Staat­liche Ver­mieter kennen kein Erbarmen – keine Miet­kür­zungen wegen Corona

Voll­mundig klangen sie, die Ver­spre­chungen der Regierung, den arg gebeu­telten Gewer­be­trei­benden zur Hilfe zu kommen. Das Füllhorn für die Lockdown-Geschä­digten sollte aus­ge­schüttet werden. Vor allem: Miet­zah­lungen müssen gestundet oder gekürzt werden dürfen. Die Regierung stellt umfas­sende Hilfs­pakete zusammen. Wir müssen alle zusammen stehen in dieser schweren Zeit, appel­lierte die Kanz­lerin aus Berlin. Da sollten auch Ver­mieter einmal Nach­sicht und Soli­da­rität zeigen. So viel guter Wille beru­higte die Unter­nehmer erst einmal und man ver­traute Vater Staat. Leider zu blau­äugig, und langsam kommt Zorn und Ver­zweiflung hoch.

Die Novem­ber­hilfen sind noch nicht aus­ge­zahlt und Ostern steht vor der Tür. Sie werden wohl auch nicht kommen, weil ein paar wenige Betrüger sich unbe­rechtigt die Coro­na­hilfe erschlichen haben. Dafür werden nun Hun­dert­tau­sende im Stich gelassen und der finan­zi­ellen Ver­nichtung preis­ge­geben. Ein wun­der­barer Grund für den Staat, seine Hilfen – die eh kaum reichen – kom­plett einzustellen.

Mieten dürfen gesenkt und gestundet, Ver­träge neu ver­handelt werden

Das zweite Brand­thema sind die Mieten. Ob Büros oder Laden­ge­schäfte, die Mieten sind meistens der größte Aus­ga­ben­posten und treiben ein Unter­nehmen, was kaum oder keinen Umsatz und erst recht keinen Gewinn mehr gene­rieren kann, in die Insolvenz. Daher ent­schied die Regierung unserer weisen, großen Par­tei­vor­sit­zenden Dr. Angela Merkel, den bedrängten Unter­nehmen zur Hilfe zu eilen, und so beschloss der Bun­destag Mitte Dezember 2020, dass Gewer­be­trei­bende eine Miet­min­derung für ihre Geschäfts­räume bean­tragen können.

Rechtlich gesehen gibt es das unter dem Para­graphen 313 im Bür­ger­lichen Gesetzbuch (BGB), sofern eine „schwer­wie­gende Störung der Geschäfts­grundlage“ gegeben ist. Dann kann der Mieter eine Anpassung des Ver­trages und Stun­dungen der Miet­zah­lungen begehren – oder den Vertrag vor­zeitig auf­lösen. Nun sollen die coro­nabe­dingten Schlie­ßungen offi­ziell als so eine schwer­wie­gende Störung gelten. Die Regelung gilt auch als Einrede gegen eine Klage des Ver­mieters auf Miet­zahlung. Mieter und Ver­mieter können sich dann frei auf eine ver­min­derte Miete oder Zah­lungs­auf­schub einigen.

In § 7 zu Art. 240 EGBGB Störung wurde fol­gende Regelung zur Geschäfts­grundlage von Miet- und Pacht­ver­trägen aufgenommen:

(1) Sind ver­mietete Grund­stücke oder ver­mietete Räume, die keine Wohn­räume sind, infolge staat­licher Maß­nahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pan­demie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheb­licher Ein­schränkung ver­wendbar, so wird ver­mutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bür­ger­lichen Gesetz­buchs, der zur Grundlage des Miet­ver­trags geworden ist, nach Ver­trags­schluss schwer­wiegend ver­ändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pacht­ver­träge ent­spre­chend anzuwenden.

Viele Ver­mieter haben auch ein Ein­sehen, obwohl auch sie dadurch herbe Ver­luste ein­stecken müssen. Die meisten erwirt­schaften ihr Ein­kommen aus der Ver­mietung und müssen ja auch die Immo­bilie instand halten. Doch was bleibt ihnen übrig? Auf die Ver­mieter von Geschäfts­räumen werden durch die vielen Insol­venzen und Geschäfts­auf­gaben groß­flä­chige Leer­stände zukommen, die Kosten aber bleiben. Im Gegenteil: Leer­ste­hende Räume müssen auf eigene Kosten beheizt und gepflegt werden, um Schimmel und Ver­wahr­losung zu verhindern.

Die Folgen sind weit­rei­chend und treffen am Ende alle

Ein kleiner Exkurs an dieser Stelle sei gestattet, der sich ins­be­sondere an die richtet, die gar nicht genug Lockdown haben können und wütend über jede Lockerung sind. Es sind die meist wohl­ver­sorgten, älteren Herr­schaften, die sich finan­ziell in Sicherheit wähnen.

Es trifft nicht nur die Mieter und Ver­mieter. Auch größere, insti­tu­tio­nelle Anleger, wie Pen­si­ons­kassen oder Immo­bi­li­en­fonds, werden schwer dar­unter leiden. Zah­lungs­aus­fälle haben die unan­ge­nehme Eigen­schaft, sich durch die „Nah­rungs­kette“ durch­zu­fressen. Und das trifft im Kon­ta­mi­na­ti­ons­prozess die Alters­ver­sor­gungs-Inves­ti­tionen vieler Bürger. Aber auch die Banken, denn das ganze Spiel hat das Potenzial, eine Menge großer Bank­kredite — und damit Banken — zu gefährden. Eine Ban­ken­schließung und Kon­ten­sperrung mit anschlie­ßendem ganzen oder teil­weisen Ver­mö­gens­verlust dürfte manchen, der heute noch den ganzen Lock­down­zirkus gut und wichtig findet, sehr nach­denklich machen.

Vater Staat kennt keine Gnade: Weder Miet­stundung noch Mietsenkung

Wie immer ist der Staat recht groß­zügig, wenn es um das Geld seiner Bürger geht. Was pri­vaten Ver­mietern abver­langt wird, prak­ti­ziert der Staat selber aber nicht. Das Magazin „Pan­orama“ hat dazu eine Umfrage in 16 Bun­des­ländern gemacht und fest­ge­stellt, dass – bis auf wenige Aus­nahmen — der Staat oder die Kom­munen als Ver­mieter knallhart bleiben. Sowohl die Kom­munen als auch die lan­des­ei­genen Immo­bi­li­en­ge­sell­schaften ver­weigern sich dem Begehren ihrer Mieter auf Stundung, Miet­min­derung oder Ver­trags­auf­lösung. Besonders die Städte, die auf Gewer­be­steuern der Unter­nehmen ange­wiesen sind, setzen oft gna­denlos ihre Miet­for­de­rungen gegen not­lei­dende Laden­be­sitzer durch. So treibt man Unter­nehmen aktiv in die Pleite.

Auf dies­be­züg­liche Anfragen von Pan­orama ziehen sich die Länder auf recht­liche Vor­schriften zurück. Die zustän­digen Minis­terien, heißt es, ver­weisen auf die kom­munale Selbst­ver­waltung, in die sie ja nicht hin­ein­reden dürfen. Das müssten die Kom­munen ent­scheiden, ob sie auf die Ein­nahmen der Gewer­be­mieten ver­zichten können. Die Kom­munen wie­derum ver­weisen darauf, dass ihnen als öffent­liche Hand Grenzen gesetzt seien. Sie seien an den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz gebunden. Und wenn sie einem der Mieter einen Miet­preis­nachlass zuge­stehen, müssten sie es bei allen anderen eben­falls machen.

Und außerdem, barmen die Bür­ger­meister, stünden dann womöglich Pro­bleme mit der Kom­mu­nal­auf­sichts­be­hörde ins Haus. Die Kommune sei gehalten, die Ein­nahmen, die sie ver­traglich ver­bucht hat, auch ein­zu­nehmen und nicht einfach auf sie zu ver­zichten. Dies sei schon im Grundsatz der Ein­nah­me­be­schaffung so geregelt.

Na, sicher. Daran wird sich eisern gehalten. Und wenn es dann keine Gewer­be­trei­benden mehr gibt, weil man sie bis zum letzten Cent aus­ge­quetscht hat, bis sie auf­geben mussten, dann ist auch rein kom­mu­nal­rechtlich alles in Ordnung, nur gibt es dann gar keine Ein­nahmen mehr. Aber es ist alles juris­tisch sauber abge­laufen. Die wenigen Mieter, die es noch für solche Immo­bilien gibt, werden für­derhin den Teufel tun, bei der Kommune oder der Stadt Gewer­be­räume zu mieten.

Dass es auch anders geht, beweist zum Bei­spiel Berlin, hat Pan­orama ermittelt. Das viel­ge­scholtene Berlin hatte bereits im März 2020 einen Senats­be­schluss gefasst, der allen lan­des­ei­genen Gesell­schaften erlaubt, auf Miet­ein­nahmen zu ver­zichten, sofern sie im Zusam­menhang mit schweren Stö­rungen der Geschäfts­grundlage im Zusam­menhang mit Corona stehen. Der Tenor lautete, dass der Staat hier eine Vor­bild­rolle zu über­nehmen habe. Es gehe nicht an, dass private Ver­mieter auf Miet­ein­nahmen ver­zichten, wenn der Staat das nicht tut. Bis Ende Januar 2021 hat Berlin damit auf gewerb­liche Mieten in Höhe von 6,55 Mil­lionen Euro ver­zichtet, um den Unter­nehmen die Luft zum Leben zu lassen.

Auch die Han­se­stadt Hamburg will sich nicht hinter recht­lichen Regeln ver­schanzen und hart gegen säumige Gewer­be­mieter vor­gehen. Es gibt eine Emp­fehlung an die städ­ti­schen Ver­mieter, Mieten auch zu erlassen, wo das ange­bracht ist. Das Bun­desland Bayern hat von sich aus Ände­rungen der Miet­ver­träge vor­ge­nommen und ver­schiedene Miet­preise abge­senkt. In Bremen ließ man ein paar Aus­nahmen zu, berichtet Panorama.

Der Tod der Innen­städte kommt

Auch das ARD-Magazin Plus­minus küm­merte sich um das Thema und berichtet, dass in den Innen­städten die pri­vaten Ver­mieter meist fair und ver­ständ­nisvoll handeln und sich mit ihren Mietern den Corona-Schaden teilen. Nicht so die Städte als Ver­mieter. Einem Gastwirt, der um Miet­min­derung bat, wurde kurz und knapp beschieden, das gehe nicht, denn für die Gas­tro­nomie gebe es ja hohe staat­liche Wirt­schafts­hilfen – die dieser aller­dings bis heute nicht erhalten hat.

Das dicke Ende wird kommen. Wenn die Städte in nicht allz­uf­erner Zukunft ihre aus­ge­stor­benen Innen­städte betrachten, wird der Schaden nicht wieder zu repa­rieren sein. Auch die pri­vaten Ver­mieter werden dar­unter leiden, denn niemand hat Spaß an einem Ein­kaufs­bummel in Straßen, wo jedes zweite oder dritte Geschäft mit zuge­klebten Schau­fens­ter­scheiben und „zu vermieten“-Schildern Trübsal ver­breitet. Nach und nach werden die Läden abwandern in die Nähe von Vor­stadt-Ein­kaufs­zentren oder nur noch über Internet ver­senden oder ganz aufgeben.

Ohne Geschäfte und bei aus­ster­bendem, pro­du­zie­rendem Mit­tel­stand wird es viel weniger Pro­dukte geben. Ein­kaufsspaß ade. Ver­lassene Innen­städte und zer­fal­lende Waren­häuser werden das Stadtbild ver­schandeln. Nur das eine oder andere Laden­ge­schäft wird sich halten und Second Hand oder chi­ne­si­sches Bil­ligzeug anbieten. Ein paar Spiel­ca­sinos, eine Apo­theke und mehrere Han­dy­läden werden sich auch noch finden lassen. Viel­leicht überlebt auch McDo­nalds. Lan­ge­weile, Arbeits­lo­sigkeit, Armut und Tris­tesse für alle. Schöne, neue Welt.