geschriebene Geschichte ist lediglich das Kopieren, Ver­ändern und Wie­der­holen einer Reihe his­to­ri­scher Ereignisse.

Er argu­men­tiert, dass Ereig­nisse der Antike, die im All­ge­meinen den antiken Zivi­li­sa­tionen Roms, Grie­chen­lands und Ägyptens zuge­schrieben werden, tat­sächlich im Mit­tel­alter, mehr als tausend Jahre später, stattfanden.

Die Theorie geht weiter davon aus, dass die Welt­ge­schichte vor 1600 n. Chr. weit­gehend gefälscht wurde, um den Inter­essen ver­schie­dener Ver­schwörer gerecht zu werden, dar­unter dem Vatikan, dem Hei­ligen Römi­schen Reich und dem rus­si­schen Haus Romanow, die alle daran arbei­teten, die „Wahrheit“ zu verschleiern.

Die Geschichte der Welt dreht sich um ein glo­bales Imperium namens „Rus­sische Horde“.

Fomenko stellte die Könige von Juda von 0 bis 400 n. Chr. einer Tabelle der deut­schen Könige von 950‑1350 n. Chr. gegenüber. Die Muster schienen so ähnlich zu sein, dass Fomenko zu dem Schluss kam, dass das König­reich Juda von His­to­rikern zusam­men­ge­dichtet wurde, um die wahre Geschichte des Mit­tel­alters der Säch­si­schen Dynastie in Europa zu vertuschen.

Das System wurde Fomenko-Par­al­le­lismus genannt und schien eine saubere Mög­lichkeit zu sein, die gesamte Welt­ge­schichte in ein von Russland domi­niertes System zu packen, sogar die Ent­wicklung Amerikas.

Abb. 5: Bei­spiel für Fomenko-Par­al­le­lität: Das Römische Reich und seine angeb­lichen Kaiser

Zahl­reiche Per­sön­lich­keiten und Orte, die His­to­rikern bekannt sind, fielen dem zum Opfer. Jesus wurde als byzan­ti­ni­scher Kaiser Andro­nikos I. Kom­nenos umge­staltet, gemischt mit Bio­grafien eines Papstes und eines chi­ne­si­schen Kaisers.

Troja und Jeru­salem wurden in die byzan­ti­nische Haupt­stadt Kon­stan­ti­nopel umbe­nannt. In Bezug auf Tar­taria wurde der größte Teil der Geschichte jedoch von den mon­go­li­schen Horden (der rus­si­schen Horde nach Fomenko) domi­niert, die von Zaren, Khanen wie Dschingis (Chinggis, Chingis, Jenghiz, Jinghis, ursprünglich Temüjin genannt) und seinem Enkel Kublai ange­führt wurden, der angeblich die Pyra­miden baute. Solche Schluss­fol­ge­rungen sind in seinem rie­sigen sie­ben­bän­digen Werk enthalten.

Abb. 6: Fomenkos „Geschichte: Fiktion oder Wis­sen­schaft?“ Die Chro­no­logie Bände 1–7

Fomenko erhielt den Spitz­namen „Ter­mi­nator“ auf­grund seiner Vor­liebe dafür, Gründe zu finden, große Teile der im All­ge­meinen nicht-rus­si­schen Geschichte zu löschen.

Seine Umschreibung der bibli­schen Geschichte und Chro­no­logie zog den Zorn der rus­sisch-ortho­doxen Kirche auf sich und die Main­stream-Wis­sen­schaft behauptet, dass Fomenkos Arbeit perfekt in eine Art von Pseu­do­ge­schichte passt, die Russland in allen Dingen bevorzugt.

Wei­terhin wird pos­tu­liert, dass es bei den Sowjets beliebt war und sogar über die Sowjetzeit hinaus ist, wenn Russland darum kämpft, seine Iden­tität zurückzugewinnen.

Übli­cher­weise behaup­teten Befür­worter, dass west­liche His­to­riker den Mythos eines ari­schen Volkes ver­breiten, dass das Heilige Römische Reich nur die ange­eignete Geschichte eines großen rus­si­schen Impe­riums sei.

Die Idee von Chro­no­logien, die von der her­kömm­lichen Chro­no­logie abweichen, lässt sich min­destens bis in die zweite Hälfte des 17. Jahr­hun­derts zurück­ver­folgen. Jean Har­douin schlug vor, dass viele antike his­to­rische Doku­mente viel jünger seien, als all­gemein ange­nommen wird.

Im Jahr 1685 ver­öf­fent­lichte er eine Version der Natur­ge­schichte von Plinius dem Älteren, in der er behauptete, dass die meisten grie­chi­schen und römi­schen Texte von Bene­dik­ti­ner­mönchen gefälscht worden seien.

Als Har­douin später zu diesen Ergeb­nissen befragt wurde, erklärte er, dass er die Gründe der Mönche in einem Brief offen­legen werde, der erst nach seinem Tod bekannt gegeben werde. Die Nach­lass­ver­walter konnten ein solches Dokument in seinen Nach­lässen nicht finden.

Im 17. Jahr­hundert drückte Sir Isaac Newton bei der Unter­su­chung der aktu­ellen Chro­no­logie des antiken Grie­chen­lands, des alten Ägyptens und des alten Nahen Ostens seine Unzu­frie­denheit mit den vor­herr­schenden Theorien aus und schlug in „The Chro­nology of Ancient Kingdoms Amended“ eine eigene Theorie vor: Indem er seine Studie auf die Argo­nautica des Apol­lonius von Rhodos stützte, ver­än­derte er die tra­di­tio­nelle Datierung der Argo­nau­ti­schen Expe­dition, des Tro­ja­ni­schen Krieges und der Gründung Roms.

Bis zum 17. Jahr­hundert „ord­neten“ His­to­riker und Über­setzer ver­schie­denen Berichten über die­selben his­to­ri­schen Ereig­nisse häufig unter­schied­liche Daten und Orte zu und erstellten so mehrere „Phan­tom­kopien“ dieser Ereignisse.

Diese „Phan­tom­kopien“ wurden oft um Jahr­hun­derte oder sogar Jahr­tau­sende falsch datiert und schließlich in die kon­ven­tio­nelle Chro­no­logie übernommen.

Diese Chro­no­logie wurde größ­ten­teils von Joseph Justus Sca­liger in „Opus Novum de emen­da­tione tem­porum“ (1583) und „The­saurum tem­porum“ (1606) erstellt und prä­sen­tiert eine große Reihe von Daten dar, die ohne jeg­liche Begründung erstellt wurden und die sich wie­der­ho­lende Datums­folgen mit Ver­schie­bungen ent­halten, die einem Viel­fachen der wich­tigsten kab­ba­lis­ti­schen Zahlen 333 und 360 entsprechen.

Der Jesuit Dio­nysius Petavius ver­voll­stän­digte diese Chro­no­logie in „De Doc­trina Tem­porum“, 1627 (V.1) und 1632 (V.2).

Abb. 7: Links: Sca­ligers „Opus Novum de emen­da­tione tem­porum“ und rechts Petavus’ „De Doc­trina Temporum“

Der vor­herr­schende his­to­rische Diskurs wurde im 16. Jahr­hundert im Wesent­lichen aus einem ziemlich wider­sprüch­lichen Durch­ein­ander von Quellen gestaltet, wie z. B. unzäh­ligen Kopien antiker latei­ni­scher und grie­chi­scher Manu­skripte, deren Ori­ginale im Mit­tel­alter ver­schwunden waren, und den angeblich unwi­der­leg­baren Beweisen spät­mit­tel­al­ter­licher Astro­nomen, die sich auf die Macht der kirch­lichen Auto­ri­täten stützten.

Fast alle Bestand­teile sind offen­sichtlich unwahr!

Es stimmt, es ist ziemlich beun­ru­higend zu sehen, wie sich das prächtige Gebäude der klas­si­schen Geschichte in ein unheil­volles Simu­lacrum ver­wandelt, das über der Schlan­gen­grube der mit­tel­al­ter­lichen Politik brütet…

Inhalts­ver­zeichnis

Vorwort

1 Die Theorie

2 Die Defi­nition von Tartaria

3 Die Zer­störung von Tartaria

4 Die Vertuschung

5 Auf­bauend auf der Theorie

6 Des­in­for­mation

7 Das Narrativ

Warum ver­schwand vor 200 Jahren das Groß­reich Tar­taria aus Büchern und Landkarten

Die Archi­tektur zur Energiegewinnung

Drei Resets – ein Reset fehlt noch! Die Schlammflut – als unsere Geschichte über­deckt wurde

Fazit

Mehr dazu im Buch „Die Schlammflut-Hypo­these: Die Geschichte der Theorie über das große Reich von Tar­taria

Zuerst erschien der Beitrag hier: pravda-tv.com