Demonstrationsrecht und Meinungsfreiheit waren einmal unantastbare Grundrechte in Deutschland. Aber das waren moderne, aufgeklärte Zeiten. Jetzt trifft es eine junge WDR-Moderatorin, die vor sieben Jahren an einer Demonstration für die Rechte der Palästinenser teilgenommen hatte. Ihr wird nun im Nachhinein Antisemitismus angehängt, obwohl sie – nach der jetzt bekannten Faktenlage – nie antisemitische Äußerungen getan hat. Nun steht ihr Engagement als Moderatorin bei der WDR-Wissenschaftsserie „Quarks“ auf dem Spiel. Der WDR hat sich noch nicht weiter geäußert.
Nemi El Hassan ist laut ihrer Biographie beim WDR Ärztin, Journalistin und „Medienmacherin“. Zusammen mit ihrer Ärztekollegin Florence Randrianarisoa sollte sie demnächst das Wissenschaftsmagazin „Quarks“ moderieren. Doch das steht jetzt in Frage. Denn die von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten als Flagge zur Volkserziehung vor sich hergetragene Political Correctness wendet sich immer öfter gegen ihre eigenen Propagandisten. In den Fallstricken der politisch inkorrekten, unbotmäßigen Äußerungen oder Meinungen verheddern sich auch bisweilen die eigenen Mitarbeiter.
Die beiden neuen „Quarks“-Moderatoren sind weiblich und auch People of Colour, also soweit schonmal alles paletti. Aber, oh wei! Frau El-Hassan erlaubte sich die Teilnahme an einer politischen Demonstration für die Rechte der Palästinenser. Und das rückt sie in das furchtbare Licht des Antisemitismus. Kritiker haben diesen Al-Quds-Marsch in Berlin als israelfeindlich deklariert.
Dieser Marsch findet jährlich statt. Nun, es ist sicher nicht unproblematisch, als Mitarbeiterin einer öffentlichen Rundfunkanstalt bei einem solchen Marsch mitzulaufen. Nur: Die israelische Politik des Umgangs mit Palästinensern zu kritisieren ist nicht dasselbe wie Antisemitismus. Den Umgang Chinas mit den Uiguren zu kritisieren ist auch kein antichinesischer Rassismus. Den Umgang Australiens mit den Aboriginees oder den der USA mit den First Nations zu kritisieren ist ebenfalls erlaubt, wird sogar gutgeheißen. Und dass es den Palästinensern in den von Israel verwalteten Gebieten und im Gaza-Streifen nicht besonders gut geht, wird wohl niemand bestreiten. Auch nicht, dass einige Palästinenser sich nicht gerade konstruktiv verhalten. Dieses unglückliche und tragische Verhältnis ist ein Dauerproblem, an dem die israelische Politik keineswegs unschuldig ist. Für die Rechte der Palästinenser einzutreten ist grundsätzlich nichts Vorwerfbares.
Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem und bedeutet „die Heilige“. In allen drei „Buchreligionen, dem Judentum, dem Christentum und dem Islam ist die Stadt heilig. Der Al-Quds-Tag wurde 1979 vom iranischen Revolutionsführer Ajatollah Ruholla Chemeini ausgerufen und auf den letzten Freitag des islamischen Ramadan festgelegt. Tatsächlich ist dieser Tag ein Protesttag gegen die israelische Besetzung Ost-Jerusalems, bei der auch die den Muslimen heilige Al-Aqsa-Moschee unter die israelische Verwaltung kam. Sie richtet sich aber auch gegen Israels Herrschaft über West-Jerusalem und teilweise gegen die Existenz des Staates Israels überhaupt.
Das Land, das Palästina hieß und zum osmanischen Reich gehörte, kam nach dem Zerfall des Türkisch-Osmanischen Reiches ab 1920 und während des ersten Weltkrieges unter britische Verwaltung als Mandat des Völkerbundes. Eine sehr schwierige Aufgabe, denn während des Dritten Reiches und nach dem Zweiten Weltkrieg strömten flüchtende und überlebende Juden in dieses Land, das sie als ihre biblisch überlieferte Heimat sehen. Es sollen damals etwa 300.000 jüdische Einwanderer gewesen sein. Das führte zu Spannungen zwischen den ansässigen Palästinensern und den eingewanderten Juden in Palästina. Großbritannien versuchte vergeblich die Masseneinwanderung zu unterbinden. Damit wurden die britischen Mandatstruppen zur Zielscheibe sowohl für die Palästinenser als auch für die Juden. Beide Ethnien beanspruchten das Land für sich und sahen die Briten als Besatzer und Feinde an. Schließlich war die Belastung für Großbritannien zu groß und die Verantwortung für das umkämpfte Territorium fiel an die Vereinten Nationen, die Nachfolgeorganisation des Völkerbundes. Die UN stimmte 1947 für die Errichtung von zwei Staaten auf dem Gebiet des ehemaligen Palästina, einen arabischen und einen jüdischen. Die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung begrüßte diese Entscheidung, die arabischen Palästinenser lehnten das ab. Wieder flammten die gewalttätigen Kämpfe zwischen beiden Volksgruppen auf. Am selben Tag, als die Briten das Mandat über Palästina offiziell niederlegten, am 14. Mai 1948, rief David Ben-Gurion, der Führer der zionistisch-sozialistischen Arbeiterpartei, den Staat Israel aus. Die arabischen Nachbarländer reagierten mit einem sofortigen militärischen Angriff auf den gerade gegründeten israelischen Staat.
Die Kämpfe dauerten etwa ein Jahr und Israel ging als Sieger daraus hervor. Das war der erste Nahostkrieg, dem noch weitere, wie z. B. der Sechstagekrieg, folgten. Israel blieb immer wachsam und wehrhaft und konnte sich behaupten. Allerdings wurde die Existenz des Staates Israel auch auf der Flucht und Vertreibung Hunderttausender Palästinenser aus ihrer Heimat aufgebaut. Diese Wunde in der Seele des palästinensischen Volkes verheilt nicht. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass die jüdischen Flüchtlinge sich ebenfalls an ihre historisch jüdische Heimat klammern und nach den Erfahrungen von Unterdrückung, Ausgrenzung und Mord den einzigen jüdische Staat als ihre sichere Burg mit allen Mitteln halten und verteidigen.
Bis heute leben sehr viele Palästinenser immer noch in Flüchtlingslagern, seit 1948. Seit drei Generationen leben sie in ihrem Vertreibungstrauma und ein Ende ist nicht in Sicht. Gleichzeitig enden auch Attentate und Angriffe auf den Staat Israel und die Juden nicht, was dann von israelischer Seite nicht minder gewalttätig beantwortet wird. Eine Entspannung ist so unmöglich. Ein Dilemma, was nicht aufzulösen ist. Daraus und aus der Unvereinbarkeit der Religionen sowie der Al-Aqsa-Moschee unter jüdischer Verwaltung resultieren auch die Spannungen zwischen fast allen arabischen Staaten und Israel.
Der Al-Quds-Tag ist daher ein Protest-Tag, an dem — „Erkenntnisse des Verfassungsschutzes“ zufolge — immer wieder israelfeindliche Parolen von den meist arabischen Teilnehmern skandiert werden. Es sollte Frau El-Hassan eigentlich klar sein, dass man an diesem Tag auch zusammen mit antizionistisch und auch antisemitisch eingestellten Leuten auf der Straße marschiert. Frau El-Hassan zieht es auch vor, an solchen Tagen ihre pro-arabisch-muslimische Haltung durch das Tragen eines Hijab zu unterstreichen. Gibt man den Namen Nemi El-Hassan auf Google ein und wählt „Bilder“, dann sehen wir recht gut, in welcher Rolle die junge Ärztin wann und wo auftaucht. Westlich locker-sportlich-leger oder demonstrativ muslimisch-traditionell. Auf diesem Klavier kann man natürlich gerade in Deutschland wirkungsvoll spielen … und sie weiß es geschickt einzusetzen.
Was sie anscheinend nicht so richtig auf dem Schirm hatte, … weil man ja als Frau plus People of Colour hofiert wird und selten Kritik zu hören bekommt, … weil man ja zu einer Minderheiten-Opfergruppe gehört, wo Kritik ein Tabu ist, … weil das ja gleich Rassismus ist …, dass es hier in Deutschland eine Opfergruppen-Hierarchie gibt. Da hat sie sich wohl etwas zu weit in der Hierarchie vorgewagt. Wahrscheinlich hat sie nicht mehr damit gerechnet, dass ihr das palästinensische Engagement am Al-Quds-Tag sieben Jahre später dermaßen auf die Füße fällt.
Die Grenzen hat man ihr nun deutlich aufgezeigt und da Frau El-Hassan intelligent ist, hat sie das auch gleich verstanden. Nun bedauert sie ihre „Tat“ vor sieben Jahren, denn sonst kann sie sich ihre Moderatorenstelle und auch jede weitere Karriere im WDR an den Hut stecken. Sie sei überhaupt nicht israelfeindlich, sagt sie und keineswegs eine Antisemitin. Sie schämt sich jetzt. Jetzt ist der Ajatollah schuld: „Mir war nicht klar, dass diese Demos durch das iranische Regime ins Leben gerufen wurden.“
Ach, nicht? Hmmm … laut Wikipedia ist die junge Medizinerin ein Kind arabischer Eltern, die aus den palästinensischen Autonomiegebieten über den Libanon nach Deutschland migriert sind. Aus dieser Sicht wäre ein Mitlaufen auf dem Al-Quds-Tag schon nachvollziehbar, aber wohl kaum, dass sie nicht um die Geschichte und die Hintergründe dazu Bescheid weiß.
Außerdem weiß Wikipedia Folgendes zu berichten:
„Zum islamischen Glauben fand sie eigenen Angaben zufolge während ihrer Oberstufenzeit durch Erlebnisse in der Blauen Moschee in Hamburg, laut Verfassungsschutz ein Außenposten der islamistischen Hisbollah im Iran. Während des Besuchs El-Hassans stand die Blaue Moschee bereits unter Beobachtung des Landesamtes für Verfassungsschutz der Freien und Hansestadt Hamburg. In den folgenden Jahren verkehrte El-Hassan noch häufiger in der Blauen Moschee, und sie besuchte zwei Jahre lang eine Koranschule in Berlin, um den islamischen Glauben kennen zu lernen. Sie entschied sich im Alter von 17 Jahren, im Alltag einen Hidschab zu tragen (…) Das Islamische Zentrum Hamburg als Trägerverein der Blauen Moschee trat bis 2004 regelmäßig aktiv als Mitorganisator des ‚Al-Quds-Tages‘ auf. Ab dem ‚Al-Quds-Tag‘ im September 2010 engagierte sich das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) wieder stärker im Rahmen des Al-Quds-Tages, forderte öffentlich zur Beteiligung auf und unterstützte die Veranstaltung logistisch mit Transportmöglichkeiten und Verpflegung. Auch 2016 war das IZH laut Verfassungsschutz mit 200 Personen an der jährlichen Al Quds Demonstration in Berlin beteiligt. Die Verbindung zur Blauen Moschee und deren Schlüsselrolle in El-Hassans Glaubensfindungsprozess wurden im Rahmen des Antisemitismusvorwurfes 2021 sowie des Vorwurfes der Verharmlosung islamistischer Gewalt im Jahre 2015 vielfach medial aufgegriffen und diskutiert. (…) Auf einem Foto ist El-Hassan mit Palästinensertuch zu sehen, während sie mit den Fingern das Victory-Zeichen formt.“
Netter Versuch, Frau El-Hassan.
Es ist völlig nachvollziehbar, dass Sie für die Rechte der Palästinenser eintreten, das ist auch Teil Ihrer Familiengeschichte, Ihrer Herkunft und nicht automatisch antisemitisch. Aber der Süddeutschen zu sagen, die Demo sei ein “Fehler” gewesen und sie sei zu dem Zeitpunkt 20 Jahre alt gewesen und habe sich erst später mit den Hintergründen befasst — und dann nicht mehr teilgenommen. „Der Mensch, der ich heute bin, hat nichts mehr mit dem Menschen von damals zu tun“, das sollten Sie lassen.
Und:
Kritisiert wird auch ein Video der Bundeszentrale für politische Bildung von 2015, in dem El-Hassan über die Bedeutung des Wortes “Dschihad” spricht. Darin sagt die junge Frau, der Begriff sei “zu einem Symbol der Missinterpretation” verkommen. “Dabei ist Dschihad für mich eine Vision.” Die Bild warf El-Hassan in ihrem Bericht vor, islamistische Gewalt “relativiert” zu haben. Die Journalistin bestreitet das. Ausschnitte des Films seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Diese Rolle rückwärts, dass Sie „nichts mehr mit dem Menschen von damals zu tun haben“, klingt nicht sehr glaubwürdig. Sie wussten sehr gut, was Sie da machen. Ja, die Demo-Teilnahme war nicht schlau, ja, vielleicht eine Jugendtorheit. Aber stehen Sie doch zu Ihrer Herkunft, Ihrem Volk, Frau El-Hassan und machen Sie klar, dass die Liebe zum eigenen Volk nicht gleichzusetzen ist mit Hass auf andere. Zeigen Sie, dass Sie auch die Position der Israelis verstehen und nachvollziehen können. Sie haben sicher dazugelernt. Sich so erniedrigen, von sich selbst so zu distanzieren, nur um einen Job zu behalten, den Sie nach diesen Enthüllungen im WDR sowieso keinesfalls mehr bekommen?
Denn jetzt fängt die Show nämlich erst richtig an:
Die medienpolitische Sprecherin der CDU, Elisabeth Motschmann, bezeichnete die Demo-Teilnahme auf Twitter als “absolutes No-Go”.
Der Berliner Verein “Werteinitiative. jüdisch-deutsche Positionen” rief den Sender dazu auf, den Vorgang vollständig aufzuklären. “Eine Mitarbeiterin an prominenter Stelle, die sich derartig positioniert hat, ist für die größte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unseres demokratischen Staates nicht tragbar.”
Am Dienstag warnte der Verein dann davor, den Fall “als billigen Anlass zur Hetze gegen Muslime” zu nutzen.
Zahlreiche Rundfunkratsmitglieder meldeten sich zu Wort und kritisierten ganz überwiegend, dass El-Hassan weiter für den WDR tätig sein solle. Sie könne weder vor noch hinter der Kamera einen Platz haben. „Wir dürfen doch nicht so tun, als ob es unterschiedlich wichtige Aufgabenbereiche im WDR gibt“, hieß es in einer Wortmeldung. Damit tue sich der WDR keinen Gefallen.
Für den Sender sind Sie jetzt ein Problem. Egal, wie der Sender sich entscheidet, es wird falsch sein: Entweder ein Aufschrei, weil dann eine „Antisemitin“ offiziell im WDR arbeitet oder, wenn der WDR Sie rausschmeißt, bekommt er Probleme mit muslimischen Organisationen. Der WDR versucht nun Zeit zu gewinnen und unter der Hand einen Weg in aller Stille zu finden.
Und da ist er auch schon, während ich schreibe und nochmal auf Google gucke: Der Job ist weg. Vielleicht dürfen Sie ja noch hinter der Kamera arbeiten, vielleicht als Autorin, vielleicht auch nicht. Aber vor die Kamera dürfen Sie auf keinen Fall mehr. Nirgends im Fernsehen. Denn man hat auch noch ein bisschen gebuddelt, um mehr Munition zu haben:
„Es hätten sich aber auch aus jüngster Zeit problematische Likes von ihr in sozialen Netzwerken gefunden. „Es ist eine schwierige, schwierige Abwägung“, sagte Buhrow. Eine Moderation würde aber in jedem Fall zu einer unangebrachten Politisierung der Sendung führen.“
Bild: Instagram
Die »Bild« berichtete später über weitere Vorwürfe gegen El-Hassan. Demnach habe sie bei Instagram noch im Sommer 2021 »antiisraelische bis antisemitische« Inhalte mit »Gefällt mir« markiert:
Ein Beitrag, in dem der Ausbruch palästinensischer Insassen aus einem israelischen Gefängnis als „unglaubliche Heldentat“ gefeiert wurde, bekam erst im September von El-Hassan ein „Like“. Dabei waren unter den Ausgebrochenen auch islamistische Terroristen (Mitglieder der „Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden“ und des „Islamistischen Dschihad in Palästina“), die an tödlichen Attacken gegen israelische Zivilisten beteiligt waren. Einer der ausgebrochenen Terroristen hatte zusammen mit Komplizen im Jahr 2006 einen 18-jährigen Israeli entführt und mit einem Kopfschuss exekutiert. Das „Like“ von El-Hassan ist nur wenige Wochen alt.
Auch ein Beitrag aus dem Juli, in dem der Boykott israelischer Produkte gefordert wird, wurde von der öffentlich-rechtlichen Moderatorin mit Zustimmung belohnt. Dabei stuft der Bundestag die Boykott-Bewegung BDS („Boykott, Divestment and Sanctions”) als antisemitisch ein.
Danach dürften auch Ihre Unterstützer nicht mehr so überzeugt sein.
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