Bild: https://pixabay.com/de/photos/impfung-impfspritze-medizin-arzt-2722937/

Diese Impfung rettet tat­sächlich Leben! Doch in Deutschland gibt es zurzeit einen Liefer-Engpass beim Tollwut-Impfstoff

von Vera Wagner

Medizin kann Leben retten, Medizin kann töten, das gilt für Medi­ka­mente ebenso wie für Imp­fungen, wie die letzten zwei Jahre gezeigt haben. Während die deutsche Regierung Vorräte für die soge­nannte „Corona-Schutz­impfung“ wie ein Eich­hörnchen gehortet hat, ist hier­zu­lande ein Impf­stoff knapp, der wirklich Leben retten kann: der Toll­wut­impf­stoff. Das ist nicht lustig, weil eine Toll­wut­in­fektion als sicheres Todes­urteil gilt. Weltweit sterben jedes Jahr fast 600.000 Men­schen an Tollwut, und man geht von einer erheb­lichen Dun­kel­ziffer aus. Des­wegen sind Fern­rei­sende in Deutschland besorgt. Dass aus der Sorge bit­terer Ernst werden kann, zeigt der fol­gende Fall, den unser unbe­stech­licher Impf-Experte Prof. Martin Haditsch fachlich kom­men­tieren wird.

Zwei Frauen reisen nach Thailand, auf eine ent­legene, idyl­lische Insel. Bei einem Sturz zieht sich eine Frau, nennen wir sie Anna, eine Schürf­wunde am Bein zu. Damit sie besser heilen kann, ent­fernt sie das Pflaster nach kurzer Zeit. Ein Stra­ßenhund reißt die Kruste ab und leckt an der Wunde. Annas Freundin Nadja, von Beruf medi­zi­nische Fach­an­ge­stellte, ist alar­miert, denn sie weiß: Es besteht Lebens­gefahr! Während Deutschland seit 2008 toll­wutfrei ist, tritt das Virus in vielen anderen Ländern, auch Thailand, noch auf. Eine Tollwut-Infektion endet immer tödlich, der Biss eines infi­zierten Hundes ist die häu­figste Anste­ckungs­ur­sache. Dazu Prof. Martin Haditsch: „Das ist Hochrisikoexposition!“

Obwohl sie buch­stäblich „am anderen Ende der Welt“ sind, finden die beiden Frauen vor Ort eine Arzt­praxis, von der Ein­richtung zwar sehr einfach, aber, was die medi­ka­mentöse Ver­sorgung angeht, offenbar erstaunlich gut aus­ge­stattet. Anna erhält Anti­biotika, um einer mög­lichen Sepsis (Blut­ver­giftung) vor­zu­beugen, außerdem ins­gesamt drei Toll­wut­imp­fungen und die Emp­fehlung, sich nach der Rückkehr nach Deutschland die vierte Dosis zu holen.

„Sehr ris­kanter Ver­sor­gungs­fehler.“, kom­men­tiert Prof. Haditsch. „Bei nicht vor­ge­impften Per­sonen gehört die simultane Ver­ab­rei­chung von Hyper­im­mun­glo­bulin (d.h. spe­zi­fi­schen vor­ge­fer­tigten Abwehr­stoffen gegen Tollwut) dazu! Dies nicht zu machen, hat trotz korrekt ver­ab­reichter Imp­fungen bei einem Inder zum Tode geführt, da diese Impf­stoffe nicht sofort wirken!“ 

Zurück in Deutschland tele­fo­niert sich die Arzt­hel­ferin von Annas Hausarzt die Finger wund. Nor­ma­ler­weise kann eine Apo­theke ein solches Produkt über das Not­fall­depot binnen weniger Stunden orga­ni­sieren. Doch die Arzt­hel­ferin erhält überall die Aus­kunft, Tollwut-Impf­stoff sei derzeit nicht ver­fügbar, nur als Import aus Por­tugal oder beim Tropen-Institut Frankfurt.

Dazu Prof. Haditsch: „Tollwut-Impf­stoff ist (zumindest in Öster­reich) übli­cher­weise an allen Unfall­ab­tei­lungen ver­fügbar (oder innerhalb von Stunden ange­liefert). Es gab aller­dings vor 15 Jahren einmal einen Engpass und einen wei­teren Engpass vor ca. drei Jahren.“

Genau einen solchen Engpass gibt es zurzeit in Deutschland, er hat Apo­theken mona­telang auf Trab gehalten: Glaxo Smith Kline hat die Lizenzen für Rabipur ver­kauft. Der neue Impf­stoff Verorab von Sanofi soll ab 31.1.2024 wieder ver­fügbar sein. In einer Mit­teilung der STIKO über die „ein­ge­schränkte Ver­füg­barkeit von Impf­stoffen“ vom 18.12.2023 ist zu lesen:

„Durch Ein­stellung des Inver­kehr­bringens von Tollwut-Impf­stoff (HDC) inak­ti­viert steht derzeit kein alter­na­tiver Toll­wut­impf­stoff zur Ver­fügung. Während die Belie­ferung von Not­fall­depots der Lan­des­apo­the­ker­kammern sicher­ge­stellt wird, kann es in der Peri­pherie zu Lie­fer­eng­pässen kommen.“

 Anna lebt in der Peri­pherie, und Werner S., dem Apo­theker vor Ort, gelingt es nicht, den Tollwut-Impf­stoff über ein Not­fall­depot auf­zu­treiben. Verorab ist heute, zum ange­kün­digten Stichtag – wir schreiben den 31. Januar 2024 – laut Werner S. noch nicht wie ange­kündigt ver­fügbar. Anna hätte die Spritze ohnehin Mitte Januar gebraucht! Außerdem heißt es ist in einem kana­di­schen Leit­faden zur Toll­wut­impfung von 2015, dass – wann immer möglich – Impf­serien mit dem­selben Produkt abge­schlossen werden sollten.

Anna hat Angst, sie fährt Mitte Januar nach Frankfurt zum Tropen-Institut, mit hundert Euro im Geld­beutel. Sie hat gerade ihr Studium abge­schlossen, der Urlaub in Thailand, noch kein Job, auf dem Konto herrscht gäh­nende Leere. Vor Ort bittet sie darum, ihr dennoch die dringend benö­tigte Spritze zu ver­ab­reichen, sie werde ihren Ausweis als Sicherheit hin­ter­legen und den rest­lichen Betrag im Februar bezahlen. Keine Chance – sie wird ohne Impfung weg­ge­schickt. Der Preis von 380 Euro erscheint Prof. Haditsch sehr hoch: „Der genannte Preis kann nicht stimmen, die Abgabe muss zum Preis der Apo­theke erfolgen, und das sind ca. 90 Euro (außer, der Arzt ver­rechnet 190 Euro für die Ver­ab­rei­chung.) 🙂

In Deutschland kostet die Toll­wut­impfung 80 Euro, d.h., das Tro­pen­in­stitut berechnet für seinen Service 300 Euro. Die Arzt­hel­ferin von Annas Hausarzt berichtet, dass in der Praxis, in der sie bis vor einigen Jahren gear­beitet hat, für den Notfall immer zwei Dosen Impf­stoff auf Vorrat gehalten wurden, auch noch nach 2008, seit Deutschland offi­ziell als toll­wutfrei gilt. Tollwut-Infek­tionen nach Fern­reisen in Risi­ko­länder wie Asien oder Afrika (95 Prozent der gemel­deten Fälle) sind jederzeit möglich. Ein Risiko geht auch von illegal impor­tierten Tieren aus, die oft keinen Impf­schutz haben. Im badi­schen Lörrach musste eine Kin­der­ärztin 2008 nach­träglich zwei Kinder impfen, die Kontakt mit einem toll­wü­tigen Hund hatten.

Im Sep­tember 2021 wurde bei einem Hun­de­welpen, der aus dem Ausland nach Deutschland gebracht wurde, Tollwut fest­ge­stellt. Die Lage könnte sich ver­schärfen, weil viele Flücht­linge aus der Ukraine ihre Haus­tiere mit­nehmen. Die Ukraine ist nicht toll­wutfrei, Hunde, Katzen oder Frettchen können Virus­träger sein. Nor­ma­ler­weise sind die Auf­lagen bei der Ein­reise aus einem Risi­koland streng: Es muss eine Toll­wut­schutz­impfung nach­ge­wiesen werden, die länger als 21 Tage zurück­liegt. Die Rege­lungen wurden aller­dings mit Beginn der Flücht­lings­welle gelo­ckert, ver­mutlich, weil die zustän­digen Behörden mit der Kon­trolle über­fordert sind. Auf der Web­seite der Welt­tier­schutz­or­ga­ni­sation ist am 4. März 2022 zu lesen: „Die Maß­nahmen gegen die Tollwut sollten im Ange­sicht der Gewalt jedoch nicht die Flucht aus der Ukraine beein­träch­tigen. … Haus­tiere dürfen auch ohne Doku­mente sowie Iden­ti­fi­zierung und Impfung zunächst ein­reisen.“

Prof. Haditsch schätzt die Situation im Moment zwar noch als nicht dra­ma­tisch ein: „Die Tollwut mani­fes­tiert sich bei Tieren innerhalb kurzer Zeit (klas­sisch innerhalb von zwei Wochen), und dann sterben sie. Und mensch­liche Kon­takt­in­fek­tionen, die ja tödlich enden, sind mir nicht bekannt.“.

Apo­theker Werner S. zeigt sich auf meine Nach­frage aller­dings besorgt: „Wir können nicht sicher sein, ob da nicht doch etwas auf uns zukommt … oder schon da ist.“ 

 

www.weihrauchplus.de