Politik wie bei der Mafia: Die USA erpressen Schutzgeld von ihren “Ver­bün­deten”

Die USA behandeln ihre Ver­bün­deten wie Vasallen oder Kolonien. Diese für viele pro­vo­kante These konnte man in den letzten Tagen wieder in aktu­ellen Mel­dungen ver­folgen. Wenn Sie das für undenkbar halten, lesen Sie es hier mit allen Quellen nach.
Ich habe das Problem schon öfter the­ma­ti­siert. Ein sou­ve­räner Staat kann zum Bei­spiel selbst ent­scheiden, welche Waffen andere auf seinem Gebiet sta­tio­nieren dürfen, eine Kolonie der ein Vasall kann das nicht, sie müssen sich dem „Herrn“ unter­ordnen. In Deutschland ist eine Mehrheit der Men­schen für einen Abzug der US-Atom­waffen und auch der Bun­destag hat die Regierung schon 2010 mit großer Mehrheit auf­ge­fordert, sich für einen Abzug der US-Atom­waffen ein­zu­setzen. Aber pas­siert ist nichts. Ich habe die gene­relle Pro­ble­matik und wie davon abge­lenkt wird, dass Deutschland und im Grunde die ganze EU nichts als Vasallen der USA sind, aus­führlich ana­ly­siert. Hier können Sie es nach­lesen und selbst ent­scheiden, ob Sie meiner These zustimmen, oder nicht.
Die Dreis­tigkeit der USA wurde in letzter Zeit immer deut­licher. So haben Ver­treter der US-Regierung im März allen Ernstes gefordert, dass Deutschland die gesamten Kosten für die in Deutschland sta­tio­nierten US-Truppen über­nehmen solle, „plus 50 Prozent„. Was wie ein schlechter Scherz klingt, war aber ernst gemeint. Konkret hatte Bloomberg gemeldet:
„Unter der Führung des Weißen Hauses fordert die Admi­nis­tration, dass Deutschland, Japan und even­tuell andere Länder, die US-Truppen bei sich auf­ge­nommen haben, die vollen Kosten für die in ihrem Land sta­tio­nierten ame­ri­ka­ni­schen Sol­daten tragen sollen — Plus 50 Prozent Auf­schlag für Ehre, sie bei sich zu beher­bergen, so teilte es ein Dutzend Mit­ar­beiter der Admi­nis­tration und andere Leute mit, die darüber infor­miert wurden. In einigen Fällen, können Nationen, die ame­ri­ka­nische Truppen beher­bergen, gebeten werden, fünf oder sechs Mal mehr zu zahlen, als unter der „Kosten plus 50″ Formel.“
Und das war wirklich kein Scherz.
Jetzt, acht Monate später, machen die USA ernst. Vor ca. zwei Wochen haben die USA von Japan gefordert, seine Zah­lungen an die USA für die dort sta­tio­nierten US-Truppen um mehr als das Vier­fache von 1,8 Mil­li­arden auf 8 Mil­li­arden Dollar zu erhöhen. Auch in Süd­korea machen die USA derzeit Druck, damit Süd­korea, dass seine Schutz­geld­zah­lungen an die USA erst 2019 um fast 9 Prozent auf über 900 Mil­lionen Dollar erhöht hat, weiter erhöht. Süd­ko­rea­nische Medien melden, dass die USA eine Erhöhung auf das Fünf­fache, also auf 4,7 Mil­li­arden, fordern. Um den Druck zu erhöhen, drohen die USA Süd­korea mit Abzug von 4.000 der 28.500 in Süd­korea sta­tio­nierte Soldaten.
In Tokio und Seoul regt sich gegen die For­de­rungen durchaus Wider­stand, aber man ver­sucht auch, die USA irgendwie zu besänf­tigen. In Japan gibt es zum Bei­spiel Streit um eine US-Basis, auf der US-Piloten die Landung auf Flug­zeug­trägern üben, was aus­ge­sprochen viel Lärm macht und für Pro­teste der Anwohner sorgt. Aber anstatt den USA zu sagen, Sie sollen das gefäl­ligst zu Hause üben, hat die japa­nische Regierung nun für 146 Mil­lionen Dollar eine unbe­wohnte Insel gekauft, wo man den USA einen solchen Übungs­platz hin­stellen will. Die Insel liegt 400 Kilo­meter von der jet­zigen Basis ent­fernt und dort wird der Lärm wohl nie­manden stören.
Ein Staat wehrt sich in den letzten Jahren gegen die Vasal­len­rolle, die die USA ihm zuge­dacht haben, die Türkei. Die Türkei hat, nachdem die USA den Verkauf von Patriot-Raketen abge­lehnt haben, die Frechheit besessen, sich in Russland die S‑400 zu bestellen. Das ist ein rus­si­sches Flug­ab­wehr­system, das nicht nur besser als die Patriots ist, sondern auch noch bil­liger. Eine durchaus nach­voll­ziehbare Ent­scheidung, aber es kommt eben aus Russland und da hört in den USA der Spaß auf. Die USA und die Türkei streiten schon lange über dieses Thema und es gibt sogar schon ein Gesetz in den USA, das des­wegen Sank­tionen gegen die Türkei vor­sieht. Noch wurde es aber nicht angewendet.
Unter befreun­deten Ländern – und das sollten die Nato-Staaten ja eigentlich sein – ist das ein ein­ma­liger Vorgang. Sank­tionen ver­hängt man nor­ma­ler­weise gegen seine Feinde, aber nicht gegen seine Freunde. Oder man ver­hängt sie als „Strafe für Unge­horsam“ an seine Vasallen oder Kolonien. Auch das bri­tische Empire hat seine Kolonien über Jahr­hun­derte auf diese Weise zusam­men­ge­halten: Unge­horsam wurde nicht geduldet und bestraft.
Wobei: So ein­malig ist dieser Vorgang gar nicht mehr. Auch gegen die EU haben die USA im Sommer Sank­ti­ons­dro­hungen aus­ge­sprochen, weil die EU aus einem Fond Gelder an euro­päische Rüs­tungs­firmen für die Ent­wicklung neuer Waf­fen­systeme geben wollte. Gegen den Fond hatten die USA nichts, aber sie haben mit Sank­tionen gedroht, wenn der Fond nicht auch für US-Firmen geöffnet würde. Solche Freunde und Ver­bündete wünscht man sich doch, oder?
Einen beein­dru­ckenden Ein­blick in das Selbst­ver­ständnis der USA geben nun offi­zielle Äuße­rungen ein­fluss­reicher US-Sena­toren. Die haben ver­kündet, man müsse das Gesetz über Sank­tionen gegen die Türkei nun endlich zur Anwendung bringen, weil die Türkei darauf besteht, die gekaufte und gelie­ferte System S‑400 auch in Dienst zu stellen. Die Sena­toren Van Hollen und Graham haben einen Brief an das Pen­tagon geschrieben, in dem es heißt:
„Die Zeit der Geduld ist längst abge­laufen. Es ist an der Zeit, dass Sie das Gesetz anwenden (…) Wenn Sie dies nicht tun, sendet dies ein schreck­liches Signal an andere Länder, dass sie die US-Gesetze ohne Folgen miss­achten können.“
Die USA sind also der Meinung, dass andere Länder die US-Gesetze befolgen müssen. Deut­licher kann man das nicht for­mu­lieren: Wenn „US-Ver­bündete“ die US-Gesetze nicht befolgen, werden sie bestraft. Wie kann man da noch von sou­ve­r­änden Staaten sprechen? Das ist die gleiche Sprache, die man in London vor 150 Jahren gegenüber den Kolonien benutzt hat.
Was wäre wohl los, wenn Japan, Süd­korea oder viel­leicht das Nato-Land Luxemburg von den USA fordern würde, Washington müsse sich an ihre Gesetze halten und wenn in ihren Gesetzen steht, dass die USA etwas nicht kaufen dürfen, dann sollte Washington das gefäl­ligst auch nicht tun. Absurd!
Aber die USA nehmen sich dieses Recht wie selbst­ver­ständlich heraus und drohen ihren „Ver­bün­deten“ (das klingt eben besser, als „Kolonien“) mit Sank­tionen. Auch Deutschland ist betroffen. In den USA steht ein Gesetz vor der Ein­führung, das explizit deut­schen Firmen Sank­tionen androht, die an Nord Stream 2 beteiligt sind.
Wenn sich China oder Russland so etwas gegenüber Deutschland erlauben würden, wäre das Geschrei in Berlin und in den deut­schen Medien groß. Aber wenn unser „engster Partner und Freund“, die USA das tut, dann stört es niemanden.
Ent­scheiden Sie selbst: Erstens: Ver­halten sich befreundete Staaten so unter­ein­ander? Zweitens: Wenn sich Japan, Süd­korea, Deutschland und all die anderen betrof­fenen Staaten ein solche Ver­halten gefallen lassen – sind sie dann eher sou­veräne Staaten oder eher Kolonien? 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“