„Jetzt haben wir die eine KataÂstrophe an der Spitze endlich los, haben sie aber lediglich gegen eine andere solche einÂgeÂtauscht“, haben sich TauÂsende und AberÂtauÂsende ParÂteiÂmitÂglieder wohl gedacht, nachdem die CDU am 7. Dezember Annegret Kramp-KarÂrenÂbauer zu ihrer neuen BunÂdesÂvorÂsitÂzenden gewählt hat. Und einige ziehen hieraus auch ihre KonÂseÂquenzen, so etwa der OrtsÂverband Brandis, einer Stadt mit ca. 10.000 EinÂwohnern, 20 KiloÂmeter östlich von Leipzig, der nun geschlossen aus der CDU ausÂgeÂtreten ist.
OetÂtinger kann sich Friedrich Merz offenÂsichtlich sehr gut als KanzÂlerÂkanÂdiÂdaten vorstellen
Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-KarÂrenÂbauer scheint die Partei ähnlich zu spalten wie ihre VorÂgänÂgerin und noch amtieÂrende KanzÂlerin, ja vielÂleicht sogar noch mehr. Dass sie zur schwulen- und lesÂbenÂfeindÂlichsten öffentÂlichen Person des Jahres 2018 gekĂĽrt wurde, sei nur am Rande erwähnt. Das sollte vielÂleicht nicht ĂĽberÂbeÂwertet werden, ist aber sicherlich kein Titel, auf den man sich etwas einÂbilden könnte. Weit interÂesÂsanter scheint mir aber das Folgende:
Während EU-HausÂhaltsÂkomÂmissar GĂĽnther OetÂtinger (CDU) sich 48,25-Prozent-Merz sogar sehr gut als KanzÂlerÂkanÂdiÂdaten vorÂstellen kann, verÂsucht 51,75-Prozent-AKK Merz mit aller Macht so kleinÂzuÂreden, wie sie nur kann. Den ZeiÂtungen der Funke-MediÂenÂgruppe sagte OettÂtinger auf mehrÂfaches NachÂfragen nach einer potenÂziÂellen KanzÂlerÂkanÂdiÂdaten-Rolle von Merz: „Fast die Hälfte der ParÂteiÂtagsÂdeÂleÂgierten wollten Friedrich Merz als CDU-VorÂsitÂzenden – und ein CDU-VorÂsitÂzender ist immer auch ein mögÂlicher KanzÂlerÂkanÂdidat.“ ZualÂlererst liege die EntÂscheidung ĂĽber die nächste KanzÂlerÂkanÂdiÂdatur bei Kramp-KarÂrenÂbauer, die das erste ZugriffsÂrecht habe. Doch es gebe dabei – Achtung! – „keinen AutoÂmaÂtismus“, bestäÂtigte er eine entÂspreÂchende Aussage der Interviewer.
Kramp-KarÂrenÂbauer: Das Kabinett ist vollÂzählig, Merz wird nicht gebraucht
OetÂtinger verÂsucht also, Merz im Gespräch zu halten und hält ihn offenÂsichtlich fĂĽr einen geeigÂneten, ja wahrÂscheinlich sogar den besÂseren KanzÂlerÂkanÂdiÂdaten als Kramp-KarÂrenÂbauer. Diese hatte gerade erst ein VierÂauÂgenÂgeÂspräch mit ihrem nur hauchdĂĽnn unterÂleÂgenen KonÂkurÂrenten gefĂĽhrt, nach dem viele sich in der CDU offenÂsichtlich noch immer zurĂĽckÂsehnen. AnschlieĂźend erklärte Friedrich Merz öffentlich, er traue sich ein Amt als Minister im Kabinett von Merkel zu. Und nun hören Sie sich an, was Kramp-KarÂrenÂbauer darauf in der extrem linken und immer weniger seriösen WochenÂzeitung Die Zeit bezĂĽglich ihres Treffens mit Merz sagte:
„Unser Gespräch war verÂtraulich, aber eines kann man sagen: Es ging nicht um die Frage, Minister oder gar nichts – das wĂĽrde die Partei auch nicht schätzen.“ Doch damit noch nicht genug. Um Merz jegÂliche HoffÂnungen auf eine aktive Rolle in der CDU an herÂausÂgeÂhoÂbener Position noch mehr zu dämpfen, setzte die unscheinbare MeisÂterin im FädenÂspinnen im HinÂterÂgrund gleich noch einen drauf: Sie habe „beim letzten KabiÂnettsÂfrĂĽhÂstĂĽck nochmal durchÂgeÂzählt und festÂgeÂstellt: Das Kabinett war vollÂzählig. Es gibt da also fĂĽr die KanzÂlerin keinen HandÂlungsÂbedarf.“
Wumm! Das hat gesessen. Klare BotÂschaft an Friedrich Merz – und vielÂleicht auch dessen Anhänger in der CDU? -: Dich (bzw. euch) brauchen wir hier nicht. Oder womöglich sogar: Hau(t) endlich ab oder gib (gebt) Ruhe! Das mit dem Abhauen scheint auf jeden Fall schon mal ansatzÂweise zu funktionieren.
In Sachsen tritt ein ganzer StadtÂverband geschlossen aus der CDU aus
„In Baden-WĂĽrtÂtemberg haben sich in den letzten Wochen viele KreisÂverÂbände Friedrich Merz als neuen ParÂteichef gewĂĽnscht. Jetzt ist dort natĂĽrlich FrusÂtration spĂĽrbar, ich höre heute sogar von ParÂteiÂausÂtritten, weil es Merz nicht geschafft hat“, sagte Wolfgang Reinhart, VorÂsitÂzender der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-WĂĽrtÂtemberg, der HeilÂbronner Stimme bereits Anfang/Mitte Dezember.
Doch nicht nur in Baden-WĂĽrtÂtemberg machte sich nach der Wahl von AKK noch mehr Frust breit, als er lange schon vorÂhanden war. In Sachsen kam es jetzt sogar zu einem geschlosÂsenen AusÂtritt eines ganzen StadtÂverÂbandes. Es brodele schon seit vielen Jahren in der Partei, so ist aus Brodis zu hören. Aus Sicht des StadtÂverÂbandes wĂĽrden die Bedenken der BĂĽrger im FreiÂstaat nicht mehr von der Partei aufÂgeÂgriffen, diese bediene vielmehr nur noch KliÂschees. Das fĂĽhre zu einer Schwarz-WeiĂź-Malerei, wodurch der poliÂtische Diskurs auf der Strecke bleibe. Deshalb gelte es, schon auf komÂmuÂnaler Ebene entÂgeÂgenÂzuÂwirken, lassen die Ex-CDU-ler verÂlautÂbaren, wie die LeipÂziger VolksÂzeitung berichtet.
Die CDU ist uns nicht mehr konÂserÂvativ genug, wir wechseln alle zu den Freien Wählern
Doch was machen die engaÂgierten KomÂmuÂnalÂpoÂliÂtiker jetzt? Ziehen sie sich ganz aus der Politik zurĂĽck? Ganz im Gegenteil, sie wollen gerade etwas bewirken und sehen dazu in der CDU offenÂsichtlich keine reaÂlisÂtische MögÂlichkeit mehr. Daher sind sie geschlossen bei den Freien Wählern einÂgeÂtreten. AlexÂander Busch, der eheÂmalige VorÂsitÂzende der CDU-Stadt Brandis und stellÂverÂtreÂtender FrakÂtiÂonsÂvorÂsitÂzender im BranÂdiser Stadtrat erklärt hierzu:
„In den Freien Wählern finden wir fĂĽr uns das bĂĽrÂgerlich-werÂteÂkonÂserÂvative GrundÂgerĂĽst, was wir vor einigen Jahren bei der CDU verÂloren haben. Die CDU ist uns nicht mehr konÂserÂvativ genug. Somit treten wir schon zur nächsten KomÂmuÂnalwahl fĂĽr die Freien Wähler als konÂserÂvaÂtives Wahl-Angebot der BĂĽrger unserer Stadt an.“
Wie groĂź die EntÂtäuÂschung bei vielen CDU-MitÂgliedern ist, wird in diesen Worten ĂĽberÂdeutlich. Egal auf welcher Ebene, habe die ParÂteiÂfĂĽhrung ihre MitÂglieder nicht mitÂgeÂnommen und sei nachÂvollÂziehbare ErkläÂrungen schlichtweg schuldig geblieben. Und Tobias Reich, der CDU-FrakÂtiÂonsÂvorÂsitÂzende im Stadtrat erklärte wörtlich:
„Ich möchte mich auf die Arbeit fĂĽr unsere Stadt und unsere BĂĽrger konÂzenÂtrieren und mich nicht fĂĽr die Politik der Landes- und BunÂdesÂreÂgierung vor Ort rechtÂferÂtigen mĂĽssen. Wir haben Werte, fĂĽr die wir eine neue AusÂrichtung benöÂtigen.“
LeipÂziger LandÂkreis-VorÂsitÂzender: „Ich habe verÂsucht, UnzuÂfriedene zu halten, das gelingt aber nicht immer.“
Und beide, Busch und Reich – und offenÂsichtlich auch die anderen bisÂheÂrigen CDU-MitÂglieder aus Brandis -, sind sich völlig einig:
„Mit den Freien Wählern wird auf komÂmuÂnaler Ebene ein Schritt nach vorn gewagt.KonÂserÂvativ sein, heiĂźt fĂĽr uns, nicht den GarÂtenÂzwerg vor dem Haus stehen zu haben. Es bedeute klar forÂmuÂlieren zu können, was gut oder schlecht ist. Mit neuen Ideen wollen wir diese Punkte zum Wohl der BĂĽrger der Stadt Brandis auch kĂĽnftig weiter vorantreiben.“
VerÂärgert zeigte sich von dem geschlosÂsenen ParÂteiÂausÂtritt der BranÂdiser der CDU-Chef im LandÂkreis Leipzig, Georg-Ludwig von BreiÂtenbuch (47). Er und auch die CDU-LanÂdesÂspitze wussten nichts von den AusÂtrittsÂplänen: Es sei ärgerlich, dass die MitÂglieder nicht vorher das Gespräch gesucht haben, lieĂź von BreiÂtenbuch verÂlautÂbaren. Auf NachÂfrage sei ihm der Schritt mit der Wahl von AKK begrĂĽndet worden. Er sei menschlich entÂtäuscht: „Ich habe verÂsucht, UnzuÂfriedene zu halten. Das gelingt aber nicht immer.“