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Vene­zuela, Bolivien, Kolumbien — Die letzten Ent­wick­lungen im Pul­verfass Südamerika

In Süd­amerika gehen die Unruhen in ver­schie­denen Ländern weiter. Nun rumort es auch in Kolumbien.
Kolumbien ist ein sehr armes Land, das Durch­schnitts­gehalt liegt bei 399 Dollar und ist damit eines der geringsten in der Region. Und das, obwohl das Land reich an Boden­schätzen wie Gold, Silber, Platin und auch Öl und Gas ist. Das Land war lange von einem Bür­ger­krieg zer­rissen, der heute zwar vorbei ist, aber die Armut hat in den letzten Jahren sogar zuge­nommen. Der Grund war in erster Linie, dass die Währung an Wert ver­loren hat. So sind die Löhne in Peso zwar gestiegen, aber die Kauf­kraft der Men­schen hat trotzdem abgenommen.
In unseren Medien hören wir immer, dass die Lage in Vene­zuela so kata­strophal sei und das ist sicher richtig, aber was wir im Zusam­menhang mit den Unruhen, die derzeit in Kolumbien herr­schen, nicht berichtet bekommen ist, dass die Armut in Kolumbien sogar noch größer ist. Und nicht nur das, auch die Wirt­schafts­leistung pro Kopf ist in Kolumbien sogar noch nied­riger, als in Vene­zuela. Zumindest galt das vor der Ein­führung der harten US-Sank­tionen, die Vene­zuela derzeit wirt­schaftlich abwürgen. Die letzten ver­läss­lichen Zahlen zum BIP von Vene­zuela sind aus dem Jahre 2016 und damals lag das BIP pro Kopf in Vene­zuela bei ca. 15.800 Dollar, in Kolumbien nur bei ca. 7.900.
https://www.google.com/publicdata/explore?ds=d5bncppjof8f9_&met_y=ny_gdp_pcap_cd&idim=country:COL:VEN:MEX&hl=de&dl=de#!ctype=l&strail=false&bcs=d&nselm=h&met_y=ny_gdp_pcap_cd&scale_y=lin&ind_y=false&rdim=region&idim=country:COL:VEN&ifdim=region&tstart=501800400000&tend=1511643600000&hl=de&dl=de&ind=false

Nebenbei ist sogar für mich über­ra­schend, wie stark das BIP pro Kopf in Vene­zuela unter der sozia­lis­ti­schen Regierung von Chavez ab dem Jahr 2000 gewachsen ist, was in einem krassen Wider­spruch zu den Thesen der Neo­li­be­ralen und auch zu den Medi­en­be­richten in Deutschland steht.
Kolumbien ist nicht nur wegen seiner Boden­schätze wichtig, es ist auch ein stra­te­gisch wich­tiges Land für die USA. Als ein­ziges Land Süd­ame­rikas ist Kolumbien seit 2018 sogar ein offi­zi­eller Nato-Partner. Und die USA haben das genutzt, denn diese Ver­ein­barung macht es den USA leichter, Truppen dort zu sta­tio­nieren. Und diese Truppen waren Anfang 2019 ein Druck­mittel gegen Vene­zuela, als dort Guaido seinen Putsch­versuch startete. Wochenlang fürchtete die Welt damals, dass die USA Kolumbien als Basis für ein mili­tä­ri­sches Ein­greifen in Vene­zuela nutzen könnten.
So spielt Kolumbien für die USA eine durchaus stra­te­gische Rolle bei dem offen­sichtlich fokus­sierten Wie­der­be­leben der Monroe-Doktrin, die vor­sieht, dass die USA Nord- und Süd­amerika beherr­schen. Sehr zum Ärger der USA gewinnt nämlich vor allem China in Süd­amerika an Ein­fluss hinzu, aber auch Russland ist auf dem Vor­marsch. Und daher sehen wir derzeit, wie Regie­rungen in der Region, die sich von den USA abwenden, gestürzt werden.
Das ver­suchen die USA seit Jahr­zehnten in Kuba, seit einigen Jahren in Vene­zuela und in Bolivien ist es ihnen gerade gelungen.
Wie sehr die USA aus dem Ver­bor­genen hinter dem Putsch in Bolivien stehen, kann man daran sehen, wie eine wahre Armee von erst kürzlich ein­ge­rich­teten Bot-Accounts den Putsch auf Twitter unter­stützt.
Abge­sehen davon gab es noch eine Ent­wicklung, die auf­zeigt, wie sehr die USA in Bolivien die Fäden ziehen. Am 21. November hat sich US-Außen­mi­nister Pompeo zu Wort gemeldet und gefordert, dass der gestürzte Prä­sident Morales in Bolivien nicht bei der nächsten Wahl antreten solle. Und schon drei Tage später, am 24. November, wurde dort ein ent­spre­chendes Gesetz erlassen und Morales von der Wahl ausgeschlossen.
Darüber hat auch der Spiegel berichtet. Was der Spiegel aber ver­schwiegen hat ist, dass die Über­gangs­prä­si­dentin es dort mit dem Ein­halten von Gesetzen nicht ganz so ernst nimmt. Am gleichen Tag hatte das Par­lament nämlich auch noch ein wei­teres Gesetz ver­ab­schiedet, dass Morales Straf­freiheit garan­tieren sollte. Die Über­gangs­prä­si­dentin wei­gerte sich jedoch kur­zerhand, das Gesetz zu unter­schreiben. In Bolivien wird nun nur noch das Gesetz, was die Put­schisten wollen, das Par­lament wird not­falls einfach igno­riert. Eine sehr inter­es­sante Aus­legung demo­kra­ti­scher Regeln, die uns der Spiegel jedoch lieber ver­schwiegen hat.
Statt­dessen können wir im Spiegel lesen, dass der neue Innen­mi­nister Morales für die Unruhen im Land ver­ant­wortlich macht und ihm Ter­ro­rismus vor­wirft. Das war schon am 22. November und am gleichen Tag gab Morales RT-Spa­nisch ein Interview, das der Spiegel aber nicht erwähnt hat. Ver­ständlich, denn dass es bei dem Putsch in Bolivien um Lithium, also um Boden­schätze, geht, das soll der deutsche Leser nicht so gerne wissen. Dem deut­schen Leser wird die Legende vom Kampf um die Demo­kratie erzählt. Morales hat in seinem Interview jedoch das Lithium als Grund für den Putsch genannt:
„Als wir den Plan zum Ausbau des Lithium-Industrie abge­schlossen hatten, hätte Bolivien die welt­weiten Lithi­um­preise kon­trol­lieren können. (…) Jetzt ver­stehe ich, dass einige Indus­trie­länder keinen Kon­kur­renten wollen“
Zur Erin­nerung: Lithium wird gerade das neue Öl, denn es wird in rie­sigen Mengen für die Bat­terien von Elek­tro­autos gebraucht und Bolivien hat die weltweit größten Lithi­um­vor­kommen. Es geht also wieder nur ganz schnöde um Geld und Roh­stoffe und nicht um Demokratie.
Bolivien hatte nämlich unter Morales den Plan ent­wi­ckelt, mit einer deut­schen Firma das Lithium nicht nur abzu­bauen, sondern auch im Lande zu Bat­terien zu ver­ar­beiten. Die ganze Wert­schöp­fungs­kette sollte in Bolivien bleiben, was den west­lichen Kon­zernen nicht gefallen hat. Die wollen das Lithium dort so abbauen, wie sie es mit den Boden­schätzen in Ent­wick­lungs­ländern gewohnt sind: Das Land wird mit ca. 25 Prozent abge­speist, der west­liche Konzern kas­siert den Rest und ver­ar­beitet es dann woanders. Dem stand Morales im Weg und deshalb musste er weg.
Der Weg Boli­viens ist damit vor­ge­zeichnet. Dem­nächst werden sich US-Firmen die För­der­rechte sichern und Bolivien bekommt nur Almosen, anstatt von seinen Roh­stoffen zu profitieren.
Wie sich jedoch die Dinge in Kolumbien ent­wi­ckeln, bleibt abzu­warten. Dort gab es Mas­sen­pro­teste und einen Gene­ral­streik. Dar­aufhin hat der Prä­sident zu einem natio­nalen Dialog auf­ge­rufen, dessen Ergeb­nisse man abwarten muss. Einen Sturz der Regierung wird es kaum geben, zu wichtig ist das Land für die USA im Kampf gegen Maduro im Nach­barland Vene­zuela. Die kolum­bia­nische Regierung hat sich längt offen auf die Seite von Guaido gestellt, dessen Unter­stützung in Vene­zuela jedoch abnimmt.
Guaido ruft zwar immer wieder zu Demons­tra­tionen auf, aber beim letzten Mal sind nur noch einige Hundert gekommen und das Militär unter­stützt Maduro wei­terhin. Der Putsch­versuch von Guaido ist offen­sichtlich gescheitert.
Wen die Medien in Deutschland unter­stützen, kann man sehr leicht erkennen. In Chile gab es bereits hun­derte Tote, auch in Bolivien. Darüber wird in Deutschland zwar berichtet, aber es fehlt dabei Kritik an dem Vor­gehen der Polizei, vor allem in Bolivien. Im Iran hin­gegen, wo es kürzlich bei Pro­testen eben­falls zu Toten gekommen ist, klingen die For­mu­lie­rungen anders. Dort wird von den „Befürch­tungen“ berichtet, die Amnesty äußert:
„Nach Zahlen der ira­ni­schen Behörden wurden ein Demons­trant und vier Sicher­heits­kräfte getötet, die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sation Amnesty Inter­na­tional befürchtet hin­gegen, dass es allein unter den Demons­tranten mehr als hundert Todes­opfer gegeben haben könnte.“
Während es in Bolivien und Chile weit mehr Tote gegeben hat, auch nach offi­zi­ellen Angaben, fehlen solche „Besorg­nisse“ bei den Berichten über die Pro­teste in diesen Ländern. Kein Wunder: In den Augen der Medien sind die Put­schisten in Bolivien und die neo­li­berale Regierung in Chile „die Guten“. Deren Gewalt wird mög­lichst klein geredet. Der Iran ist hin­gegen „der Böse“, dessen Gewalt weit dra­ma­ti­scher dar­ge­stellt wird, als sie war.
Gewalt ist immer schlecht, aber wenn es sie gibt, sollte darüber auch objektiv berichtet werden und nicht so par­teiisch, wie es die deut­schen Medien tun.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“