Seit Freitag können wir täglich im Spiegel Artikel lesen, die behaupten, Trump hätte die Ukraine unter Druck gesetzt, damit sie belastendes Material über Joe Biden, den derzeit aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, liefert. Dabei macht der Spiegel den Eindruck, es gäbe in der Ukraine nichts gegen Biden.
In Wahrheit ist es genau anders herum. Nach dem Maidan-Putsch hat der damalige Vizepräsident Joe Biden seinem Sohn einen mit 50.000 Dollar monatlich dotierten Nebenjob im Aufsichtsrat eines ukrainischen Gaskonzerns besorgt. Der damalige Generalstaatsanwalt der Ukraine hatte in der Folge Ermittlungen wegen Korruption gegen Bidens Sohn und den Gaskonzern aufgenommen. Das gefiel Papa Biden nicht und als er in Kiew war, forderte er von der damaligen Regierung, also von Präsident Poroschenko und Premierminister Jazenjuk, dass sie den Generalstaatsanwalt entlassen sollten, damit die Ermittlungen eingestellt werden. Als diese sich weigerten, drohte er damit, dass er dafür sorgen werde, dass die anstehende Hilfszahlung der USA in Höhe von einer Milliarde Dollar nicht ausgezahlt wird, solange der Generalstaatsanwalt nicht ausgetauscht wird. Er wurde daraufhin umgehend gefeuert und die Ermittlungen wurden eingestellt.
Das ist nicht etwa eine Verschwörungstheorie, russische Propaganda oder eine Rufmordkampagne von Trump gegen Joe Biden, nein, Biden hat die Geschichte selbst ganz stolz bei einem öffentlichen Auftritt erzählt und nannte den Generalstaatsanwalt einen „Hurensohn“ (Son of a bitch).
Dass diese Geschichte wieder hochkochen könnte, war zu erwarten, nachdem Biden ins Rennen um die Präsidentschaft eingestiegen ist, weshalb ich schon im Mai darüber geschrieben habe. Und seit Freitag ist das Thema nun in den Medien, wobei diese Vorgeschichte in Deutschland konsequent verschwiegen wird.
Die Demokraten behaupten nun, dass Trump in einem Telefonat Druck auf den neuen ukrainischen Präsidenten Selensky ausgeübt habe, damit der belastendes Material über Biden liefert. Trump bestreitet das und auch der neue ukrainische Außenminister, der nach eigenen Angaben den Inhalt des Gespräches kennt, bestreitet, dass es in irgendeiner Form Druck von Trump gegeben habe:
„“Ich weiß, worum es in dem Telefonat ging, und ich denke, es hat keinen Druck gegeben“, sagte Prystaiko. Die Unterhaltung sei lang und freundlich gewesen. Es seien viele Themen angesprochen worden, die teils ernsthafte Antworten erforderten.“
Trotzdem hält sich dieser „Skandal“ nun schon seit Tagen in den Schlagzeilen, allein bei Spiegel-Online gab es teilweise mehrere Artikel pro Tag über das Thema, die jedoch alle Bidens Drohungen gegen die damalige ukrainische Regierung verschweigen. Die Demokraten reden schon wieder von einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen Trump und fordern die Veröffentlichung der Telefonmitschrift. So eine Veröffentlichung ist jedoch ganz und gar unüblich, weil solche Gespräche zwischen Staatschefs vertraulich sind. In der Politik geht es auch um Vertrauen und wenn zwei Politiker nicht offen und vertraulich miteinander sprechen können, können sie keine Lösungen für Probleme finden. Kein Staatschef könnte mehr offen mit einem anderen reden, wenn er Angst haben müsste, dass seine Worte einen Monat später in der Zeitung stehen.
Trotzdem prüft Trump nach eigenen Angaben eine Veröffentlichung des Gesprächs, oder zumindest den entsprechenden Teil davon. Trump bezeichnete das Gespräch mehrmals als hervorragend und sagte auch, dass es unter anderem um Korruption in der Ukraine gegangen sei. Die Korruption ist in dem Land ein großes Problem und nach dem Maidan noch einmal gestiegen. Alle westlichen Regierungen fordern von der ukrainischen Regierung, die Korruption im Land endlich zu bekämpfen, daher ist es kaum verwunderlich, wenn Trump das Thema ebenfalls angesprochen hat. Trump drohte in dem Zusammenhang auch eine Einstellung von finanzieller Hilfe an, wenn er befürchten müsse, dass das Geld in dunklen Kanälen verschwindet und er forderte – wie üblich – auch gleich die EU auf, der Ukraine stärker zu helfen. Seiner Meinung nach sollte in erster Linie die EU finanziell unterstützen und nicht die USA. Allerdings geschieht das ohnehin, die EU hat der Ukraine in den letzten Jahren weit mehr Geld überwiesen, als die USA.
Aber zurück zum angeblichen Skandal. Trumps Anwalt Giuliani hat die Bidens auf Twitter sogar beschuldigt, nicht nur Milliarden aus der Ukraine bekommen zu haben, sondern auch von China.
Im Falle der Ukraine drehen sich die Vorwürfe um Gelder des Gaskonzerns, die außer Landes geschafft und gewaschen wurden. Was hinter den Andeutungen über China steckt, ist bisher nicht klar. Aber Fakt bleibt: Biden hat seine Macht als US-Vizepräsident eingesetzt, um seinem Sohn zuerst einen guten Job zu besorgen und ihm dann auch noch die Staatsanwaltschaft vom Hals zu schaffen. Biden indes behauptet nun einfach, dass Trump ihn mit ukrainischer Hilfe aus dem Rennen um die Präsidentschaft werfen will, weil Biden die Wahl gewinnen würde.
Das ist eine gewagte These, Trump wäre sicher froh gewesen, wenn Biden zuerst als Präsidentschaftskandidat nominiert worden wäre, um diese Munition danach monatelang gegen ihn einzusetzen. Ich vermute, Biden hätte keine Chance auf einen Wahlsieg gehabt. Trump dürfte also recht unglücklich sein, dass das Thema schon zu einem so frühen Zeitpunkt hochkocht.
Aber der Spiegel verschweigt seinen Lesern diese Hintergründe. Wie das geht, wollen wir und nun an den Artikeln der letzten zwei Tage anschauen.
Am Montag erschien ein Artikel des USA-Korrespondenten des Spiegel unter der Überschrift „Trump und der Whistleblower – Warum die Ukraine-Affäre so brisant ist„. In dem langen Artikel stehen nicht viele brauchbare Informationen, aber es wird durch geschickte Formulierungen der Eindruck erweckt, es gäbe einen neuen Trump-Skandal. Zu der Vorgeschichte von Joe Biden und seinem Sohn in der Ukraine erfährt der Leser lediglich:
„So kann sich die Sache auch für Joe Biden noch als durchaus unangenehm erweisen. Zwar gibt es keine Hinweise auf ein Fehlerverhalten von ihm oder seinem Sohn im Zusammenhang mit dessen Geschäftsbeziehungen zur Ukraine.“
Keine Hinweise auf Fehlverhalten? Biden selbst hat sich öffentlich gerühmt, den Generalstaatsanwalt gefeuert zu haben und vor einigen Jahren waren die Korruptionsermittlungen gegen Bidens Sohn ein Thema in allen US-Medien. Das war wohl auch einer der wichtigsten Gründe, weshalb Joe Biden von Kiew ein Ende der Ermittlungen gefordert hat.
Aber der USA-Korrespondent des Spiegel verschweigt seinen Lesern all das und so klingt der Absatz über die entrüstete Reaktion von Biden für den desinformierten Spiegel-Leser sogar glaubwürdig:
„Kein Wunder, dass Biden auf die ganze Sache zornig reagiert: „Donald Trump hat versucht, einen ausländischen Politiker dazu zu bringen, eine falsche Schmierenkampagne gegen mich und meine Familie zu starten“, schimpft er. „Er versucht gezielt, die amerikanischen Bürger zu täuschen, um vier weitere Jahre im Amt zu gewinnen.““
Am Dienstag legte der Spiegel unter der Überschrift „Ukraine-Affäre – Trump soll vor heiklem Telefonat Zahlungen an Kiew gestoppt haben“ noch einmal nach. Auch dieser Artikel erweckt mit all seinen geschickten Formulierungen wieder den Eindruck, Trump habe etwas verbrochen und Biden sei das arme und unschuldige Opfer. Aber wer genau liest, stellt fest, dass es gar nicht so eindeutig ist:
„Die jüngsten Enthüllungen dürften den Verdacht nähren, dass Trump vom Kongress abgesegnete Hilfsgelder missbrauchen wollte, um einem potenziellen politischen Gegner zu schaden. Allerdings zitiert die „Washington Post“ ihre Quelle so, dass es keine direkte Verbindung zwischen den Hilfsgeldern und der angeblich versuchten Einflussnahme auf Selenskyj gegeben habe: „Da ging es nicht um Gegenleistungen.““
Das hatte sich in vorherigen Artikeln des Spiegel noch ganz anders angehört. Aber damit es trotzdem so klingt, als habe Trump Druck auf Selensky ausgübt, folgt danach im Spiegel das:
„Der Artikel zitiert aber auch den demokratischen Senator Chris Murphy, laut dem es keine Rolle spielt, ob Trump explizit mit dem Einfrieren von Hilfsgeldern gedroht habe: „Es ist immer eine Drohung impliziert, wenn ein US-Präsident etwas von einem anderen Staat wünscht. Dieser Staat weiß, dass es Konsequenzen haben wird, wenn er sich weigert.““
Also kann doch noch irgendwie eine Drohung von Trump konstruiert werden, egal wie sehr man sie an den Haaren herbeizieht, denn in der Politik geht es ja nur darum, was sich Staaten von einander „wünschen„. Das ist das Herzstück der Politik. Aber anscheinend hat Trump tatsächlich keinen Druck ausgeübt und nun wird es schon mal vorsichtshalber so formuliert, dass schon das Ansprechen eines Themas als Druck verstanden werden soll.
Der Spiegel erweckt den Eindruck, dass Trump ein Problem habe, dabei hat Biden das Problem, was der Spiegel seinen Lesern verschweigt. Das klingt im Spiegel so:
„Der US-Präsident müht sich seit Tagen, die Vorwürfe abzuschütteln und den Fokus auf ein mögliches Fehlverhalten von Biden zu richten. Er wirft Biden unter anderem vor, als Vizepräsident die Entlassung eines ukrainischen Korruptionsermittlers betrieben zu haben, um seinen Sohn zu schützen.“
Es ist für den Spiegel also ein Vorwurf von Trump, dass Biden „als Vizepräsident die Entlassung eines ukrainischen Korruptionsermittlers betrieben zu haben, um seinen Sohn zu schützen„. Dabei habe ich oben das Video verlinkt, in dem Biden selbst ganz stolz erzählt, wie er den „ukrainischen Korruptionsermittler„, den „Hurensohn“, gefeuert hat. Aber der Spiegel stellt es als einen wirren und unbelegten Vorwurf von Trump dar. Im Spiegel steht daher:
„Wie so häufig in der Vergangenheit blieb Trump jegliche Form von Beleg oder auch nur Indiz schuldig und beließ es bei der reinen Behauptung. Bisher gibt es keinerlei offizielle Erkenntnisse darüber, dass es sich bei den Aussagen des US-Präsidenten um mehr handeln könnte als eine verbale Nebelkerze, um von der Affäre um die eigene Person abzulenken.“
Auch hier lügt der Spiegel ganz bewusst. Der Spiegel verfolgt jeden Tweet von Trump, da dürfte ihm dieser hier kaum entgangen sein. Wenn der Spiegel also behauptet, dass Trump „jegliche Form von Beleg oder auch nur Indiz schuldig“ geblieben ist, dann ist das eine dreiste Lüge.
Aber wenn der Spiegel in Fahrt ist, kennt er keine Grenzen. Und so erschien unter der Überschrift „Todesstrafen-Analogie – Trump erhebt wüste Anschuldigung gegen Biden – ohne jeden Beleg“ an Dienstag noch ein Artikel, der folgendermaßen begann:
„Angriff ist die beste Verteidigung: Nach diesem Motto scheint Donald Trump in der Affäre um ein umstrittenes Ukraine-Telefonat zu operieren. Dabei ging der US-Präsident nun sogar für seine Verhältnisse weit – und attackierte den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden und dessen Sohn heftig.
Trump wies am Montag erneut alle Vorwürfe von sich, wonach er über den Hebel der ukrainischen Regierung versucht haben soll, Bidens Sohn – und damit auch seinem möglichen Herausforderer Biden – zu schaden.
Stattdessen erhob Trump schwere Anschuldigungen gegen die beiden: „Joe Biden und sein Sohn sind korrupt“, sagte Trump am Rande politischer Gespräche bei den Vereinten Nationen in New York. Die in seinen Augen lügnerischen Medien wollten darüber aber nicht berichten, weil die beiden Demokraten seien.“
Da hat Trump doch ganz objektiv recht. Oder hat der Spiegel etwa von Bidens Vorgeschichte in der Ukraine berichtet? Nein, er verschweigt es seinen Lesern hartnäckig. Aber der Spiegel formuliert es so, als sei Trump in der Defensive und müsste sich gegen berechtigte Anschuldigungen wehren. Dabei ist es genau umgekehrt. Und weil die Demokraten das auch wissen, ist es eben tatsächlich genau anders herum: Die Demokraten gehen nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ vor, um von Joe Bidens Handlungen abzulenken. Und Medien, wie der Spiegel, spielen das Spiel mit, anstatt ihre Leser wahrheitsgemäß und vollständig zu informieren.
Und noch ein Artikel erschien am Dienstagabend im Spiegel, der sogar unfreiwillig komisch war, weil er die Lügen des Spiegel so offen zeigte. Dort konnte man unter der Überschrift „Trumps Uno-Auftritt – Kiew im Kopf“ über Journalistenfragen an Trump bei seinem Auftritt bei der UNO lesen:
„Ob er den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj – der an diesem Tag auch in New York ist – wirklich genötigt habe, seinen Rivalen Joe Biden zu diskreditieren? Ob er dazu fast 400 Millionen Dollar US-Militärhilfe als Druckmittel eingesetzt habe? Trump dementiert empört, erregt und hochroten Kopfes, zeichnet sich mit bekanntem Hype als Opfer einer Verschwörung, einer „Hexenjagd“ wie bei der Russlandaffäre“
Wer die Bilder von der UNO gesehen hat, der weiß, dass der Spiegel Trumps Reaktionen unwahr schildert. Aber abgesehen davon: Unrecht hat Trump auch hier nicht. Heute wissen wir, dass die angebliche „Russlandaffäre“ tatsächlich eine unberechtigte „Hexenjagd“ war, um Trumps Wortwahl zu benutzen. Schließlich hat der Mueller-Bericht nichts aber auch gar nichts zu Tage gefördert, obwohl Mueller mit einem zweistelligen Millionenbudget über zwei Jahre lang gesucht hat.
Nur der Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass auch in diesem Spiegel-Artikel jede Hintergrundinformation fehlt, wie man es von dem ehemaligen Nachrichtenmagazin ja auch nicht anders erwarten kann.
Der Spiegel hat aus der „Relotius-Affäre“ nichts gelernt und macht auch weiterhin die Art von „Qualitätsjournalismus“, für die Relotius vor einigen Jahren als „Journalist des Jahres“ ausgezeichnet wurde.
Nachtrag: Am Abend hat Trump angekündigt, am Mittwoch das komplette Gespräch mit Selensky zu veröffentlichen. Dann wissen wir mehr.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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