Der demo­kra­tische Sozia­lismus – eine destruktive Ideologie

Der Sozia­lismus ver­spricht den Men­schen mit ver­hei­ßungs­vollen Worten eine bessere Welt. Eine Welt, in der Friede herrscht, in der es gerecht und gut zugeht. Öko­no­misch gesehen bedeutet Sozia­lismus, dass die Pro­duk­ti­ons­mittel sich nicht im Pri­vat­besitz befinden, sondern dass sie natio­na­li­siert, also ver­staat­licht sind. Als Wirt­schafts- und Gesell­schafts­modell ist der Sozia­lismus damit der Gegen­entwurf zum Kapi­ta­lismus, der die Wirt­schafts- und Gesell­schaftsform bezeichnet, in der die Pro­duk­ti­ons­mittel sich im Pri­vat­besitz befinden. Doch wie ver­lo­ckend seine Ver­spre­chungen auch klingen mögen: Der Sozia­lismus ist nicht durchführbar.

(von Thorsten Polleit)

Die Unmög­lichkeit des Sozia­lismus hat Ludwig von Mises im Jahr 1919 in seinem Aufsatz „Die Wirt­schafts­rechnung im sozia­lis­ti­schen Gemein­wesen“ mit wis­sen­schaft­lichen Mitteln abschließend auf­ge­zeigt. Kurz: Im Sozia­lismus können sich – weil es kein Eigentum an den Pro­duk­ti­ons­mitteln gibt – keine Markt­preise für die knappen Güter bilden. Ohne sie ist eine Wirt­schafts­rechnung aber ganz und gar unmöglich. Die sozia­lis­ti­schen Planer können nicht wissen, welche Güter in welcher Menge und Qua­lität gewünscht werden, und sie können auch nicht die Durch­führ­barkeit von Pro­duk­ti­ons­vor­haben abschätzen. Der Sozia­lismus führt zu Chaos, Gewalt und Ver­armung – ent­gegen allen anders­lau­tenden Heilsverkündigungen.

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Der Sozia­lismus kommt zwar in unter­schied­lichen Formen und Aus­prä­gungen daher. Doch zwei ganz grund­sätz­liche Formen lassen sich unter­scheiden. Zum einen ist da der Sozia­lismus rus­si­scher Prägung (auch: Mar­xismus-Leni­nismus). Er steht für Revo­lution und blu­tigen Umsturz, für die gewaltsame Ent­eignung der Eigen­tümer und die Ver­staat­li­chung der Pro­duk­ti­ons­mittel. Zum anderen ist da der Sozia­lismus deut­scher Prägung: Die deut­schen Sozia­listen erkannten, daß der rus­sische Weg zum Sozia­lismus in Deutschland nicht umzu­setzen war. Zu scho­nungslos, zu grausam war er, als dass er in Deutschland Aus­sicht auf Erfolg hätte haben können. Die deut­schen Sozia­listen setzten daher auf eine andere Stra­tegie. Sie sprachen sich dafür aus, das Eigentum an den Pro­duk­ti­ons­mitteln prin­zi­piell zu belassen. Gleich­zeitig for­derten sie jedoch, dass den Eigen­tümern nicht der gesamte Ertrag, den sie mit dem Einsatz ihres Eigentums erwirt­schaften, zusteht. Ein Teil davon gehöre dem Gemein­wesen und sei in Form von Steuern an den Staat abzuführen.

Haben die demo­kra­ti­schen Sozia­listen erst einmal Zustimmung für ihre For­derung gefunden, ist der weitere Gang der Dinge quasi pro­gram­miert. Wenn man die Teil­ent­eignung als richtig und gut ange­sehen hat, dann lässt sich kein prin­zi­pi­eller Grund mehr gegen immer weitere Steu­er­erhö­hungen anführen. Wenn anfänglich eine Ein­kom­mens­steuer in Höhe von, sagen wir, 20 Prozent erhoben wird, dann werden daraus im Zeit­ablauf 25, 30, 35, 40 und mehr Prozent. Im Zuge der kleinen Schritte kommt es zu einer vor­an­schrei­tenden Ent­eignung der Ein­kom­mens­ver­diener und zu einer immer grö­ßeren, nach poli­ti­schen Erwä­gungen betrie­benen Umver­teilung von Ein­kommen und Ver­mögen, durch die der Staat und von ihm begüns­tigte Gruppen immer macht­voller werden. Das Eigentum besteht dann nur noch formal, aber nicht mehr in wirt­schaft­licher Hin­sicht. So gesehen ist Eigentum aus Sicht des demo­kra­ti­schen Sozia­lismus Eigentum durch Staates Gnaden; es ist Fiat-Eigentum.

Der demo­kra­tische Sozia­lismus findet seine intel­lek­tuelle Basis im Kul­tur­mar­xismus (oder auch: Neo­mar­xismus). Er ist aus der Ein­sicht der Mar­xis­ten­Le­ni­nisten erwachsen, dass die erhoffte Revo­lution nicht von den Arbei­ter­massen ausgeht, sondern dass die Grundlage für die Trans­for­mation der Gesell­schaft von den Intel­lek­tu­ellen geschaffen werden muß. Nicht der plötz­liche gewaltsame Umsturz, sondern der schlei­chende fried­volle Umbruch – durch Wandel von Werten, Kultur und Glauben der Men­schen – ist das Ziel. Auf diesem Wege sollen die sinn­ent­leerten und ori­en­tie­rungs­losen Massen letztlich dem Kom­mu­nismus quasi ins Netz gehen.

Nach Jahr­zehnten des beharr­lichen Vor­ar­beitens (dem „Marsch durch die Insti­tu­tionen“) nehmen kul­tur­mar­xis­tische Intel­lek­tuelle heut­zutage viele Schlüs­sel­stel­lungen in Politik, Ver­waltung, Kunst und Kultur ein. Ins­be­sondere auch in Schule und Uni­ver­sität finden sich die Kul­tur­mar­xisten und popu­la­ri­sieren ihre Ideen, ver­hüllt im Gewand des demo­kra­ti­schen Sozia­lismus. Immer neue Grup­pen­kon­flikte werden geschürt und her­bei­ge­redet – ob Geschlech­ter­kampf oder Natio­na­li­tä­ten­frage -, die die Men­schen ver­un­si­chern und gezielt ver­wirren, bis sie psy­cho­tische Ausmaße annehmen.

Der poli­tische Glo­ba­lismus setzt auf den demo­kra­ti­schen Sozia­lismus. Er zielt darauf ab, die Gestaltung aller Bezie­hungen zwi­schen den Men­schen aus unter­schied­lichen Erd­teilen obrig­keits­staatlich zu lenken und zu bestimmen. Nicht durch den freien Markt, durch Arbeits­teilung und Frei­handel soll bestimmt werden, was wann und wo pro­du­ziert und kon­su­miert wird, sondern diese Ent­schei­dungen sollen durch einen ideo­lo­gisch-poli­ti­schen Gestal­tungs­willen beein­flußt bezie­hungs­weise getroffen werden. Unter­stützung erhält der poli­tische Glo­ba­lismus nicht nur von der poli­ti­schen Linken. Vor allem auch Groß­un­ter­nehmen sprechen ihre Unter­stützung aus – weil sie hoffen, den poli­ti­schen Gestal­tungs­prozeß zu ihren Gunsten beein­flussen zu können.

Der demo­kra­tische Sozia­lismus hat – und das lässt sich mit der A‑priori-Hand­lungs­theorie zeigen – negative Folgen für den mate­ri­ellen Wohl­stand und die Moral der Gesell­schaft. Dazu einige Bei­spiele. Das Besteuern von Unter­neh­mens­ge­winnen redu­ziert die Inves­ti­ti­ons­rendite: Sie fällt geringer aus im Ver­gleich zu einer Situation, in der die Unter­nehmer nicht besteuert worden wären. Das Inves­tieren wird dadurch weniger attraktiv. Der Kapi­tal­stock wächst weniger stark, als er eigentlich könnte, und folglich fallen auch die künf­tigen Real­lohn­zu­wächse geringer aus, als sie andern­falls aus­fallen würden.

Der Anreiz zu arbeiten, einer pro­duk­tiven Tätigkeit nach­zu­gehen, nimmt ab, weil die Kosten des Nicht­ar­beitens sinken. Im demo­kra­ti­schen Sozia­lismus kann man schließlich an (Transfer-)Einkommen gelangen, ohne dass man dafür eine markt­fähige Leistung anbieten muss. Man braucht nur eine Regierung an die Macht zu wählen, die einem die gewünschten Wohl­taten zuschanzt. Die Rechnung haben die Besteu­erten, die Pro­duk­tiven, zu bezahlen – die dar­aufhin einen ver­min­derten Anreiz haben, pro­duktiv tätig zu sein. Der mate­rielle Wohl­stand der Volks­wirt­schaft wird daher ins­gesamt nied­riger aus­fallen im Ver­gleich zu einer Situation, in der es keine Besteuerung gibt.

Der demo­kra­tische Sozia­lismus hebt die scharfe Trennung zwi­schen „Mein“ und „Dein“ auf. Wer eine Regierung wählen darf, der wird die­jenige Partei wählen, von der er erwartet, dass sie ihn bes­ser­stellt, auch wenn das auf Kosten der Mit­men­schen erfolgt. Um sich zu wehren, werden tat­säch­liche und poten­tielle Opfer der Wahl­er­geb­nisse (die Pro­duk­tiven, denen man etwas weg­nehmen kann) sich eben­falls poli­tisch enga­gieren wollen. Das führt zu einer Poli­ti­sierung der Gemein­schaft, die alle Lebens­be­reiche erfasst, von der nichts und niemand ver­schont bleibt. Der „poli­tische Kampf“, der dar­aufhin ent­brennt, lenkt zuse­hends knappe Res­sourcen (Geld, Zeit, Per­so­nal­einsatz etc.) von pro­duk­tiven in unpro­duktive Verwendungen.

Vor allem aber lässt der demo­kra­tische Sozia­lismus die gesell­schaft­liche Moral ver­fallen. Man mache sich dazu das Fol­gende klar: In einer freien Markt­wirt­schaft kann man Ein­kommen und Ver­mögen nur dann ver­dienen und erhalten, wenn man etwas leistet, was andere frei­willig nach­fragen. Man muss seine Arbeits­leistung kon­se­quent in den Dienst der Kun­den­wünsche stellen und sich jeden Tag aufs neue beweisen. In einer freien Markt­wirt­schaft sind daher Ein­kommen und Ver­mögen die Belohnung, seinen Mit­men­schen dienlich gewesen zu sein.

Im demo­kra­ti­schen Sozia­lismus bildet sich eine andere Moral- und Wert­vor­stellung heraus. Anders als in einer freien Markt­wirt­schaft gibt es im demo­kra­ti­schen Sozia­lismus einen gerin­geren Anreiz, Ein­kommen zu erzielen und Ver­mögen auf­zu­bauen, indem man seine Kräfte so aus­richtet, dass sie den Wün­schen der Mit­men­schen best­möglich dienen.

Vor allem gibt es keinen unbe­dingten Respekt mehr vor dem Eigentum der anderen. Deren Ein­kommen und Ver­mögen werden vielmehr zur mög­lichen Beute her­ab­ge­stuft, die man sich straffrei aneignen kann, wenn man die pas­sende Partei wählt. Nach dem Motto: Die Regierung nimmt den anderen etwas weg, und sie gibt mir von dem Erbeu­teten etwas ab. Der demo­kra­tische Sozia­lismus sorgt auf diese Weise für einen Dau­er­kon­flikt, indem er die Gemein­schaft in Netto-Staats­pro­fi­teure und Netto-Staats­ver­lierer spaltet.

Der demo­kra­tische Sozia­lismus steht aller­dings vor einem ganz besonders heiklen Problem, wenn er räumlich begrenzt ist: In einer ein­zelnen Region sind der Politik der Besteuerung und Umver­teilung von Ein­kommen und Ver­mögen mehr oder weniger enge Grenzen gesetzt, solange es einen inter­na­tio­nalen freien Verkehr von Arbeit und Kapital gibt. Werden bei­spiels­weise Unter­nehmen und Arbeit­nehmer in dem Land, in dem demo­kra­ti­scher Sozia­lismus herrscht, sehr hoch besteuert, wandern sie ab in andere Länder, in denen die Steu­er­be­lastung ver­gleichs­weise geringer ist. Das ist den demo­kra­ti­schen Sozia­listen ein Dorn im Auge.

Die Abwan­derung der Pro­duk­tiven schmälert schließlich die zur Ver­fügung ste­hende Besteue­rungs- und Umver­tei­lungs­masse, der die demo­kra­ti­schen Sozia­listen habhaft werden wollen. Das Problem der „Abstimmung mit den Füßen“ kann der demo­kra­tische Sozia­lismus nur in den Griff bekommen, wenn es ihm gelingt, einen welt­um­span­nenden demo­kra­ti­schen Sozia­lismus unter ein­heit­licher Führung zu errichten. Doch wie kann das gelingen?

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Thorsten Polleit, Jahrgang 1967, ist seit April 2012 Chef­volkswirt der Degussa. Er ist Hono­rar­pro­fessor für Volks­wirt­schafts­lehre an der Uni­ver­sität Bay­reuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, Mit­glied im For­schungs­netzwerk „Research On money In The Economy“ (ROME) und Prä­sident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist Grün­dungs­partner und volks­wirt­schaft­licher Berater eines Alter­native Investment Funds (AIF). Die private Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.


Quelle: misesde.org