Im vergangenen September wurde ein äußerst aufschlussreiches Papier durch den neokonservativen Atlantic Council publiziert. In Verbindung mit dieser Institution stehen so bedeutende Persönlichkeiten wie Collin Powell, Condoleezza Rice und Henry Kissinger. Das Papier aus der Feder von John T. Watts fasst die wesentlichen Schlussfolgerungen, die auf der diesjährigen Sovereign Challenges Conference in Washington, DC, gezogen wurden, sehr eindrücklich zusammen. Der Text lässt tief in einige Köpfe der amerikanischen Elite und ihrer Verbündeten blicken. Seine Lektüre ist deshalb sehr zu empfehlen. Der geneigte Leser sollte jedoch zuweilen über leere Worthülsen und ablenkende Rhetorik hinwegblicken, um zum Kern der Sache zu gelangen.
(Von Dr. Karl-Friedrich Israel)
Im Kern geht es um Machterhalt. Watts zufolge ist das große Problem die „Desinformation“, die über neue und alternative Medien Verbreitung findet, öffentliche Institutionen destabilisiert, und im schlimmsten Falle die Souveränität des Staates unterminiert. Dies gilt es zu verhindern.
Den Neokonservativen ist völlig klar, dass jedes staatliche System letztendlich auf das Vertrauen der Bürger angewiesen ist. Vertrauen ist die Basis für das Funktionieren staatlicher Institutionen. Durch neue Kommunikationstechnologien sei es allerdings „extremistischen ideologischen Strömungen“ zunehmend gelungen, ihre „toxischen Botschaften“ zu verbreiten und den Menschen das Vertrauen in bestehende Institutionen zu nehmen. Es ist eben dieser Vertrauensverlust der Bürgern, der die Souveränität des Staates gefährdet.[1]
Die Informationsflut im Internetzeitalter spielt dabei eine entscheidende Rolle, weil sie die gezielte „Desinformation“ durch kleine, aber gut organisierte Gruppen erst möglich macht. Sie führt zu Übertreibung, Abschottung und Einseitigkeit innerhalb der eigenen „Echokammer“. Die plötzliche Verfügbarkeit großer Mengen an Informationen könne eine Gesellschaft überfordern. Zuviel unnütze und qualitativ minderwertige Informationen können zu Isolation und Polarisierung führen. Die Menschen wählen gezielt ihre Informationsquellen aus und schränken sich dabei ein. Sie müssen dies sogar angesichts der vielen Alternativen, die für sie bereitstehen. Dabei verlassen sie sich tendenziell auf jene Quellen, die die eigenen Vorurteile bestätigen und verstärken.
Dr. Karl-Friedrich Israel hat Volkswirtschaftslehre, Angewandte Mathematik und Statistik an der Humboldt-Universität zu Berlin, der ENSAE ParisTech und der Universität Oxford studiert. Er wurde 2017 an der Universität Angers in Frankreich bei Professor Dr. Jörg Guido Hülsmann promoviert. An der Fakultät für Recht und Volkswirtschaftslehre in Angers unterrichtete er von 2016 bis 2018 als Dozent. Seit Herbst 2018 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig.