Bevor­mundung ist Freiheit: Wenn 5% Vege­tarier der Welt das Fleisch­essen ver­bieten wollen

Es gibt Gegenden auf diesem Pla­neten, wo Men­schen ohne tie­rische Nahrung gar nicht leben könnten. Auf Grönland zum Bei­spiel. Da ist nichts an pflanz­licher Ernährung außer ein paar Kra­nen­beeren, Blau- und Prei­ßel­beeren und ein paar Flechten. Grön­län­dische, sich im warmen Som­merwind wie­gende, goldene Wei­zen­felder sind eher ein sel­tener Anblick. Diese Men­schen essen seit Alters her haupt­sächlich Fische und Robben.
Oder in den heißen, wüs­ten­ähn­lichen Gebieten, in denen gerade Ziegen und Schafe noch das harte Gras und Buschwerk fressen und ver­dauen können, und die Men­schen sich zu einem großen Teil von den Ziegen, Schafen und ihrer Milch ernähren.
Aber auch in unseren Brei­ten­graden kann eine größere Miss­ernte wegen eines zu kalten, ver­reg­neten oder zu heißen, tro­ckenen Sommers eine Kata­strophe sein. Gerade im letzten Sommer schrien die Land­wirte um Hilfe. Ganze Land­striche konnten die Ernten abschreiben, alles war ver­trocknet, die Ähren leer. Gemüse lag von der Sonne zer­dorrt und schlapp auf dem betonhart getrock­neten Boden.
Das Jahr 1816 dagegen ging als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein. Auf der Insel Sam­babwa (Indo­nesien) schleu­derte der Vulkan Tambora 150 ckm (Kubik­ki­lo­meter) Gestein und Asche bis in die Stra­to­sphäre. Dieser Dunst­schleier umkreiste noch jah­relang die nörd­lichen Halb­kugel und blo­ckierte die Son­nen­strahlen. Die Ernten fielen aus, es kam zu ent­setz­lichen Hun­gers­nöten. Da auch kein Saatgut für das nächste Jahr gewonnen werden konnte, blieb pflanz­liche Nahrung jah­relang knapp und teuer und musste per Schiff aus dem Süden ange­liefert werden. Viele Men­schen wan­derten aus, um dem Dau­er­hunger zu entkommen.
Hühner und Kaninchen und viel­leicht ein Schwein zu haben, waren die einzige Mög­lichkeit, das zu über­stehen. Die Tiere konnten sich von Gras und Unkraut, Eicheln und Kas­tanien oder Wur­zelwerk ernähren, das für Men­schen unver­daulich ist. Niemand kann vor­her­sagen, wann der nächste, kata­stro­phale Vul­kan­aus­bruch stattfindet.
Das alles ficht die über­zeugten Vege­tarier und Veganer nicht an. Die meisten von ihnen sind Aka­de­miker und für sie ist Nah­rungs­be­schaffung eine Frage, wo der nächste Bio-Super­markt ist und was gut ist und ethisch genug ist, um sich als mora­lische Elite zu fühlen. Sie betrachten die 95% Fleisch­esser als amo­ra­lische Mörder.
So ver­fasst der Leiter der For­schungs­stelle Nach­hal­tigkeit und Kli­ma­po­litik in Leipzig und Berlin und Pro­fessor an der Uni Rostock, Prof. Felix Ekardt einen Beitrag in der „Zeit“, in dem er sich mit dem Tierwohl, dem Aufwand für die Erzeugung tie­ri­scher Nahrung (sieben pflanz­liche Kalorien erzeugen eine tie­rische Kalorie), der Über­düngung von Böden, Pes­ti­ziden, Insek­ten­sterben, ver­schmutzte Böden und Gewässer, gestörte Öko­systeme, CO2, Kuh­pupsen und natürlich dem Klima auseinandersetzt.
Dann zählt er auf, was wir alles sein lassen müssen, um die seit Jahren nicht mehr statt­fin­dende globale Erwärmung zu begrenzen: Deutlich weniger Tiere halten, keine fos­silen Brenn­stoffe mehr für die Pro­duktion von Mine­ral­düngern und zum Antrieb schwerer Maschinen ver­wenden, Trecker und Mäh­dre­scher müssen künftig mit erneu­er­baren Energien aus­kommen, die Anzahl redu­ziert werden.
Ihm ist klar, dass es dadurch geringere Ern­te­er­träge geben wird. Und auch, dass die Nutztier-Gülle die Böden düngen muss, wenn schon keine künst­lichen Dünger mehr erlaubt sind. Und dass die Böden nach wenigen Jahren ohne Dünger so gut wie keine Erträge mehr bringen. Also müssen wir noch weniger Tiere essen, sagt er. Also noch weniger Dung pro­du­zieren, noch weniger Ern­te­er­träge einfahren?
Ein beein­dru­ckendes Bei­spiel für die heil­losen Fehl­ein­schät­zungen von Agrar­ge­lehrten war das Schwei­ne­schlachten in Deutschland im Jahr 1915: Schon vor dem Ersten Welt­krieg konnte das Deutsche Reich nur etwa 80 % der benö­tigten Nah­rungs­mittel selbst erzeugen, der Rest musste ein­ge­führt werden. Das ver­hin­derten die Briten im Ersten Welt­krieg mit einer See­blo­ckade. Der Hunger breitete sich langsam, aber sicher im gesamten Reich aus.
Die wenigen vor­han­denen Res­sourcen sollten die Grund­ver­sorgung der Men­schen effek­tiver sicher­stellen. Eine wis­sen­schaft­liche Daten­er­hebung bei den Land­wirten ergab, dass zuviel Kar­toffeln und Getreide an die Schweine ver­füttert würde. Die Sta­tis­tiker und Agrar­wis­sen­schaftler for­derten die Schlachtung von 9 Mil­lionen Schweinen, denn die ein­ge­sparten Res­sourcen würden dann aus­reichen, um die Bevöl­kerung deutlich besser ernähren zu können. Die Schlach­tungen begannen, das ganze Schwei­ne­fleisch konnte gar nicht schnell genug ver­kauft werden, die Preise fielen, Bauern wurden rui­niert, der Rest des Flei­sches verdarb in großen Mengen. Den Bauern fehlte überdies der Dung von 9 Mil­lionen Tiere, um ihre Felder zu düngen. Kunst­dünger war wegen der See­blo­ckade nicht mehr erhältlich; die Ernte 1916 fiel daher extrem schlecht aus.
Die Ver­sor­gungslage der Bevöl­kerung hatte sich nicht ver­bessert, im Gegenteil. Der Hunger wurde immer schlimmer. Im Herbst 1915 fiel auch noch die Kar­tof­fel­ernte wegen der Kar­tof­fel­fäule nahezu aus. Pro­teste der Bevöl­kerung wurden teil­weise gewaltsam nie­der­ge­schlagen. In diesem und in den Fol­ge­jahren ver­hun­gerten rund 800.000 Men­schen im Deut­schen Reich.
Diese fast eine Million Toten gehen auf das Konto von Wis­sen­schaftlern und Theo­re­tikern, die ihre Berech­nungen auf genau diesem Niveau von „eine tie­rische Kalorie erfordert sieben pflanz­liche Kalorien“ gemacht haben und kein Vor­stellung davon haben, was für viele Ver­äs­te­lungen die Aus­wir­kungen ihrer theo­re­ti­schen Exper­ten­ent­schei­dungen dann in der Rea­lität mit sich bringen.
Ich bin ein vehe­menter Befür­worter des Tier­wohls. Mas­sen­tier­haltung für täg­liches Fleisch­essen ist unver­tretbar. Aber gerade Bio­bau­ernhöfe brauchen Nutz­tiere, um schlechtere Ern­te­jahre über­stehen zu können. Ja, man braucht nicht jeden Tag Fleisch. Ein Sonn­tags­essen mit Fleisch von Tieren, denen es bis zum letzten Moment wirklich gut gegangen ist, genügt durchaus – und hilft dem Bio­bauern, zu überleben.
Doch Gott schütze uns vor den zwei bis fünf Prozent ver­bies­terten Ideo­logen, den Sta­tis­tikern und Sim­pli­fi­zierern, die ihr hippes, aka­de­mi­sches Vege­tarier- oder Vega­nertum dem Rest der Menschheit als „Freiheit zum Ver­zicht zum Wohle aller“ auf­zwingen wollen. Die theo­re­tisch beschla­genen Experten können viel­leicht ihre CO2 Com­pu­ter­pro­gramme aus­werten. Wie heute (Bio)Landwirtschaft wirklich funk­tio­niert und was da alles für Wech­sel­wir­kungen und Risiken ent­stehen, wissen die Lehr­stuhl­in­haber und Moral­apostel kaum.
Nicht zuletzt freuen sich im Zuge des veganen Ernäh­rungs­trends die indus­tri­ellen Anbieter für hoch­preisige, vegane Fer­tigkost, die mit viel Aufwand und CO2 aus allen Ecken der Welt beschafft und ver­ar­beitet wird. In vielen Pro­dukten ver­steckt sich eine Menge an unge­sunden Zusatz­stoffen. Aber Haupt­sache, vegan und ideo­lo­gisch korrekt.