Wird Öl der neue Tabak?

Dieser Kom­mentar von mir erschien bei der Wirt­schafts­Woche Online:

Irland hat als erstes Land der Welt seinem staat­lichen Inves­ti­ti­ons­fonds gesetzlich untersagt, in Aktien von Unter­nehmen zu inves­tieren, die mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes mit fos­silen Brenn­stoffen erzielen. Unter­nehmen, die mit Öl, Kohle, Gas und sogar Torf ihr Geld ver­dienen, werden aus dem Port­folio ver­bannt und müssen so schnell wie möglich ver­kauft werden. Mit diesem Beschluss des iri­schen Par­la­ments will das kleine Land, das ansonsten im Kli­ma­schutz weit hinter den anderen Ländern der EU hin­ter­her­hinkt, einen Beitrag zum Kli­ma­schutz leisten.
Schon zuvor hatte der mit rund einer Billion US-Dollar Ver­mögen welt­größte nor­we­gische Staats­fonds beschlossen, nicht mehr in Unter­nehmen zu inves­tieren, die die Umwelt schä­digen. Vorerst betrifft dies Koh­le­för­derer, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch andere fossile Ener­gie­träger tan­giert. Daneben gibt es bereits unzählige Pen­si­ons­fonds, Ver­si­che­rungen und Invest­ment­fonds, die auf eine Anlage ihres Geldes in diesem Bereich verzichten. 

Ethi­sches Investment ist in

Generell gibt es einen wahren Boom an ethisch moti­vierten Invest­ment­stra­tegien. Das geht so weit, dass sogar der welt­größte Asset­ma­nager Blackrock in seinem Inves­ti­ti­ons­prozess vorgibt, auf Umwelt­schutz, soziale Stan­dards und gutes Geschäfts­ge­baren zu achten. Nicht nur, weil es eine gute Sache ist, sondern weil es sich lohnt. Indizes, die sich auf Unter­nehmen in den Bereichen Ener­gie­ef­fi­zienz, Was­ser­tech­no­logie und andere Umwelt­schutz­tech­no­logien fokus­sieren, haben den Benchmark geschlagen. Kein Wunder, dass in ent­spre­chende Fonds bei Blackrock schon mehr als sechs Mil­li­arden US-Dollar geflossen sind. 
Das hat natürlich weniger mit der ethi­schen Ori­en­tierung als mit der Tat­sache zu tun, dass viele Unter­nehmen in diesem Bereich hohe Wachs­tums­raten auf­weisen und zugleich die Grö­ßen­ef­fekte zunehmend zum Tragen kommen. Wie in frü­heren Kolumnen schon dis­ku­tiert, stehen gerade die alter­na­tiven Energien vor einem Durch­bruch, weil sie sich zunehmend schon ohne Sub­vention rechnen. Auch bei der Elek­tro­mo­bi­lität rechnen einige Experten schon bald mit tie­feren „Total cost of ownership“ für Elek­tro­fahr­zeuge im Ver­gleich zu PKW mit tra­di­tio­nellem Antrieb. Beides treibt Umsatz und Gewinne und damit die Bewertung dieser Unternehmen. 
Besonders aus­ge­prägt ist der Vorteil ethi­schen Invest­ments in den Schwel­len­ländern. Hier liegt das aller­dings vor allem an der Berück­sich­tigung des Geschäfts­ge­barens der Unter­nehmen bei der Akti­en­auswahl. Es lohnt sich also, um Unter­nehmen, die mit Betrug und Kor­ruption arbeiten, einen Bogen zu machen. 

Die relative Bewertung wird beeinflusst

Je stärker der Trend zu ethi­schen Invest­ments wird, desto mehr schlägt er sich in der rela­tiven Bewertung der Unter­nehmen nieder. Schon seit Jahren steigen die Aktien von Unter­nehmen, die den CO2-Ausstoß redu­zieren mehr als die ihrer Wett­be­werber. Zunehmend wird die Nicht­ein­haltung der ethi­schen Anfor­de­rungen von Unter­nehmen als ein erheb­liches Risiko gesehen. Zu groß die Gefahr, dass es zu einer plötz­lichen, nega­tiven Über­ra­schung kommt und die Aktie stürzt. Ich bleibe dies­be­züglich trotz der her­aus­ra­genden Per­for­mance von Volks­wagen bei meiner grund­le­genden Skepsis gegenüber Unter­nehmen und Aktie. Da ver­zichte ich gerne auf den Ertrag. 
Derweil nimmt die Umstellung auf ethische Invest­ment­kri­terien immer mehr an Fahrt auf. Schon vor einem Jahr hat der welt­größte Pen­si­ons­fonds, der Japan’s Government Pension Investment Fund (GPIF) mit rund 1300 Mil­li­arden Dollar Anla­ge­ver­mögen, ange­kündigt neun Mil­li­arden in ent­spre­chende Indizes zu stecken und den Betrag künftig weiter zu erhöhen. Die Schweizer Rück beab­sichtigt das gesamte 130-Mil­li­arden-Port­folio nach diesen Kri­terien aus­zu­richten. Immer mehr große Asset­ma­nager springen auf den Zug auf und stellen die Invest­ment­pro­zesse ent­spre­chend um. 
Die mit­tel­fristige Folge davon liegt auf der Hand. Unter­nehmen, deren Geschäfts­modell und ‑gebaren nicht die Kri­terien erfüllen, kommen unter Druck. In einigen Fällen wird dies eine Ver­bes­serung der Unter­neh­mens­führung bewirken, was dann eine ent­spre­chende Kauf­ge­le­genheit dar­stellt. Inves­toren, die gezielt auf ent­spre­chende Ände­rungen setzen, dürften sich schöne Poten­ziale bieten. 
Doch, was ist mit jenen Unter­nehmen, deren Zweck bis jetzt als nützlich ange­sehen wurde und die nun in die Kate­gorie der uner­wünschten Invest­ments fallen? Diese dürften mit zuneh­mendem Anteil ethi­schen Invest­ments relativ güns­tiger werden und damit eine Gele­genheit für jene dar­stellen, die sich keinen so hohen ethi­schen Stan­dards stellen wollen oder aber diese im kon­kreten Fall nicht für ange­messen halten. 

Sünde lohnt sich

Ethi­sches inves­tieren gibt es bei genauerer Betrachtung schon länger. Schon seit Jahr­zehnten werden Inves­ti­tionen im Bereich von Rüs­tungs­gütern und Ziga­retten von einigen Inves­toren grund­legend abge­lehnt. Gleiches gilt für Alkohol und Sex. Damit haben wir die Basis, um zu ana­ly­sieren, was sich mehr lohnt: Ethik oder Sünde? 

Sünde läuft nicht schlecht. So zeigen Studien, dass Aktien, die gemieden werden, einen gerin­geren Besitz­anteil von insti­tu­tio­nellen Inves­toren haben und weniger von Ana­lysten beob­achtet werden, als ver­gleichbare Aktien. Die „sozialen Normen“ haben „erheb­liche Folgen für den Preis.“ Klartext: Aktien von Unter­nehmen, die gemieden werden, sind güns­tiger zu haben. Und bekanntlich liegt im Einkauf der Gewinn.
Auch der nor­we­gische Staats­fonds hat ähn­liche Erfah­rungen gemacht. So hat der Aus­schluss von Firmen auf­grund unsau­berer Geschäfts­prak­tiken den Ertrag des Port­folios erhöht. Der Ver­zicht auf Unter­nehmen aus bestimmten Sek­toren wie Kohle und Waffen hat hin­gegen den Ertrag geschmälert. Es bewahr­heitet sich, dass die güns­tigere Bewertung von Aktien einer der Haupt­wert­treiber für künftige Erträge dar­stellt. Die Divi­den­den­rendite liegt höher und wenn diese reinves­tiert werden, kauft man günstig ren­di­te­starke Werte. Über die Zeit kommt es dann zu einem Zin­ses­zins­effekt, der bekanntlich der wich­tigste Treiber für künftige Erträge ist.

Tabak ist schon lange geächtet

Berühm­testes Bei­spiel ist die Aktie von Philip Morris, die über Jahr­zehnte die Aktie mit der besten Per­for­mance an der Wall Street war. Jeremy Siegel rechnete 2007 in seinem Buch „Stocks for the long run“ vor, dass im Falle von Philip Morris zwi­schen 1925 und 2007 aus einem Anfangs­in­vestment von 1.000 US-Dollar beein­dru­ckende 380 Mil­lionen US-Dollar wurden. Blickt man auf die Per­for­mance der letzten 10 Jahre der beiden aus Philip Morris her­vor­ge­gangen Aktien (Altria und Philip Morris) dürfte sich der Wert bald der 1000 Mil­li­arden Grenze nähern. In einer Welt, wo Inves­toren immer auf der Suche nach der nächsten Wachs­tums­story sind, stellt eine lang­weilige Ziga­ret­ten­firma alle in den Schatten. 
Der wesent­liche Grund für diese Per­for­mance liegt in der dau­erhaft tie­feren Bewertung der Aktien. Schon lange gab es Sorgen vor mehr Regu­lierung und Scha­dens­er­satz­an­sprüchen wegen der gesund­heit­lichen Folgen des Rau­chens. Die billige Aktie wies eine hohe Divi­den­den­rendite auf und unter der Annahme der stän­digen Wie­der­anlage der Divi­denden ergibt sich ein Zin­ses­zins­effekt mit hohem Zinssatz. Da das Unter­nehmen zugleich immer weiter wuchs und die Aus­schüttung stei­gerte, kam es zu dem beein­dru­ckenden Ergebnis. Geholfen hat natürlich, dass die Strafen nicht so umfang­reich aus­fielen wie befürchtet. 

Öl das neue Tabak?

Der ver­stärkte Trend zu ethi­schen Invest­ments wird mehr Oppor­tu­ni­täten zum güns­tigen Einkauf von ertrags­starken Unter­nehmen schaffen. Ich denke dabei unter anderem an die Ölkon­zerne. Schon in der Ver­gan­genheit hatte ich das Pro und Kontra einer Anlage in Ölaktien dis­ku­tiert. Dagegen spricht die offen­sicht­liche Gefahr, dass das Ölzeit­alter schneller endet, als wir es uns vor­stellen können. Dafür spricht, dass die Unter­nehmen finanz­stark sind und über erheb­liche Kos­ten­sen­kungs­po­ten­ziale ver­fügen. Der Haupt­grund liegt jedoch in der relativ güns­tigen Bewertung, die sich wie im Bei­spiel von Philip Morris in einer hohen Divi­den­den­rendite niederschlägt. 
Solange wir keinen wirk­lichen Wandel in der Ener­gie­ver­sorgung haben, ein loh­nendes Investment. Auch hier kann man aus der Ent­wicklung der Tabak­werte lernen. Nachdem jahr­zehn­telang die Tabak­branche aus Sicht der Inves­toren eine wahre Cash­ma­schine war, kam es in diesem Jahr zu einem hef­tigen Ein­bruch. Philip Morris stürzten im April an einem Tag um 16 Prozent. Seit Jah­res­anfang haben die drei Großen (Philip Morris, Altria, British Ame­rican Tobacco) rund 20 Prozent ver­loren. Ursache waren nicht staat­liche Ein­griffe und Strafen, sondern schlichtweg ein geän­dertes Kon­su­men­ten­ver­halten. Die Men­schen rauchen weltweit weniger und der Umstieg auf E‑Zigaretten scheint lang­samer zu ver­laufen als von den Unter­nehmen und Inves­toren erhofft. Hinzu kommt, dass es mit Juul in den USA einen höchst erfolg­reichen Wett­be­werber gibt, der bereits dazu geführt hat, dass „juulen“ als Verb für das Rauchen elek­tro­ni­scher Ziga­retten ver­wendet wird. 
Damit ist ein­ge­treten, was in allen Märkten gilt. Neue Tech­no­logien und Wett­be­werber machen den eta­blierten Unter­nehmen das Leben schwer. Dieses Schicksal droht jedem Unter­nehmen und ist völlig normal. Nach Daten der Credit Suisse ver­bleiben Unter­nehmen im Schnitt nur noch 20 Jahre im S&P 500 Index. 
Anleger sollten sich genau anschauen, welche Unter­nehmen und Branchen auf den schwarzen Listen ethi­scher Inves­toren stehen und wenn Sie selbst kein Problem mit einer Anlage in diesen Sek­toren haben, nüchtern die Aus­sichten ana­ly­sieren. Gut möglich, dass sich da einige Unter­nehmen finden lassen, die das Zeug haben die Story von Philip Morris zu wiederholen. 

→ wiwo.de: „Ethik oder Sünde, welches Investment lohnt sich mehr?“, 26. Juli 2018


Quelle: Daniel Stelter, think-beyondtheobvious.com